25 Jahre Operation "Desert Storm"

"Die Situation der Zivilbevölkerung war schlimm"

Ein amerikanischer Schützenpanzer vor brennenden Ölfeldern nahe der kuwaitisch-irakischen Grenze am 2.3.1991.
Ein amerikanischer Schützenpanzer vor brennenden Ölfeldern nahe der kuwaitisch-irakischen Grenze am 2.3.1991. © picture alliance/dpa/epa afp
Christoph Maria Fröhder im Gespräch mit Ute Welty · 16.01.2016
Der sogenannte "chirurgische Krieg" gegen den Irak von 1991 war chaotisch, so erinnert sich der Kriegsreporter Christoph Maria Fröhder an die Operation "Desert Storm". Die Bombardierung ziviler Gebiete durch die Amerikaner habe schlimme Folgen gehabt.
In der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1991 begannen Kampfhandlungen zur Befreiung Kuwaits, das im August 1990 vom Irak annektiert worden war. Die Operation "Desert Strom" wurde von den USA angeführt, sie war durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrates legitimiert.
Der Krisenreporter und ehemalige ARD-Korrespondent Christoph Maria Fröhder gehörte zu den wenigen Journalisten, die damals aus Bagdad berichteten. Ihm sei es wichtig gewesen, als Sprachrohr der Bevölkerung vor Ort zu arbeiten, sagt der Journalist im Deutschlandradio Kultur:
"Denn die Zivilbevölkerung hat gerade in solchen Diktaturen kein Sprachrohr. Das war auch der Hauptgrund, warum ich da hingegangen bin. Ich habe mir gesagt: Man muss die Probleme dieser Bevölkerung internationalisieren durch Berichterstattung."
Bombardierung ziviler Gebiete
Die Situation für die Zivilbevölkerung sei schlimm gewesen, erinnert sich Fröhder:
"Weil die Amerikaner ganz klar zivile Gebiete bombardiert haben. Es war unberechenbar. Dieser sogenannten 'chirurgische Krieg' gehört mit zu dem chaotischsten, was ich je erlebt habe. Man musste ständig auf der Hut sein und viel Glück haben."
Die Folgen des Kriegs von 2003
Fröhder geht auch auf die Auswirkungen des Krieges von 1991 ein. Noch bedeutsamer seien allerdings die Spätfolgen des Krieges gegen den Irak von 2003:

"Das ist ja wirklich ein vom Zaum gebrochener Krieg. Weil ein trockener Alkoholiker wie George W. Bush die fiktive Idee hatte: Er muss diese Diktatur entsorgen. Und es war völlig klar: George W. Bush hatte erkennbar keinerlei Pläne gemacht für die Zeit danach. Sie haben wahllos Leute abgesetzt, alle Provinz-Gouverneure, aber auch die Baath-Partei, die Armee, die Polizei, selbst die zivile Administration. Und so ein Land kann man dann nicht mehr im Griff behalten."


Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Es war eine besondere Nacht, diese Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1991, eine Nacht, in der sich der damalige amerikanische Präsident George Bush zu Wort meldete:
"Vor zwei Stunden haben alliierte Luftstreitkräfte begonnen, militärische Ziele in Kuwait und Irak anzugreifen. Diese Angriffe werden fortgesetzt, während ich spreche."
Die Operation "Desert Storm" hatte also begonnen. Mit massiven Luftschlägen ging eine Koalition von 34 Ländern unter eben amerikanischer Führung gegen den Irak vor, gegen die Besetzung Kuwaits und gegen Machthaber Saddam Hussein. Und die Bilder und Geräusche dieser Nacht, die gingen um die Welt, wie hier im Bericht von CNN.
Zu den wenigen deutschen Journalisten, die während "Desert Storm" aus Bagdad berichteten, gehörte damals Christoph Maria Fröhder, der dann eben nicht nur den Golfkrieg 1991 erlebte, sondern auch den Irak-Krieg 2003. Über seine Erfahrungen hat Christoph Maria Fröhder dann auch ein Buch geschrieben mit dem vielsagenden Titel "Ein Bild vom Krieg". Und heute blickt er mit uns eben 25 Jahre zurück, auf den Beginn von "Desert Storm". Guten Morgen, Herr Fröhder!
