65 Jahre Bundespressekonferenz

Tweets ersetzen keine Interviews

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vor der Bundespressekonferenz.
Eine besondere Medieninstitution: die Bundespressekonferenz © picture alliance / dpa/ Wolfgang Kumm
Moderation: Korbinian Frenzel · 14.10.2014
Heute Abend feiert die Bundespressekonferenz ihr 65-jähriges Bestehen. Trotz aller Veränderungen der Medienlandschaft bleibt sie dem Hamburger Journalistikprofessor Stephan Weichert zufolge ein "unheimlich wichtiger" Ort der Begegnung zwischen Politik und Medien.
Korbinian Frenzel: Er hat das nicht mehr erlebt, Konrad Adenauer, die deutsche Einheit, aber er hat viele Jahre die Bundespressekonferenz erlebt und möglicherweise auch durchlitten, so wie alle anderen wichtigen Köpfe dieser Republik. 65 Jahre Bundespressekonferenz gilt es heute zu feiern, wobei natürlich – wie bei all diesen guten alten Institutionen der Bonner Republik – die Frage ist, was sie eigentlich heute noch taugen. Feiern und genau das fragen, beides wollen wir tun mit Stephan Weichert. Er ist Professor für Journalistik an der Macromedia-Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg. Guten Morgen dorthin!
Stephan Weichert: Hallo, guten Morgen!
Umgekehrte Verhältnisse: Politiker als Gast bei Pressekonferenzen
Frenzel: Wir fangen an mit dem Feiern und dem Würdigen der BPK: Hat die Bundespressekonferenz aus Ihrer Sicht einen Anteil daran, dass sich die Pressefreiheit im Westen ja recht gut entwickelt hat nach dem Krieg?
Weichert: Die hat einen sehr großen Anteil daran, weil es ja im Gegensatz zu anderen Nationen ja fast einzigartig ist, dass die Journalisten die gastgebenden Veranstalter dieser Bundespressekonferenz sind. Das heißt, jeder Politiker, der dort auftaucht, ist Geladener, ist Gast in dieser Bundespressekonferenz.
Frenzel: Verändert das denn die Art und Weise, wie diese Pressekonferenzen stattfinden?
Weichert: Ja, natürlich. Also wenn ich Gast in einem Hause bin, verhalte ich mich ja anders, als wenn ich selber Gastgeber bin. Insofern ist das ja ein Geben und Nehmen. Es ist manchmal ein Grillen der Politiker, wenn sie von Fragen gelöchert werden der Journalisten, und ich denke, es ist ein Ort, wo die Selbstdarstellung der Politiker zunehmend schwieriger wird, sondern sich einfach ganz nüchtern auch den Sachfragen stellen muss.
Berliner Republik: ein anderer Politikstil als in Bonn
Frenzel: Es ist eine Institution, die mit der Bonner Republik eng verbunden war, ist dann natürlich mit umgezogen nach Berlin. Hat sich die Bundespressekonferenz verändert durch diesen Wechsel Bonner, Berliner Republik?
Weichert: Ja, natürlich. Berlin ist weitläufiger. Man begegnet sich auch zwar hier immer mal wieder rund um das Kanzleramt im Regierungsviertel, aber die Nähe in Bonn, die ja auch berüchtigt war, man nennt es auch gelegentlich mal die Duz-Kumpel-Saufnähe, ist in Berlin doch eine etwas andere als zu Bonner Zeiten. Und insofern ist es hier großstädtischer.
Frenzel: In Berlin wird weniger geduzt und weniger gesoffen?
Weichert: Na ja, ich glaube, es wird mindestens genauso viel geduzt und getrunken wie vorher, aber diese Piefigkeit, die Bonn ausgestrahlt hatte, ist doch hier einer Großstädtischkeit, einer Welt- und Weitläufigkeit gewichen. Und man erkennt es ja auch an dem Politikstil, der sich sozusagen seit der Berliner Republik gravierend verändert hat: Also von Kohl zu Schröder und den Nachfolgenden bis zu Merkel ist doch jetzt eine ganz andere Taktung angesagt.
