40 Jahre Punk (3): Punk und Politik

Zwischen Links und Rechts

London: Joe Strummer war in den 1970er-Jahren ein Leitidol für die Jugend
London: Joe Strummer war in den 1970er-Jahren ein Leitidol für die Jugend © Simon Carstens
Von Robert Rotifer · 17.08.2016
Die Geschichte des Punk ist eng mit den politischen Auseinandersetzungen zwischen Linken und Rechten verknüpft. Mit Feminismus, Demos und Randale. Während einige Bands ihre Fangemeinde auch in der ultrarechten Szene fanden, stellten sich andere wie "The Clash" strikt gegen jede Form von Rassismus.
Musik: The Equals - "Police on my Back”
Police On My Back, Die Polizei im Rücken, davon sangen die Equals, eine der ersten britischen Popbands mit gemischten Hautfarben, schon 1967. Jahre später sollten die Punk-Größen The Clash auf ihrem Album "Sandinista!" diesen Song covern, aber auch im heißen Londoner Sommer des Jahres 1976 klang er wieder einmal aktuell.
Wochenschau-Sprecher: "The hot sticky months ended with violent clashes at the Notting Hill Carnival...”
Ein Fernsehbericht von den Notting Hill Riots jenes Jahres. Ein Polizeieinsatz gegen einen Taschendieb beim örtlichen Carnival hatte eine Straßenschlacht zwischen Karnevalsbesuchern und knüppelnden Bobbies ausgelöst.
Wochenschau-Sprecher: "Throughout two days of Carnival the police had been in the area in strength.”
Die Bandmitglieder von The Clash sahen sich selbst in diese Unruhen verwickelt, und sie gerieten dabei zwischen die weißen Polizei und die schwarze Bevölkerung. Zurück in seiner WG in einem nahegelegenen besetzten Haus setzte sich Clash-Sänger Joe Strummer mit der Gitarre hin und schrieb den Song White Riot.
White Riot, der weiße Aufruhr, ich will meine eigene Randale. Joe Strummer, der sich hier in seine Rolle als revolutionäre James Dean-Figur des Punk einlebt, verstand The Clash zu jener Zeit offenbar noch als eine klar weiße Band. Dabei waren gerade sie im Gegensatz zu anderen Punk-Bands in einem multikulturellen London verwurzelt. Bassist Paul Simonon war in den von Einwanderung aus der Karibik geprägten Vierteln Brixton und Notting Hill aufgewachsen. Als Teenager in den späten Sixties hatte er sich in dieser bunt gemischten Community als einer der ursprünglichen Skinheads herumgetrieben.
Paul Simonon:
"Ich wuchs mit diesem Skinhead-Ding auf, und ganz zu Anfang, gab es viele Geschichten, dass Skinheads sich als Leibwächter um jamaikanische Musiker kümmerten, die hierher auf Tour kamen. Aber dann infiltrierte die National Front einen Teil der Szene, und plötzlich galt sie als rechtes Element."
Musik: Sham 69 "The Cockney Kids Are Innocent”
"The Cockney Kids Are Innocent", die Cockney-Kinder sind unschuldig, sang eine Band wie Sham 69, und viele von der Ultrarechten radikalisierte junge Skinheads fühlten sich angesprochen. Es waren solche bedenkliche Tendenzen, die The Clash dazu brachten, bei politischen Veranstaltungen wie "Rock Against Racism" Farbe zu bekennen. Malcolm McLaren und die Sex Pistols pflegten dagegen die Verstörung durch politische Ambivalenz und gefährliche Spiele mit dem Hakenkreuz. Punk-Historiker Jon Savage bemüht sich um eine Erklärung.
"Sie versuchten damals mit allen Mitteln zu schockieren. Nicht nur mit Fetischkleidung, sondern auch mit radikaler Politik von rechts und links. Marx-Porträts, Situationisten-Slogans und Nazi-Symbole."
Am linken Ende des Punk-Spektrums nahmen Bands wie Crass die anarchistischen Parolen, mit denen Johnny Rotten seine Texte würzte, besonders bierernst und versuchten Punk zu einer revolutionären Widerstandsbewegung umzufunktionieren. Eine Auslegung des Phänomens, die sich am europäischen Kontinent bis heute halten sollte. Punk eignete sich aber auch hervorragend als Plattform für Feminismus.
Musik: X-Ray-Spex "Oh Bondage Up Yours”: "Some people think little girls should be seen and not heard. But I think, 'Oh Bondage, up yours!' 1, 2, 3, 4!”
"Oh! Bondage Up Yours", die Debüt-Single von X-Ray-Spex war ein Schlachtruf, keine Frau hatte je auf Platte so gesungen wie Frontfrau Poly Styrene.
Aus dem Zirkel rund um The Clash und die Sex Pistols wiederum formierte sich die rein weibliche Punk-Band The Slits. Ihre Gitarristin Viv Albertine erklärt das Prinzip der Band.
"Wir beschlossen, alle Rhythmen auseinanderzunehmen, schneller und langsamer zu werden und nicht die weiße männliche Musik zu kopieren. Wir sangen über weibliche Dinge in unseren normalen Stimmen statt dieser sehr hohen sanften Mädchenstimme, in der auch jetzt noch viele Frauen singen. Ich sagte: Singen wir so, als würden wir zur anderen Straßenseite rüber rufen."
Typical Girls, die Slits, 1978. Seit dem primitiven Urknall der Pistols waren bloß zwei Jahre vergangen. So wie die Politik des Punk begann auch seine Musik sich radikal auszudifferenzieren. Punk hatte alles in Frage gestellt, schließlich auch sich selbst.

In der Reihe "40 Jahre Punk" feiern wir vier Jahrzehnte einer künstlerischen Explosion in Musik, Mode und bildender Kunst.

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