50 Jahre Mauerbau - Wie sollen wir erinnern?

13.08.2011
Mehr als 28 Jahre trennte die Mauer nicht nur eine Stadt, sondern auch Freunde und Familien. Christoph Links arbeitete in der DDR-Zeit bei der "Berliner Zeitung" als Journalist. Peter Pragal zog 1974 von Westdeutschland nach Ostberlin, um von dort für "Süddeutsche" oder "Stern" zu berichten.
Es begann mit einer Lüge: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", empörte sich Walter Ulbricht noch am 15. Juni 1961. Der 13. August 1961 bewies das Gegenteil: Die Staatsführung der DDR riegelte die Stadt ab, Westberlin wurde eingemauert, die rasant wachsende Fluchtwelle der Ostdeutschen jäh gestoppt.

Mehr als 28 Jahre trennte die Mauer nicht nur eine Stadt, die innerdeutsche Grenze teilte auch Regionen, Familien. Hinter all dem stehen nicht nur die "große" Weltpolitik, sondern auch viele individuelle Geschichten und Erinnerungen.

Der Verleger Christoph Links war zum Zeitpunkt des Mauerbaus sechs Jahre alt. Er erinnert sich:

"Am 13. August wollte ich mit meiner Großmutter von Hohen Neuendorf in die Stadt fahren. Wir wollten mit der S-Bahn fahren, die musste durch Westberlin, aber als wir auf dem Bahnsteig ankamen, standen da schon viele Menschen, und ich weiß noch, wie einer sagte, 'Die Russen haben heute Nacht die Schienen rausgerissen.' Heute wissen wir, dass es nicht die Russen waren…"

Christoph Links wuchs im Berliner Prenzlauer Berg auf, die Mauer immer vor Augen.

"Wir haben erlebt, wie Freunde aus Westberlin und der übrigen Welt auf Besuch kamen, und man selber wusste, du kommst nie rüber."

Als Journalist bei der "Berliner Zeitung" durfte er später zwar in den Westen reisen – doch das Gefühl des eingesperrt Seins blieb präsent:

"Ich wollte gern das Land von innen verändern, in den Strukturen. Ich gehörte zu denen – ich war ja auch in der SED – die versucht haben, mit Freunden aus der Opposition etwas zu verändern, das habe ich auch im Aufbau-Verlag versucht, indem ich auch kritische Literatur aufnehmen wollte. Der Glaube an den Marsch durch die Instanzen war letztlich eine Illusion."

1989 war sein Ch. Links Verlag eine der ersten privaten Neugründungen des Ostens, die Geschichte der DDR bildet bis heute einen der Verlagsschwerpunkte. Im März 2011 wurde Christoph Links für sein "ausdauerndes Engagement um politische und historische Aufklärung" das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Er bedauert, dass heute nur noch wenige Überreste an die Mauer erinnern:

"Natürlich musste man damals die Verkehrswege aufmachen, aber dieses rasante Verschwinden der Mauer habe ich schon damals für einen Fehler gehalten. Und hinterher einen Strich auf die Straße zu malen, reicht eben nicht aus."

Man brauche authentische Zeugnisse,

"um der nächsten Generation die Absurdität der Geschichte vor Augen zu führen."

"Pragal war bemüht, wie ein DDR-Bürger zu leben und zu denken", notierte die Stasi über den Journalisten Peter Pragal. Er war 1974 der erste West-Korrespondent, der nicht nur in Ostberlin arbeitete, sondern dort auch mit Frau und Kindern lebte, in einem Plattenbau in der Ho-Chi-Minh-Straße im Bezirk Lichtenberg.

Insgesamt zwölf Jahre berichtete er zunächst für die "Süddeutsche Zeitung", später für die Zeitschrift "Stern" aus dem DDR-Alltag.

"Die meisten Bundesbürger interessierte damals nicht, was östlich von Mauer und Metallgitterzäunen bei den Brüdern und Schwestern passierte. Urlaubsländer wie Griechenland, Italien und Spanien waren ihnen vertraut. Über das Leben der Menschen zwischen oder und Werra wusste der gewöhnliche Westdeutsche jedoch wenig. Es sei denn, er war von dort vor dem Mauerbau geflohen oder hatte Verwandte."

In seinem Buch "Der geduldetet Klassenfeind" (Osburg-Verlag 2008) erzählt er von seinen alltäglichen Erlebnissen, von den Freundschaften, der Überwachung, dem Wandern zwischen den Stadtteilen und damit zwischen zwei Systemen. Im September kommt im Piper-Verlag sein neues Buch heraus "Ihr habt es aber schön hier!"

50 Jahre Mauerbau – Wie sollen wir erinnern?
Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Christoph Links und Peter Pragal. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 – 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen im Internet:
Über Christoph Links
Über den Ch. Links Verlag, Berlin

Literaturhinweise:
Peter Pragal: Der geduldete Klassenfeind, Osburg-Verlag 2008
Peter Pragal: Ihr habt es aber schön hier!, Piper-Verlag September 2011