"Nicht mehr so viel Tiefe in der Politikberichterstattung"
Frenzel: Das klingt jetzt alles erst mal tendenziell eher positiv. Gibt es auch negative Entwicklungen?
Weichert: Absolut. Ich glaube, der gesamte politische Apparat hat sich durch die Medienberichterstattung, vor allem im Internet, extrem beschleunigt. Also hier kann man nicht nur von einer Dynamik sprechen, sondern von einer Beschleunigung, die für einen hohen Druck sorgt unter den Journalisten, für Exklusivmeldungen zu sorgen, also fast stündlich, manchmal sogar minütlich Neuigkeiten auf die Seiten zu bringen.
Und das hat doch so für eine ungute Unruhe gesorgt unter den Journalisten, was zur Folge hat, dass mitunter weniger recherchiert wird, Gespräche kürzer geführt werden müssen und nicht mehr so viel Tiefe in der Politikberichterstattung zu erkennen ist. Freilich gibt es Ausnahmen, das ist klar, aber so in der allgemeinen Breite beobachtet man doch eine extreme Beschleunigung der politischen Kommunikation.
Frenzel: Ja, und da wirkt ja die Bundespressekonferenz häufig so ein bisschen schnarchig, wenn man da so manche Wortmeldung, langatmige Wortmeldung hört, die dann zu einem festen Zeitpunkt in einem Raum stattfindet, eben nicht übers Internet, nicht über Twitter und dergleichen. Ist das nicht alles ziemlich altbacken?
Weichert: Ja, könnte man so sehen. Ich glaube nur, Nostalgie ist hier eigentlich fehl am Platz, weil dieser Ort der Begegnung ist einfach ein unheimlich wichtiger geblieben, weil es geht ja um Atmosphärisches, es geht um das persönliche Sich-Gegenübersitzen und sich auch den Fragen der Journalisten stellen. Das alles kann natürlich ein Computerbildschirm, über den heute viele Journalisten diese Pressekonferenz verfolgen, niemals ersetzen, genauso wenig wie Twittermeldungen von Politikern einfach das richtige, ordentliche, journalistische Interview ersetzen können.
Also da muss man auch ein bisschen Wasser in den Wein schenken und sagen: Das hatte auch ihr Gutes, diese Bundespressekonferenz, von der gesamten Konstellation, und dieses Altbackene hat in gewisser Weise auch den Charme der Menschlichkeit, den man hier beobachten kann.
Politiker wenden sich immer häufiger direkt ans Volk
Frenzel: Aber wie sieht denn Ihrer Ansicht nach – mit Blick auf die Bundespressekonferenz, aber vielleicht auch darüber hinaus – die Zukunft dieser politischen Kommunikation aus?
Weichert: Na ja, der Ruf nach Entschleunigung wird ja auch im Journalismus, in der Branche immer lauter, aber vor allem auch in der Politik mahnen viele Politiker – auch ehemalige wie Franz Müntefering zum Beispiel – zu Entschleunigung, weil sie eben glauben, dass da viel Substanzielles in den digitalen Medien verloren geht, zerrieben wird, dass sich vieles auch versendet.
Ich halte es für sehr wichtig, aber ich glaube auch, dass der Bürger, die Bürgerinnen und Bürger auch etwas anderes noch einfordern, nämlich die direkte Kommunikation. Politiker beweisen immer mehr, dass sie über Twitter beispielsweise sich auch direkt ans Volk wenden, als Volksvertreter an die Wählerinnen und Wähler wenden und den Journalismus damit als Gatekeeper umgehen. Und ich glaube, diese Form der Direktkommunikation, die wird weiter zunehmen. Die Schwierigkeit wird dann, zu sehen, wie wir Journalisten eben damit umgehen.
Frenzel: 65 Jahre Bundespressekonferenz, die gilt es heute zu feiern. Stephan Weichert war das, Professor für Journalistik an der Macromedia-Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Weichert: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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