Abenteuerliche Weltumsegelung

25.12.2012
Als Autor von "Peter Schlehmil" wurde Adelbert von Chamisso berühmt. Doch er war auch Naturforscher und umsegelte von 1815 bis 1818 an Bord eines zaristischen Marineschiffs die Welt. Die Andere Bibliothek liefert eine schön gestaltete Neuausgabe des 1836 erschienenen Reiseberichts.
Gut 40 Jahre, nachdem Georg Forster mit Captain Cook die Ozeane bereist und neben brillanten Zeichnungen auch die erste Reisereportage verfasst hat, geht ein anderer Doppeltbegabter auf eine Expedition: Adelbert von Chamisso. Ein Deutscher mit Migrationshintergrund, würde man heute sagen, eine Größe in Berliner Kulturkreisen, erst recht seit sein "Peter Schlemihl" erschienen ist, aber er ist nicht "auch noch Zeichner", sondern Naturforscher, Verehrer von Forster und Humboldt. Seine Reise an Bord eines Kriegsschiffs der zaristischen Marine dauert drei Jahre, von 1815 bis 1818.

Die "Rurik" segelt unterm Kommando von Leutnant Otto von Kotzebue im Auftrag des Grafen Rumjanzew. Expeditionsziel: Die Nordwestpassage entdecken, um russische Handelsinteressen zu sichern. Chamisso dagegen will alles, was auf dem Weg liegt, entdecken, sammeln und weiter erforschen. Eine sehr unharmonische Konstellation, wie sich bald zeigt. Der Kapitän, obwohl ein Sohn des Dichters August von Kotzebue, hat nichts übrig für Chamissos Forscherdrang, vor allem keinen Platz für Asservate. Ihm reicht es, wenn der mitreisende Zeichner Ludwig Choris alles penibel dokumentiert. Der wiederum will sich nur vom Kapitän Order geben lassen und nimmt schon mal Pflanzensammlungen als Kopfkissen.

Die "Rurik" kommt aus St. Petersburg, Chamisso steigt in Kopenhagen zu, es geht durch den Ärmelkanal über den Atlantik nach Brasilien, dann um Kap Hoorn herum und durch die pazifische Inselwelt hoch zu den Aleuten, entlang den russischen Kolonien Alaska und Kalifornien zurück in die Südsee, schließlich über den Indischen Ozean und um das "Vorgebürge der Guten Hoffnung" an Westafrika hoch zurück nach St. Petersburg. Die Nordwestpassage ist immer noch nicht entdeckt, aber etwa 400 Inseln sind kartografiert, Erkenntnisse über Fauna, Flora, Wetter, Routen, Ethnien gewonnen und 170 Tier- sowie 2.500 Pflanzenarten ins "alte Europa" gebracht - aller Obstruktion zum Trotz.

Chamisso stellt dem geneigten Leser nicht nur sich selbst und das multikulturelle "Rurik"-Personal vor - mit liebevoller, selbstironischer oder spitzer Feder -, er führt ihn buchstäblich durch die "Nußschale", die die meiste Zeit "zwischen der Bläue des Meeres und der Bläue des Himmels" schwebt und ihm nur eine Koje und drei Schubkästen Platz lässt. Ebenso aufmerksam beobachtet und schildert er die Menschen, auf die er an Land trifft, ihre Kleidung, ihren Alltag, ihre Sitten - die "Tatuierung" zum Beispiel. Seine Entdeckung, wie Koralleninseln entstehen, trägt ihm später Darwins Lob ein.

Eine klimatisch in jedem Sinn anstrengende Reise. Aber - hier passt die Wendung wirklich - Chamisso nimmt uns mühelos mit. Denn er wagt sich auch literarisch an etwas "Unerforschtes": Indem er narrative und informative Passagen verbindet, durchmischt, nebeneinander stellt. Diese neue Ausgabe seiner "Reise um die Welt" ist nicht nur sorgfältig ediert und wunderschön gestaltet. Sie spiegelt Chamissos prismenartigen Text noch einmal, indem sie ihm Ludwig Choris' Bilder einfügt - alle 150 noch auffindbaren Lithografien, in Farbe, zum ersten Mal.

Besprochen von Pieke Biermann

Adelbert von Chamisso: Reise um die Welt
Mit 150 farbigen Lithographien von Ludwig Choris
Gestaltet von Victor Masly und Lorena Manzo
Die Andere Bibliothek, Berlin 2012
530 Seiten, 79,00 Euro (bis 1.1.2013, danach 99,00 Euro)