Abgeordnetenbestechung

Die unendliche Geschichte eines Gesetzes

Vorstellung des Korruptionswahrnehmungsindex in Berlin
Bundespressekonferenz in Berlin: Vorstellung des Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) 2014 von Transparency International am 03.12.2014. © imago stock&people
Von Gudula Geuther · 16.04.2015
Sudan und Syrien haben die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption nicht ratifiziert und auch Deutschland gehörte lange dazu. Obwohl die Deutschen im internationalen Vergleich relativ viel gegen Bestechung tun, sträubten sie sich jahrelang gegen internationale Abkommen.
Deutschland war treibende Kraft, als das Strafrechtsabkommen des Europarates gegen Korruption entwickelt wurde, das seit 2002 gilt. Aber noch zehn Jahre später, im März 2012, beklagte der Grüne Rechtspolitiker Jerzy Montag im Bundestag:
"Von den 47 Staaten des Europarats haben es 43 ratifiziert, und wir gehören zu den letzten. Das ist eine Schande, meine Damen und Herren!"
Und damit nicht genug – denn mindestens auf dem Papier gehörte Deutschland auch im Verbund der Vereinten Nationen zu den Schlusslichtern im Kampf gegen die Korruption.
"Auf dem Tisch dieses hohen Hauses liegt die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption. Auch da hat Deutschland konstruktiv mitgearbeitet im Rahmen der UNO. 160 Staaten haben ratifiziert. Nicht unterschrieben haben Nordkorea; Somalia und der Tschad. Und nicht ratifiziert haben Saudi-Arabien, Sudan, Syrien, Myanmar und Deutschland. Das ist ebenfalls eine Schande, meine Damen und Herren!"
Dabei schlägt sich Deutschland tatsächlich im internationalen Vergleich nicht schlecht, wenn es um die Bekämpfung von Bestechung oder Ämterkauf geht. Nach dem internationalen Index, der die gefühlte Korruption eines Landes misst, liegt die Bundesrepublik auf Platz 12 von 174, die Tendenz der vergangenen Jahre war positiv. Nur an die internationalen Abkommen wollte man lange nicht heran. Seit 1994 steht der regelrechte Kauf einer Stimme unter Strafe. Die Konventionen allerdings verlangen mehr. Denn wenn der Abgeordnete die Hand hebt, sind die eigentliche Diskussion und die Einflussnahme schon vorbei: Diskussion im Vorfeld, Einflussnahme bei der Stimmabgabe im Ausschuss, dessen Empfehlung das Plenum so gut wie immer folgt. An ein strengeres Strafrecht in eigener Sache wollte aber der Bundestag lange nicht heran.
Mandat umfasst nicht das Recht, sich kaufen zu lassen
Der Grund: Parlamentarier fürchteten um die Unabhängigkeit des Abgeordneten. Kritiker höhnten damals: Das freie Mandat umfasst nicht das Recht, sich kaufen zu lassen. Darum gehe es nicht, antworteten vor allem Abgeordnete von Union und FDP. Die internationalen Vereinbarungen verlangen von den Mitgliedstaaten, dass sie die Einflussnahme auf Amtsträger unter Strafe stellen. Gemeint sind auch Parlamentarier. Genau da begann für den Unionspolitiker Günter Krings, damals Fraktionsvize, schon das Problem, ein Problem mit dem Bild des gewählten Mandatsträgers.
"Beim Amtsträger habe ich einen klaren Pflichtenkreis. Der Beamte XY an der Stelle ABC in der Kommunalverwaltung hat einen klar definierten Pflichtenkreis, wenn er aus dem ausbricht, etwas macht, was er nicht mehr darf, dann hat er nicht nur disziplinarische, sondern im Zweifel, wenn er sich dafür Geld geben lässt, auch strafrechtliche Sanktionen zu befürchten."
Der Abgeordnete definiere dagegen zu einem großen Teil selbst, was seine Aufgabe sei. Er dürfe, ja müsse sich sogar für seine Sache einsetzen, er sei eben kein Beamter.
"Ich finde, wer da beamtenrechtliche Regelungen immer auf die Abgeordneten überstülpen will, der bekommt nachher auch beamtenähnlich denkende Abgeordnete."
Ein Abgeordneter darf sich einseitig für den Tierschutz oder die Automobilwirtschaft einsetzen, vielleicht ist er sogar genau deshalb gewählt worden. Günter Krings argumentierte mit einem für viele wohl irritierenden Beispiel: Auch in Zukunft müsse ein Abgeordneter für seine Partei Spenden von den Unternehmen im Wahlkreis einwerben können, für die er sich in Berlin einsetzt. Für viele wäre das wohl der Paradefall der unzulässigen Nähe von Abgeordneten und Wirtschaft. Bestechung allerdings, das sagte auch die Opposition, wäre es nicht. Auch die SPD-Politikerin Christine Lambrecht, die an sich strengere Regeln wollte, warnte:
"Es muss weiterhin möglich sein, dass ich mich weiterhin beispielsweise mit Gewerkschaften austausche, mit Unternehmensverbänden austausche über deren Interesse. Das muss weiterhin möglich sein, dass ich dabei eine Tasse Kaffee trinke oder auch ein gemeinsames Essen einnehme. Was ich dann damit mache, mit der Information, die ich damit gewinne, ist etwas anderes."
Keine gesetzlichen Verschärfungen
Und die heutige Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff, damals rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, lehnte Verschärfungen mit noch einem ganz anderen Argument ab:
"Wenn entsprechende gesetzliche Regelungen dazu führen würden, dass gerade in Wahlkämpfen durch falsche Anzeigen die Staatsanwaltschaft ermittelt, verpflichtet wird, zu ermitteln, dann wird es zu einem politischen Instrument, und das ist für uns nicht tragbar."
SPD, Grüne und Linke dagegen forderten Vertrauen in die Justiz. Die Wende kam mit dem Koalitionsvertrag. CDU, CSU und SPD vereinbarten:
"Wir werden die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu regeln."
Das geschah schließlich im vergangenen Jahr. Seit September 2014 ist nicht nur der Kauf und Verkauf einer Stimme, sondern jede Handlung in Wahrnehmung eines Mandats erfasst, sagt Christine Lambrecht.
"Das heißt, zu versuchen, Verbündete zu finden für ein bestimmtes Thema, andere Abgeordnete zu gewinnen, wenn ich anfange, Briefe zu schreiben, zu telefonieren, mich für eine Sache einzusetzen."
Es kommt darauf an, ob es eine so genannte Unrechtsvereinbarung gibt: Ich gebe, damit Du gibst. Der Abgeordnete macht sich dabei auch strafbar, wenn er sich nur Leistungen in der Zukunft versprechen lässt, wenn das immaterielle Zuwendungen sind, wenn sie nicht an ihn, sondern an Dritte, etwa seine Frau, gehen. Spenden – nicht nur an die Partei, sondern auch solche an den Abgeordneten selbst – sind weiter erlaubt.
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