Lakonisch Elegant

#47 Amazonas-Katastrophe: Vom Waldbrand zum Weltbrand?

38:32 Minuten
Der Amazonas brennt und Rauschschwaden hüllen den restlichen Wald ein.
Durch Waldbrände verursachte Rauchschwaden ziehen durch die Gemeinde Candeias do Jamari im Nordwesten Brasiliens. © FP/ GREENPEACE/Victor Moriyama
von Johannes Nichelmann und Katrin Rönicke · 29.08.2019
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Entsetzen, Fassungslosigkeit und internationale Sorge: Alles blickt auf den Amazonas-Regenwald, die "grüne Lunge" in Lateinamerika. Welche Rolle spielen Bilder, soziale Medien und der brasilianische Präsident bei dieser neuen Aufmerksamkeit?
Dass im Amazonas-Regenwald Brandrodung stattfindet, das ist nicht neu. Neu aber ist die internationale Aufmerksamkeit, von Emmanuel Macron bis Leonardo DiCaprio. Lakonisch Elegant. Der Kulturpodcast will wissen: Warum interessieren sich jetzt weltweit Menschen für den Amazonas? Was sind die Mechanismen, die uns aufhorchen und innehalten lassen? Liegt es an der größeren Sensibilisierung für Klima- und Umweltthemen durch die "Fridays For Future"-Bewegung? Oder bewegen uns vor allem die schockierenden Bilder in den sozialen Medien?
Die Ethnologin Christina Blohm kennt den Regenwald seit langem, war immer wieder dort und forscht zu den indigenen Völkern in Amazonien - etwa 2,7 Millionen Menschen, die von der Entwaldung schon seit vielen Generationen besonders betroffen sind. Sie sagt, bislang habe es weltweit an Wissen über die Lage der Menschen vor Ort gefehlt. Die derzeitigen Brände seien eine große Gefahr für diese, denn ihnen drohe, ihren kompletten Lebensraum zu verlieren:
"Die Indigenen, die abhängig sind von ihrer Mitwelt, von dem Lebensraum Regenwald, die werden sich jetzt ohne Ressourcen vorfinden. Sie werden in einer Dürre leben müssen, die unerträglich ist."

Eine menschengemachte Katastrophe

Eva Horn ist Kultur- und Literaturwissenschaftlerin und Professorin an der Universität Wien. Sie hat sich in ihrem letzten Buch, "Zukunft als Katastrophe", intensiv mit den Mechanismen hinter Katastrophen- und Untergangsszenarien befasst:
"Unser traditioneller Katastrophenbegriff ist von großen, knalligen Ereignissen geprägt. Revolutionen, Kriege, Naturkatastrophen. Das sind normalerweise Ereignisse, wo man weiß, wann die anfangen und wann die wieder abklingen. Was heute stattfindet, und dafür ist der Klimawandel das beste aber auch unheimlichste Beispiel, sind langsame Grenzverschiebungen."
Im Gespräch mit Lakonisch Elegant. Der Kulturpodcast erklärt Eva Horn, wie die Tatsache, dass uns bewusst werde, als Menschen diese Katastrophe selbst verursacht zu haben, der ganzen Sache einen neuen Dreh gibt.

Hyperobjekt Klimawandel

Übermedien-Kolumnistin und Kommunikationswissenschaftlerin Samira El Ouassil beschäftigt sich vor allem mit den medialen Logiken und Mechanismen hinter der aktuellen Brandberichterstattung. Bislang, sagt sie, sei der Klimawandel ein sogenanntes Hyperobjekt, etwas, das zu komplex und zu groß sei, als dass es normalen Menschen gelingen könnte, das Phänomen zu erfassen oder gar die eigene Verantwortung zu erkennen.
"Der Umstand, dass der Klimawandel ein Hyperobjekt ist, macht es umso notwendiger, dass wir Bilder und Ereignisse haben, die emblematisch für die Konsequenzen unseres Handels stehen und uns zeigen, was unsere Tätigkeiten für Auswirkungen auf die Erde haben können."
Was wir bräuchten sind Bilder, die uns emotional und visuell imponieren und uns das Gefühl geben, etwas tun oder etwas ändern zu müssen. Zum Beispiel die Bilder, die derzeit von den Waldbränden zu uns gelangen, seien es die Bilder der Menschen oder der Tiere, die davon betroffen sind. Sie seien ein Schlüssel zu der Frage, warum der Regenwald auf einmal so viel näher scheint.
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