75 Jahre danach

Unterschiedliches Erinnern an den Hitler-Stalin-Pakt

Menschen stehen am Donnerstag (23.08.2012) am Freiheitsdenkmal in Riga, Lettland.
In Lettland ist der 23. August noch immer ein wichtiger Gedenktag. © picture alliance / dpa
Moderation: Katja Schlesinger und Frank Meyer  · 22.08.2014
Vor 75 Jahren wurde der Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet. Der Osteuropa-Historiker Stefan Troebst erinnert daran, welche Bedeutung dieses historische Datum bis heute für Polen und die baltischen Staaten hat.
Anlässlich der Gedenkfeier der EU-Justizminister und der lettischen Regierung am Samstag in Riga machte Troebst deutlich, wie unterschiedlich bis heute dieses historische Datum begangen werde. "In den baltischen Republiken und in Polen ist das ein ganz prominentes Datum", sagte er. In Deutschland und in Russland werde der Gedenktag dagegen nur am Rande bemerkt. Deshalb handele es sich bei dem 2009 proklamierten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus und Stalinismus um einen " geschichtspolitische Minimalkonsens der osterweiterten EU". Der Konsens besage: "Totalitarismus ist schlecht." In den baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland, aber auch in Polen werde deshalb bis heute jede Entwicklung zwischen Deutschland und Russland argwöhnisch beobachtet.
In Russland bis heute ein heikles Thema
Schon zu sowjetischer Zeit habe das Datum im Baltikum eine zentrale Rolle gespielt. Zum Jahrestag 1989 bildete sich eine baltische Menschenkette von Tallin, nach Riga und Vilnius. "Das Signal war, die territorialen Ergebnisse des Hitler-Stalin-Paktes müssen revidiert werden", sagte Troebst. Während dies im Baltikum geschehen sei, gehöre der Ostteil Polens heute weiter zu den sowjetischen Nachfolgestaaten Belarus und Ukraine.
Troebst erinnerte auch daran, dass in der UdSSR bis 1989 die Existenz des geheimen Zusatzprotokolls zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt, das die territoriale Teilung Ostmitteleuropas geregelt hatte, offiziell bestritten wurde. In Russland sei der Pakt bis heute ein heikles Thema geblieben: "Morgen wird in Moskau keine Gedenkfeier stattfinden", sagte Troebst. Die russischen Historiker verträten heute überwiegend die Sicht, dass der Pakt ein kluger Schachzug Stalins gewesen sei, um Zeit zu gewinnen, sich auf den deutschen Angriff auf die SU vorzubereiten.
Grundlage für den Einmarsch in Polen
Am 23. August 1939 hatten der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop und sein sowjetischer Amtskollege Wjatscheslaw Molotow den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt unterzeichnet. Er garantierte dem Deutschen Reich die sowjetische Neutralität und ermöglichte am 1. September 1939 den deutschen Einmarsch in Polen und die folgende Teilung des Landes.
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