500 Jahre "Versammlung des ehrbaren Kaufmanns"

"Ich glaube, dass Hamburg im Mäzenatentum herausragend ist"

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Der Vorsitzende der "Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns", Christian Dyckerhoff, spricht am 31.12.2015 in Hamburg auf der Versammlung in der Handelskammer Hamburg © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Von Axel Schröder · 12.10.2017
Hamburger Pfeffersäcke wollen sie nicht sein, die Mitglieder der "Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns", die nun ihren 500. Gründungstag feiert. Sondern sie wollen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Doch wird die Realität dem Anspruch gerecht?
Seit Anfang des Jahres leitet Gunter Mengers die altehrwürdige "Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns". Den Grundgedanken der vor 500 Jahren gegründeten Interessenvertretung der Hamburger Wirtschaft fasst der Versicherungsmakler so zusammen:
"Wir haben ganz früher mal angefangen unter dem Grundgedanken, dass man gewissermaßen eine Schutzfunktion hat. Und das Ganze verbunden mit dem Gedanken: 'Wir wollen uns aufeinander verlassen können!'"

Gesellschaftliche Verantwortung übernehmen

Mit dem so negativ besetzten Begriff des "Hamburger Pfeffersacks" als Synonym für hart kalkulierende, nur an Rendite interessierte Unternehmer kann Gunter Mengers gar nichts anfangen: Natürlich sollen Kaufleute Gewinne machen, aber eben auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen:
"Wir sehen immer 'mal wieder ein paar große Namen auch bei uns, die sehr bedeutende Beträge zur Verfügung stellen für die Uni, für die Kultur, für Kinder. – Das ist also super! Ich glaube, dass gerade Hamburg im Mäzenatentum eine herausragende Stellung hat!"
Herausragend war zum Beispiel die 15-Milionen-Euro-Spende von Alexander Otto, dem Sohn des Versandhaus-Pioniers Werner Otto. Für das Geld wurde die Hamburger Kunsthalle umgebaut und modernisiert.

"Könnte ein 'ehrbarer Kaufmann' unter heutigen Bedingungen überhaupt erfolgreich Handel treiben? Und was würde man heute als "ehrbares" Verhalten eines Kaufmanns definieren? Das haben wir den Berliner Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann gefragt. Seine Antwort können Sie hier nachhören: Audio Player

Es stimmt: es gibt dieses Mäzenatentum und sozial engagierte Unternehmer in der Hansestadt. Aber es gibt auch die Tricks und Kaltblütigkeiten, an denen die Hamburger Kaufmannschaft beteiligt waren, zu denen sie mindestens gern geschwiegen hat: da ist die Urkunde, mit der die Hamburger die privilegierte Stellung ihres Hafens bei Kaiser Friedrich Barbarossa durchsetzten. Nach Überzeugung des Stadtarchivars Joachim Frank eine gut gemachte Fälschung:
"Das sind alles kleine Tricks. Aber ich denke, auch das ist in dem Kaufmännischen, auch wenn man von hanseatischen Kaufleuten spricht – ist das zulässig. Und wir müssen das auch in der Zeit sehen: im Mittelalter ist das gang und gäbe, dass man sich so hier und da ein bisschen ausgetrickst hat."

Tricks und Druck, auch das gibt es

400 Jahre später wurde zwar nicht getrickst, aber viel Druck ausgeübt: das Fischerdorf Altenwerder südlich der Elbe lag genau dort, wo ein neuer Containerterminal entstehen sollte. Klaus Lippmann hat erlebt, wie ein Haus nach dem anderen abgerissen wurde, wie viele Menschen aus Altenwerder an der Zwangsräumung zum Wohle der Wirtschaft zerbrachen:
"Es war natürlich vor allem für alte Leute ein Problem. Die also hier in Altenwerder ihr Leben lang gelebt haben. Und so gab es auch ein paar Leute, die hier ins Wasser gegangen sind, die das also nicht ertragen haben. Die sich das Leben genommen haben. Ich meine, das kann man natürlich nicht beweisen, dass es deshalb war. Aber das ist eigentlich bekannt bei den Altenwerdern."
Vor zehn Jahren wurden am Dorfrand vom kleinen Neuenfelde hektarweise Ostbau-Plantagen gerodet. Die Landebahnverlängerung beim Flugzeugbauer Airbus, dem größten Arbeitgeber der Region sollte verlängert werden. Auch hier setzte die Politik die Interessen der Wirtschaft gegen die Dorfgemeinschaft durch. Widerworte aus der Handelskammer oder aus der "Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns" gab es nicht.

Für die Linke sind die ehrbaren Kaufleute gar nicht so ehrbar

Und Statements zum wenig ehrbaren Finanzdesasters der HSH Nordbank gibt es auch heute nicht, kritisiert Norbert Hackbusch, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linken in der Bürgerschaft:
"Wo war denn der 'ehrbare Kaufmann' in den letzten Jahren, als es die kritischen Punkte gab? Als die Reeder die HSH geplündert haben? Wo war er, als die Banker 'Cum-Ex'-Geschäfte gemacht haben. Da wäre ja gerade der Begriff 'ehrbarer Kaufmann' besonders angebracht gewesen. Und da habe ich diesen Verein nicht gehört!"
Gunter Mengers weist die Kritik zurück: die für zweifelhafte Geschäfte verantwortlichen Banker seien nun mal keine Mitglieder des exklusiven Kaufmanns-Clubs.
"Die Banausen, die dann gelegentlich mal über die Stränge schlagen und diejenigen, die eben dann den anderen über den Tisch ziehen, um einen vielleicht noch höheren Vorteil zu haben oder meinen, mittelfristig sich Vorteile zu verschaffen, das sind nicht die, die bei uns Mitglied sind. Hoffen wir zumindest."
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