"72 Stunden"

Gesehen von Hannelore Heider · 19.01.2011
Harmloser Akademiker befreit seine Frau aus einem Hochsicherheitsgefängnis, aus dem liebenden Ehemann wird ein harter Hund - gespielt von Charakterdarsteller Russel Crowe. Action-Fans kommen dabei auf ihre Kosten. Länger als zwei spannende Kinostunden hält die Sogwirkung des Filmes aber nicht an.
Autor und Regisseur Paul Haggis ist ein Hollywoodschwergewicht, der mit zwei Oscars für seinen Debütfilm "L.A.Crash" und einem für das Drehbuch zu Clint Eastwoods "Million Dollar Baby" mit jedem Film hohe Erwartungen weckt. Wenn man weiß, dass er auch an den Drehbüchern für die beiden "modernen" Bond-Filme "Casino Royal" und "Ein Quantum Trost" mitgeschrieben hat, ahnt man, was ihn an dieser Geschichte gereizt haben mag. Es ist das Hollywoodremake eines französischen Actionthrillers, der vor zwei Jahren bei uns nicht einmal ins Kino kam.

Erzählt wird die Geschichte eines ganz gewöhnlichen Mannes, der seine Frau aus einem Hochsicherheitsgefängnis befreit, in dem sie als verurteilte Mörderin lebenslänglich einsitzen soll. Er tut es, weil er trotz aller Indizien fest an die Unschuld seiner Frau glaubt, alle rechtlichen Mittel, das zu beweisen, versagt haben, und seine Frau durch einen fehlgeschlagenen Selbstmordversuch gezeigt hat, dass sie das Schicksal nicht erdulden und lieber aus dem Leben scheiden will.

Die Story gibt also genau das her, was Paul Haggis immer interessiert hat, "ein Thriller, in dem es nicht um harte Jungs mit großen Knarren geht, sondern dessen Dynamik von zwischenmenschlichen Emotionen befeuert wird."

Auf der Suche nach auch nur einem Hauch von einer Chance, seine Frau zu befreien, öffnet sich ein Zeitfenster von drei Tagen. Was tut der geachtete, solide Englischprofessor John Brennan, der über keinerlei kriminelle Energie, weder über Waffen noch den Willen verfügt, notfalls auch zu töten, um den Plan durchzuziehen?

Er geht ins Internet, findet einen ehemaligen Gefängnisinsassen und Ausbrecherkönig (Liam Neeson) und lässt sich die Regeln erklären. Und dann schreitet er zur Tat, besorgt Waffen und Pässe in der Unterwelt der Verbrecher, die den Eindringling erst einmal zusammenschlagen.

Aus dem liebenden Ehemann und allein erziehenden Vater wird ein cleverer harter Hund, was der Charakterdarsteller Russel Crowe, wie nicht anders erwartet, allein durch seine Mimik glaubwürdig machen kann, Dialoge gibt es wenig in diesem Film. Auch an der Performance der verzweifelten, verurteilten jungen Frau (Elizabeth Banks) gibt es nichts zu kritteln. Die Szenen, in denen sie erkennt und damit hadert, was aus ihrem Mann geworden ist, sind die psychologisch spannendsten.

Als dann die große Action einer trickreich-ausgeklügelten Flucht losgeht, kommen auch noch die Actionfans auf ihre Kosten. Und doch ist Haggis neuer Film eine Enttäuschung – länger als zwei spannende Kinostunden hält die Sogwirkung des Filmes nicht an. Ein gut gemachter Thriller, mehr nicht.

USA 2010; Regie: Paul Haggis; Darsteller: Russel Crowe, Elizabeth Banks, Liam Neeson; Länge: 122 Minuten

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