70 Jahre Cannes

Tränen und Schaffenskrisen zur Eröffnung

Charlotte Gainsbourg (l.), Mathieu Amalric und Marion Cotillard beim Photocall für den Film "Les Fantômes d’Ismaël" auf den 70. Internationalen Filmfestspielen in Cannes
Charlotte Gainsbourg (l.), Mathieu Amalric und Marion Cotillard beim Photocall für den Film "Les Fantômes d’Ismaël" auf den 70. Internationalen Filmfestspielen in Cannes © imago/Starface
Von Patrick Wellinski · 17.05.2017
Die Filmfestspiele in Cannes feiern dieses Jahr ihren 70. Geburtstag. Eröffnet wird das Festival mit dem französischen Liebesfilm "Les Fantômes d’Ismaël" von Arnaud Desplechin. Der lässt die Kritik eher ratlos zurück. Dabei öffnet sich zum Jubiläum die Kinobastion Cannes zum ersten Mal auch für neue Formen des filmischen Erzählens.
Ratlose Stille löste der diesjährige Cannes-Eröffnungsfilm "Les Fantômes d’Ismaël" bei der internationalen Presse aus. Es ist kein Film, der sich wuchtig an den Zuschauer heranschmeißt. Das stille Liebesdrama fokussiert sich auf den Regisseur Ismaël, der gerade an einem neuen Drehbuch arbeitet und sich mit seiner Freundin ans Meer zurückzieht, als sich wie aus dem Nichts seine erste Ehefrau wieder meldet. Dabei galt sie 21 Jahre lang als verschollen.

Erfreulich starke deutsche Präsenz

Ein Film über eine künstlerische Schaffenskrise eröffnet also das weltweit wichtigste Filmfestival. Dabei versammelt sich an der Croisette wieder das Who-is-Who der Filmszene. Zu den 19 Namen, die um die Goldene Palme konkurrieren, zählen dieses Jahr unter anderem Michael Haneke, Todd Haynes, Sofia Coppola und Noah Baumbach. Für Deutschland geht Fatih Akin an den Start. Er zeigt sein Drama "Aus dem Nichts" mit Diane Kruger in ihrer ersten rein deutschsprachigen Hauptrolle.
Auch ansonsten ist das deutsche Kino im Jahr eins nach "Toni Erdmann" erfreulich stark auf dem Festival präsent, neben Akin und zahlreichen Co-Produktionen zeigt die Regisseurin Valeska Grisebach ihren Film "Western" in der wichtigsten Nebensektion. Und Maren Ade sitzt neben Pedro Almodóvar in der Wettbewerbsjury.

Die Zukunft des Kinos: Virtual Reality?

Für das Jubiläum haben sich die Macher eine ganz spezielle Vorführung gewünscht. Der Oscar-Gewinner Alejandro González Iñárritu zeigt seine erste Virtual Reality Arbeit "Carney Arena". Der sieben Minuten lange Film soll die neuen Möglichkeiten eines Kinos der Zukunft erschließen. Zudem öffnet sich Cannes erstmals auch für TV-Serien. So zeigt David Lynch die ersten beiden Episoden der dritten "Twin Peaks"-Staffel und Jane Campion – bis heute die einzige Frau, die die Goldene Palme gewinnen konnte –, die zweite Staffel ihrer Krimiserie "Top of the Lake". Das ist etwas, das man ruhig als Revolution bezeichnen sollte, schließlich sieht sich das Kino durch das Aufkommen des Serien-Booms und der wachsenden Macht der Streamingdienste bedroht.

Cannes wehrt sich gegen Trends

Wie angespannt die Lage ist, merkte man kurz vor dem Festival, als sich die französischen Kinobetreiber beschwerten, dass die beiden Netflix-Wettbewerbsfilme nicht offiziell ins Kino kommen sollten. Daraufhin änderte Cannes sein Regelwerk. Ergebnis: Ab 2018 dürfen nur noch Filme in den Wettbewerb, die danach offiziell im Kino ausgewertet werden.
Cannes bleibt eben auch in seinem 70. Bestehungsjahr die Feier der großen Leinwand und hat als einziger Ort noch die Macht, sich gegen die gegenwärtigen Trends zu wehren.
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