"Wir lebten von CNN-Material"
Christoph Maria Fröhder: Ich grüße Sie, Frau Welty!
Welty: Diese Nacht vom 16. auf den 17. Januar, die zählt zu diesen "Wo warst du damals?"-Nächten. Und deswegen auch an Sie die Frage: Wo waren Sie tatsächlich, als "Desert Storm" begann?
Fröhder: Ich saß in einer Redaktion und habe die letzten Texte redigiert. Weil die ARD hat dann am nächsten Abend eine große Sondersendung gemacht, und in dieser Sondersendung traten verschiedene Berühmtheiten auf. Und am nächsten Tag waren alle glücklich, und ich habe als einziger, wo ich mitverantwortlich war, gesagt: Ich würde mich im Grunde für die Sendung schämen.
Weil ich es für ein Ding der Unmöglichkeit halte, dass das größte europäische Netzwerk, nämlich die ARD, nicht in der Lage ist, in einer solchen Situation Leute vor Ort zu haben und vor allen Dingen eigene Berichte zu erstellen. Wir lebten von amerikanischem Militärmaterial, wir lebten von CNN-Material. Wir konnten nichts überprüfen, weil wir keinen Mann vor Ort hatten.
Ich wurde dann gefragt, würden Sie reisen? Ich habe gesagt, ja, würde ich natürlich machen, ich hatte ja Erfahrung genug, und bin dann am nächsten Tag auch losgereist Richtung Bagdad. Das Problem war ein Visum. Ich bin kurzerhand über den Zaun der Botschaft in Amman gestiegen und stand plötzlich vor dem Botschafter und begrüßte ihn, als sei er mein bester Freund.
Welty: Das hilft ja meistens.
Fröhder: Das hilft sehr gut. Irgendwann hatte ich mein Visum. Ich bekam zwar kein Visum für das Team, ich musste mir vor Ort in Bagdad jemand suchen, aber das hat alles geklappt.
Das Leid der Zivilbevölkerung
Welty: Wie haben Sie dann Bagdad erlebt? War das dann so, wie man sich die Hölle vorstellt, so wie es eben der Reporter von CNN beschrieben hat?
Fröhder: Also CNN hat das alles sehr dramatisiert. Es war schlimm teilweise, insbesondere für die Zivilbevölkerung, weil die Amerikaner ganz klar zivile Gebiete bombardiert haben. Es war unberechenbar. Dieser sogenannte 'chirurgische Krieg' gehört mit zu dem Chaotischsten, was ich erlebt habe in meinem Leben, und ich habe einige Konflikte erlebt. Und man wusste nie, ob man an einer Stelle, die bekannt ist, die gekennzeichnet war durch ein Rotes Kreuz, sicher ist oder nicht.
Welty: Das heißt?
Fröhder: Man musste ständig auf der Hut sein und viel Glück haben.
Welty: Und wie sind Sie persönlich dann damit umgegangen?
Fröhder: Ach wissen Sie, meine Psyche und mein Privatleben, das erörtere ich mit meiner Frau und nicht mit der Öffentlichkeit. Mir war immer klar, dass solche Dinge verkraftet werden müssen, auf der einen Seite. Aber wichtiger war mir, als Sprachrohr der Zivilbevölkerung vor Ort zu arbeiten.
Ich habe mich zum Beispiel mit der Redaktion von "ARD aktuell" sehr massiv angelegt, weil ich fünf Berichte gemacht habe über diesen Zivilschutzbunker, in den die Amerikaner ja ihre Bomben hineingeworfen haben und wo über 500 Menschen umgekommen sind. Der letzte Bericht, den wollte die Redaktion damals nicht senden. Der bestand aus einem älteren Mann, dem die Tränen flossen und der einen Schuhkarton in der Hand hatte. Und darin waren die Überbleibsel, die man zuordnen konnte, von seiner zwölfköpfigen Familie. Hajo Friedrichs hat damals dafür gesorgt, dass dieser Bericht gesendet wurde.
