Abenteuer WM und eine teutonisch-depressive Zombie-Arie

Vorgestellt von Hans-Ulrich Pönack · 04.10.2006
Der Film "Deutschland. Ein Sommermärchen" lässt die Partystimmung der WM nochmals aufleben. Regisseur Sönke Wortmann hat die deutsche Fußballnationalmannschaft durch das Turnier begleitet und erzeugt Gänsehaut-Atmosphäre. Ganz anders der Film "Ich bin die Andere": tragisch-trauriger Melodram-Blödsinn von Margarethe von Trotta.
"Deutschland. Ein Sommermärchen." von Sönke Wortmann, der mit dem Fußball seit Jahren/Jahrzehnten fest verbunden ist. Anfang der 80er Jahre wollte der Junge aus Marl (Jahrgang 1959) eigentlich Profi-Fußballer werden. Kickte unter anderem bei Westfalia Herne und der Spielvereinigung Erkenschwick (die damals, auch dank eines Wortmann-Tores, in die 2. Bundesliga aufstieg), bevor er dann doch zum Regiestudium an die Hochschule für Fernsehen und Film in München "umschwenkte". 2002 schuf er mit dem Spielfilm "Das Wunder von Bern" den deutschen WM-Fußball-Film (rund 3,5 Millionen Kinobesucher sahen den Spielfilm über den legendären WM-Erfolg von 1954 beim Turnier in der Schweiz), danach inszenierte er die siebenteilige SAT.1-Kreisliga-Kicker-Serie "Freunde für immer - Das Leben ist rund", und jetzt stellt er sein neuestes Fußball-Film-Projekt vor.

Die Idee dazu verdankt Wortmann den Franzosen. 2002 sah er deren Dokumentarfilm "Les Yeux dans les Bleus", über den Weg der französischen Nationalmannschaft zum WM-Titel 1998. Nach zähen und mühseligen Verhandlungen (FIFA und WM-Organisationskomitee waren anfangs überhaupt nicht von diesem Projekt überzeugt) und nach dem Amtsantritt von Klinsmann und Bierhoff bekam er jedoch "grünes Licht" für die Idee, die deutschen Fußball-Nationalspieler durch das "Abenteuer WM" mit der Kamera "intim" begleiten zu dürfen.

Nach erfolgreichem Probelauf beim "Confed Cup 2005" war er ständig mit dabei und "integriert". Thema: Eigentlich sind ja Kameras an "heiligen Orten" der Fußball-Nationalmannschaft wie Kabine, Mannschaftsbus oder Teamhotel tabu. Nun aber durfte Wortmann gerade dort auch drehen. Herausgekommen ist ein Glücksfall von Dokument: Die "so" eigentlich nie geglaubte Erfolgsgeschichte des deutschen WM-Teams. Die Fakten sind ja bekannt und haben Millionen Deutsche in diesem Sommer begeistert. Deshalb konzentriert sich der 108-minütige Film auch nicht so sehr um die Rasen-Details, sondern eben um das Dahinter beziehungsweise das Drumherum.

Wie ein spannender Kinofilm ist er - "dramaturgisch" - mit Overtüre, Hauptteil, und Schluss und stimmungsvollem Epilog ebenso informativ wie hochemotional aus rund 100-stündigem Material ausgestattet beziehungsweise zusammengemixt worden. Mit vielen ebenso informativen wie unterhaltsamen "Kleinigkeiten" am Rande; mit den gigantischen Ansporn-Solo-Auftritten des grandiosen Motivators Klinsmann; mit der überwältigenden Gänsehaut-Atmosphäre im Land während des gesamten Turniers. "Die Fanmeile kehrt noch einmal zurück", lautet das Fazit dieses Klasse-Films, der die ewige Meckerei und den nörgeligen Dauer-Depri-Pessimsimus im Lande noch einmal, für einen herrlichen Kino-Moment lang, wunderbar zu verscheuchen versteht. Und nun auch Sönke Wortmann in die vordere Reihe der hiesigen Filmemacher katapultiert: Geboren am 25. August 1959 in Marl; sein studentischer Abschlussfilm "Drei D" bekam 1990 eine Nominierung für den Studenten-"Oscar"; amüsantes Kino-Debüt 1991 mit "Allein unter Frauen"; Off-Kino-Erfolg mit dem nächsten Kinofilm "Kleine Haie (1992); schlechte Kinofilme: "Mr. Bluesman" (1993), "St. Pauli Nacht" (1999) sowie der missglückte Hollywood-Ausflug "Der Himmel von Hollywood" (2001, mit: Burt Reynolds, Tom Berenger sowie Rod Steiger in seiner letzten Rolle); bessere oder gute Kinofilme: Natürlich "Der bewegte Mann" (1994, mit Til Schweiger und Joachim Król; über sechs Millionen Kino-Besucher); "Das Superweib" (1996, mit Veronica Ferres); "Der Campus" (1998, mit Heiner Lauterbach). Die letzten beiden Fußball-Filme adeln ihn nun. Bisherige Auszeichnungen von Sönke Wortmann: "Bambi 1994"; "Deutscher Filmpreis 1995" für "Der bewegte Mann"; "Ernst-Lubitsch-Preis 1995" für "Der bewegte Mann" sowie "Bayerischer Filmpreis 2003" für "Das Wunder von Bern".

"Ich bin die Andere" von Margarethe von Trotta, die während ihrer langen Regie-Karriere ständig qualitativ höchst unterschiedliche Filme inszeniert hat: Höchst prickelnden Privat-Polit-Konfilkt-Movies wie "Die bleierne Zeit" (1981), "Rosa Luxemburg" (1986) und "Rosenstraße"(2003) stehen deprimierend-stocktrockene Werke wie "Heller Wahn" (1983), "Fürchten und Lieben" (1988) und eben jetzt auch der neueste Kinofilm gegenüber: Eine teutonisch-depressive Zombie-Arie spult sich hier ab. Junger, erfolgreicher Ingenieur (August Diehl) verfällt einer gestörten Frau (Katja Riemann), die mal mit Biedermeier-Charme, mal mit dominantem Nutten-Rotz auftritt. Eine multiple, weibliche Jekyll-Hyde-Furie. Die vom Vater-Besitz ebenso wenig loskommt wie vom sexuellen Freiheits- und Befreiungsdrang.

Man redet permanent staubtrockenen Stuss, man glaubt keiner Figur auch nur ein Wort oder eine Geste, alles erscheint als tief-tragisch-trauriger Melodram-Blödsinn; die angepeilte Entlarvung bürgerlicher Deutsch-Welten wirkt lächerlich, albern, grotesk, vorhersehbar, absolut spannungs- wie sinnlos. Und ganz düster-leidvoll agiert hier auch der gute und geschätzte Armin Mueller-Stahl als Rollstuhl-Kotzbrocken und Familien-Patriarch-Sau, während sich die einstige Edgar-Wallace-Ikone Karin Dor als seine Ehefrau hahnebüchen-doof durch den langweiligen Film säuft. Das Presseheft spricht von einem "Geflecht aus Liebe, Leidenschaft und Abhängigkeit"; die Filmbewertungsstelle gab das Prädikat "Besonders Wertvoll"... - Der deutsche Film auf einer (erschreckend) armseligen Trauerschiene.