80. Geburtstag Fela Kuti

Musikalischer Freiheitskämpfer voller Widersprüche

Fela Kuti während eines Konzertes im Jahr 1984.
Fela Kuti während eines Konzertes im Jahr 1984. © imago/Future Image/ R. Keuntje
Von Laf Überland · 15.10.2018
Fela Kuti gilt als Erfinder des Afrobeat: ellenlange Improvisationen, getragen von einer Rhythmusgruppe, darüber Fela Kutis Kampfansagen gegen Kolonialismus und Unterdrückung. Am Montag wäre der nigerianische Musiker 80 Jahre alt geworden.
Natürlich sollte Fela Kuti, als seine intellektuelle Familie ihn 1958 nach London schickte, dort Jura studieren. Aber er hatte gar nicht vor, Anwalt zu werden: Er studierte Musik und spielte als Trompeter mit anderen nigerianischen Musikern vor afrikanischen Studenten und Arbeitern in Londoner Clubs.
Als Fela 1963 nach Nigeria zurückkehrte, begann er dort, die Musik zu entwickeln, die er später Afrobeat nannte: eine ureigene panafrikanische Musik mit Botschaft.
Afrobeat war eine wilde Fusion von Jazz, Funk, ghanaischem Highlife, psychedelischem Rock und traditionellen Gesängen, und vor allem der Schlagzeuger Tony Allen stand für das musikalische Fundament, wenn ein Rhythmus sich langsam aufbaute, dann umschichtig die Instrumente einfielen zu einer Jam Session: funkige Hörner, grummelnde Bässe, jede Menge Trommeln, unterbrochen von Felas rudimentären Klavierriffs.
Zuerst sprach er dann meist durch sein Saxofon, spielte Soli in diesen endlosen Groove – bis, nach zehn, fünfzehn Minuten zumeist, seine Stimme sich einmischte und er weitere zehn, fünfzehn Minuten seine allgemein verständlichen in Pidgin-Englisch gesungenen Black-Power-Leitartikel deklamierte.

Bis zu 40 Bandmitglieder

Nigeria 70, Africa 70, Egypt 80: Je weiter sich diese Musik entwickelte, desto größer wurde die Band. Bis zu 40 Mitglieder hatte sie bisweilen: Saxofonisten, Trompeter, Gitarristen und Trommler aller Art und 27 Tänzerinnen und Sängerinnen, die Fela 1978 alle auf einen Schlag heiratete – was bei den Linken, die ihn als Freiheitskämpfer feierten, gewisse Irritationen auslöste: ein Revolutionär mit Harem?
Fela Kuti und Band Mitte der 1980er-Jahre.
Fela Kuti und Band Mitte der 1980er-Jahre.© dpa / picture alliance / Hardy Schiffler
Aber in Fela Kuti manifestierte sich die postkoloniale Widersprüchlichkeit: Er umsorgte seine Leute, aber war auch ein Tyrann, der seine Frauen schlug. Er wollte politische Gerechtigkeit und interessierte sich für Geisterbeschwörung. Er war ein bekiffter Egozentriker, der eine bessere Welt wollte.
Das Leben in seiner Kalakuta-Kommune, die Fela zur freien Republik erklärt hatte, war ein Lieblingsthema der nigerianischen Hochglanzmagazine. Das Problem aber waren die Themen, über die er in seiner Tanzmusik referierte: das kriminelle Verhalten der Regierung und die Korruption der Militärs, den Kolonialismus, Umweltverschmutzung und Armut und über das Übel der multinationalen Konzerne im Land.

Über 200 Mal verhaftet

Über 200 Mal soll Fela Kuti unter den verschiedensten Anschuldigungen verhaftet worden sein, immer wieder saß er im Knast, und zweimal wurde seine Kommune Kalakuta vom nigerianischen Militär gestürmt, seine Frauen wurden vergewaltigt, und beim zweiten Mal wurden das Haus mitsamt Studio und Musikbändern, die angrenzende Klinik seines Bruders und das Haus seiner Mutter abgefackelt.
Allerdings wurde die 75-Jährige auch im ersten Stock aus dem Fenster geworfen, und als sie ein paar Monate später an den Verletzungen starb, da zog Fela mit ihrem Sarg vor die Armee-Baracken des Diktators und legte ihn dort ab.
Er werde niemals sterben, sagte Fela Kuti, dafür hatte er sich ja den Namen Anikulapo zugelegt, der bedeutete, dass er den Tod in einem Beutel trage und der ihm also nichts anhaben könne. Aber am 2. August 1997 starb er dann doch – mit 58 und in Folge von Aids.
Sein Bruder, der eine wichtige Anti-Aids-Kampagne im Land leitete, hatte vergeblich versucht, ihn zu Medikamenten zu überreden: Er hatte Fela nicht davon abbringen können, dass diese ganze Aids-Geschichte eine weiße Verschwörung war, damit die Afrikaner Kondome benutzten – und die schwarze Geburtenrate reduzierten ...
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