Und man tritt manchmal auf wie jemand, der, sagen wir mal, sich zu stark jetzt mit der Bevölkerung verbrüdert. Ich habe das immer für eine Frage des Anstands gehalten, denn die Zivilbevölkerung hat gerade unter solchen Diktaturen kein Sprachrohr. Und das war auch der Hauptgrund, warum ich da hingegangen bin, dass ich mir gesagt habe: Man muss die Probleme dieser Bevölkerung internationalisieren durch Berichterstattung.
Kritik an "Verrohung der Berichterstattung"
Welty: Herr Fröhder, in einem Song von Gil Scott-Heron heißt es, dass die Revolution nicht im Fernsehen übertragen wird – "The revolution will not be televised". Dieser Krieg gegen Irak, der fand aber sehr wohl im Fernsehen statt, und zwar in einem bis dahin nicht bekannten Ausmaß. Welche medialen Spätfolgen machen Sie da aus?
Fröhder: Ich will die medialen Spätfolgen, sagen wir mal, nicht an dem Irakkrieg oder dem zweiten Golfkrieg '91 festmachen. Ich sehe insgesamt, dass halt die Medien breiter geworden sind, dass auch ohne Redaktion mittlerweile berichtet wird, dadurch, dass man es einfach selbst ins Internet setzen kann. Und dadurch hat es eine wirkliche Verrohung in der Berichterstattung gegeben.
All die Dinge, die für uns selbstverständlich waren, die Achtung der Menschenrechte, dass wir nicht einfach einen Schwerverletzten gedreht haben, sondern, wenn Verwandte da waren, die höflich vorher gefragt haben und den Betroffenen so aufgenommen haben, dass er nicht identifiziert werden konnte auf dem Schirm. Das sind alles Dinge, die sind leider vorbei, und damit muss man sich abfinden. Man wird es auch nicht ändern können.
Welty: Die Spätfolgen für Irak sind bis heute unverkennbar, immer wieder Anschläge, immer wieder Tote, und dann der Terror durch den selbsternannten Islamischen Staat. Was ist da vor 25 Jahren passiert oder eben nicht passiert, dass die Situation eben so dramatisch geworden ist, wie sie geworden ist?
Die Folgen der Kriege von 1991 und 2003
Fröhder: Ich würde das nicht so sehr an dem 91er-Krieg festmachen. Das war vor allem der Krieg 2003.
Welty: Das hängt ja unmittelbar auch miteinander zusammen.
Fröhder: Das hängt letztlich zusammen, klar. Der '91er ist aber sozusagen einfach der Übergriff des Irak auf Kuwait, also ein territorialer Übergriff, wie er häufig ja zu Kriegen führt. Während 2003 ja wirklich ein vom Zaun gebrochener Krieg ist, weil ein trockener Alkoholiker wie George W. Bush die fiktive Idee hatte, er muss diese Diktatur entsorgen.
Und es war völlig klar, George W. Bush hatte erkennbar keinerlei Pläne gemacht für die Zeit danach. Da waren zwar alle Pläne gemacht worden von Leuten wie Rumsfeld und Wolfowitz, für den Konflikt und für den Vormarsch der Amerikaner. Aber für die Zeit danach hatten sie kein Konzept. Sie haben wahllos Leute abgesetzt, alle Provinzgouverneure, aber auch die Baath-Partei, die Armee, die Polizei, selbst die zivile Administration. Und so ein Land kann man dann nicht mehr im Griff behalten.
Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten
Welty: Ist das ein Fehler, der auch heute noch nicht korrigiert wurde.
Fröhder: Nein. Das ist bis heute nicht korrigiert. Das Land ist nach wie vor in Unruhe. Und vor allen Dingen ist natürlich der Konflikt, den es immer gab zwischen den Schiiten, die in der Mehrheit sind, und den Sunniten aufgebrochen. Und der sogenannte, selbsternannte Islamische Staat ist ja weitgehend von irakischen Geheimdienstlern gegründet und konzipiert worden, die Sunniten waren.
Welty: 25 Jahre nach dem Beginn von "Desert Storm" der Journalist Christoph Maria Fröhder, der damals für die ARD aus Bagdad berichtete. Herr Fröhder, herzlichen Dank für dieses "Studio 9"-Interview!
Fröhder: Ich grüße Sie zurück!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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