Syrischer Dichter Adonis

Gegen das Regime und gegen die Opposition

Der syrische Poet und Essayist Adonis alias Ali Ahmed Said Esber, aufgenommen 2013
Der syrische Poet und Essayist Adonis alias Ali Ahmed Said Esber © imago/GlobalImagens
Der Dichter Adonis im Gespräch mit Maike Albath · 18.11.2015
Der syrische Dichter Adonis eröffnet heute das Münchner Literaturfest. Zuletzt wurde er dafür kritisiert, dass er sich nicht ausreichend von Syriens Machthaber Assad distanziere. Adonis hält dagegen.
Adonis, geboren 1930 in Syrien als Ali Ahmad Said Esber, ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Dichter der arabischen Welt und gilt als Mittler zwischen den Kulturen. Er lebt inzwischen in Paris und eröffnet heute Abend das Münchner Literaturfest.
Zuletzt gab es allerdings Streit um Adonis. Ihm wurde der Osnabrücker Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis zugesprochen: für seine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Religionen und seinen Einsatz für eine demokratische Willensbildung. Die Preisverleihung, die verschoben wurde, soll nun am 20. November 2015 stattfinden. Der Schriftsteller und Islamwissenschaftler Navid Kermani war als Laudator vorgesehen, lehnte aber ab. Daraufhin entwickelte sich eine Debatte um die politische Haltung von Adonis gegenüber dem Assad-Regime.
Im Deutschlandradio Kultur äußerte sich Adonis zu der vorgebrachten Kritik von Navid Kermani, Stefan Weidner und Najem Wali an seiner Person. Er müsse zunächst feststellen, dass diese Kritiker seine Publikationen nicht gelesen hätten, kritisierte Adonis:
"Außerdem ist zu bedauern, dass diese Personen leider Positionen bezogen haben, die auf Unwissen begründet sind. Sie haben Entscheidungen getroffen, die sie nicht begründen können. Ich habe zwei Bücher geschrieben, in arabischer und in französischer Sprache. Diese sollen bitte diese zwei Bücher lesen."
Warnung vor religiöser Militarisierung
Adonis verwies außerdem auf drei Zeitungsartikel, in denen seine Positionen deutlich werden würden. Er habe schon früher von der "religiösen Militarisierung" gesprochen und davor gewarnt, dass ein solches Phänomen sowohl im Iran als auch in der ganzen arabischen Welt entstehen könnte:
"Deswegen schäme ich mich für die Personen, die Sie soeben erwähnt haben. Dass sie eine Position beziehen, ohne zum Beispiel diese drei Artikel gelesen zu haben. Deswegen sage ich, dass ihre Position, ihr Standpunkt auf der Basis des Unwissens und der Lüge beruht."
Die politische Lage in Syrien
Der Schriftsteller ging auch auf die politische Lage in seinem Heimatland Syrien ein. Sie beinhalte mehr als nur das Regime und die Opposition:
"Die Situation in Syrien ist eine Auseinandersetzung internationaler Mächte. Und ich bin gegen das Regime und gegen die Opposition. Das sind einfach zwei Gesichter einer Münze. Keiner von denen hat irgendetwas Fortschrittliches vorzuweisen. Keine der beiden Seiten spricht von einer laizistischen, zivilisierten Gesellschaft. Und keiner von ihnen setzt sich dafür ein, dass die Frau emanzipiert wird."
Rolle des Westens
Wenn der Westen in der arabischen Welt Demokratien durchsetzen und unterstützen wolle, müsse er auch dafür sorgen, dass das Volk entscheiden könne, wer Präsident werde und welche Form ein Regime haben könne, forderte Adonis:

"Denn einen Präsidenten zum Beispiel mit Gewalt zu vertreiben und einen Präsidenten mit Gewalt an die Macht zu hofieren – das ist genau das, was manche Regime in der arabischen Welt tun. Das ist kein Respekt. Das ist keine Demokratie. Und das ist kein Respekt vor Menschen und ihre Rechte. Es ist leider eine andere Form von Willkürlichkeit."
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