72. Filmfestival in Cannes

Goldene Palme für "Parasite" von Bong Joon-ho

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Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-Ho hat mit seinem Film "Parasite" die Goldene Palme beim 72. Festival von Cannes gewonnen.
Der südkoreanische Regisseur Bong Joon-Ho hat mit seinem Film "Parasite" die Goldene Palme beim 72. Festival von Cannes gewonnen. © picture alliance / abaca / Marechal Aurore
Anke Leweke und Patrick Wellinski im Gespräch mit Timo Grampes · 25.05.2019
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Die Goldene Palme ging in diesem Jahr an den Regisseur Bong Joon-ho. Als beste Schauspielerin wurde Emily Beecham, als bester Schauspieler Antonio Banderas ausgezeichnet. Für unsere Kritiker „ein starkes Festival“ - mit kleinen Makeln.
In Cannes wurden die Preise des 72. Internationalen Filmfestivals verliehen. Die Goldene Palme ging an den Film "Parasite" von Regisseur Bong Joon-ho. Als beste Schauspielerin wurde die Britin Emily Beecham für ihre Rolle in "Little Joe" gewürdigt, als bester Schauspieler der Spanier Antonio Banderas für seine Rolle in Almodovars Film "Leid und Herrlichkeit".
Den Nachwuchspreis "Caméra d'Or" erhielt der guatemaltekische Film "Nuestras madres" von César Díaz. Das beste Drehbuch kam von Céline Sciamma für "Portrait of a Lady on Fire". Die Brüder Dardenne gewannen mit ihrem Film "Young Ahmed" in der Kategorie beste Regie. Der Film "Atlantics" von Regisseurin Mati Diop erhielt den Grand Prix der Jury.

"Die Jury hat Unterhaltungskino 2.0 ausgezeichnet"

Unsere Filmkritiker Anke Leweke und Patrick Wellinski zeigten sich sehr zufrieden mit der Verleihung des Hauptpreises, der Goldenen Palme, an Bong Joon-ho: "Die Jury hat hier Unterhaltungskino 2.0 ausgezeichnet. 'Parasite' ist eine rabenschwarze Gesellschaftssatire, die die Politik des Landes Südkorea sehr genau im Blick hat. Es geht um eine sehr arme und eine sehr reiche Familie. Und diese sehr arme Familie schleicht sich so langsam über Aushilfsjobs in diese reiche Familie hinein", sagt Wellinksi.
Und Anke Leweke ergänzt, dass es in diesem Film vor allem um die Klassenherrschaft in Südkorea gehe. Bezeichnend sei, dass Bong John-ho sich bei Claude Chabrol bedankt habe, in dessen Fußstapfen er trete. "Und er zeigt einfach, wie die reicheren Leute die ärmeren, ohne es zu wollen, permanent demütigen." Trotzdem habe der Film viele unterhaltsame Momente: "Eine schwarze Komödie, wo einem das Lachen im Halse stecken bleibt."

Überraschender Preis für Mati Diops "Antlantics"

Den zweitwichtigsten Preis, den großen Preis der Jury, gewann eine Debütantin: Mati Diop für "Antlantics". Für Anke Leweke war dies schon "ein bisschen eine Überraschung". Die Regisseurin habe aber eine ganz interessante und auch neue Tonlage angeschlagen:
"Man könnte sagen, es ist ein Geisterfilm, der uns mit in die Gegenwart nach Dakar nimmt." Dabei lerne man junge Männer auf einer Baustelle kennen, die nicht bezahlt werden und ihre Liebe nicht leben können, weil ihre Freundinnen verheiratet werden, weswegen sie über den Atlantik nach Europa fliehen, dabei verunglücken und als Geister in den Körpern ihrer Freundinnen zurückkehren. Eine unheimlich schöne Utopie werde gezeichnet, so Leweke weiter, eine, in der dann die Frauen anfangen, für die Rechte ihrer Männer und für ihre Liebe zu kämpfen.

Buhrufe für Emily Beechem

Die Darstellerpreise gingen an Antonio Banderas und an Emily Beecham. Leweke zeigt sich begeistert von der Entscheidung für Banderas. Dieser verkörpere Pedro Almodovars Alter Ego in dessen Film "Schmerz und Herrlichkeit". Dabei spiele er einen Regisseur in der Lebens- und Schaffenskrise, der seinen Schmerz mit Drogen betäubt und im Rausch die Vergangenheit Revue passieren lässt. Banderas gebe der Figur des Regisseurs dabei etwas sehr Verletzliches, dabei aber nichts Wehleidiges, so Leweke weiter. Es werde ein Mann gezeigt, der ganz ehrlich mit sich selbst abrechne.
Die Preisverleihung an Emily Beechem hingegen sorgte für Verwunderung - sowohl bei unseren Kritikern als auch bei den Gästen während der Verleihung: "Da gab es die ersten Buhrufe des Abends."

"Ein starkes Festival"

Insgesamt sei die 72. Ausgabe des Filmfestivals von Cannes ein "starkes Festival" gewesen. "Es war wieder eine sehr schöne Versammlung von alten Bekannten, aber auch neuen Namen und Talenten, die wir weiter verfolgen werden", resümiert Wellinksi. "Was mir große Freude in diesem Jahr gemacht hat: Auch wenn man die Filme nicht so gut fand, sie ließen einen nicht los, sie hatten Widerhaken und man konnte stundenlang diskutieren", sagt Anke Leweke.
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