25 Jahre "Jurassic Park"

Die Faszination stirbt nicht aus

Die Schauspieler Laura Dern, Joseph Mazzelli und Sam Neil helfen einem kranken Dinosaurier. (Aufnahme von 1993). Im Film "Jurassic Park" experimentieren Wissenschaftler mit dem Erbgut von Dinosauriern, das sie in konservierten, blutsaugenden Insekten aus der Vorzeit entdecken. Es gelingt ihnen, selbst Dinosaurier heranzuzüchten, die später ihre Schöpfer terrorisieren.
Szene aus Steven Spielbergs "Jurassic Park": Über Evolution und Biodiversitätsforschung macht man sich heute ganz anders Gedanken. © UIP
Johannes Vogel im Gespräch mit Axel Rahmlow · 01.09.2018
Menschen lieben Dinos, besonders seit Steven Spielbergs "Jurassic Park". Dabei hat der Film einen entscheidenden Fehler, wie Johannes Vogel erklärt. In dessen Berliner Naturkundemuseum ist das einzige echte T-Rex-Skelett Europas zu sehen.
Axel Rahmlow: Der Film "Jurassic Park" von Steven Spielberg war eine echte Zäsur in der Filmgeschichte, denn auf einmal sahen die Dinosaurier nicht mehr aus wie nachgebaute Puppen, sondern ihr Atem war zu sehen, ihre Pupillen waren zu sehen, ihre Muskeln. Und eben dieser Auftritt des Tyrannosaurus Rex in dieser einen Szene, wo er durch den Regen kommt, auf einmal aus dem Nichts heraus, das hat eine ganze Generation von Kinofans fasziniert und dieser Film ist auch in die Popkultur eingegangen. Dinosaurier waren auf einmal nicht mehr nur für Kinder interessant. Wie groß das Interesse an ihnen immer noch ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass es in diesem Jahr bereits die vierte Fortsetzung von "Jurassic Park" im Kino zu sehen gab. Wer sich für Dinosaurier interessiert, kann allerdings auch das Naturkundemuseum in Berlin besuchen, und Johannes Vogel ist der Generaldirektor des Museums, schönen guten Morgen!
Johannes Vogel: Schönen guten Morgen!
Rahmlow: Herr Vogel, dieser Film, den wir gerade da mal kurz angehört haben, haben Sie da Erinnerungen daran?
Vogel: Ja, ich habe damals in London am Museum für Naturkunde gearbeitet und das war natürlich ein Riesenhype. Die ganze Welt wollte Dinosaurier sehen und die Naturkundemuseen haben das gekonnt, das heißt, viele Menschen sind dann zu uns gekommen.

Einziges echtes Tyrannosaurus-Rex-Skelett in Europa

Rahmlow: Und Sie profitieren heute noch davon als Naturkundemuseum in Berlin?
Vogel: Ja, wir als Naturkundemuseum in Berlin haben natürlich eine ganz besondere Situation. Zwei Dinge: Das eine ist, dass wir den einzigen echten Tyrannosaurus Rex als Skelett in Europa hier in Berlin haben und das ist wirklich ein Hingucker, Modefarbe schwarz. Echt, kein Gummi. Und, noch bevor wir den T-Rex gekriegt haben, hat CNN uns bereits 2015 zum besten Dinosaurier-Museum der Welt gekürt, also ein Besuch lohnt sich allemal.
Rahmlow: Was ist denn Ihr Eindruck, würden Sie sagen, dass dieser Film tatsächlich dazu beigetragen hat, dass sich die Leute heute noch mehr für Dinosaurier interessieren?
Vogel: Ja, in jedem Fall! Ich glaube, nicht nur für Dinosaurier, sondern grundsätzlich für die Faszination, die die Evolution auslöst. Also diese ganzen Sachen, die uns heute auch ständig mit der Presse beschäftigen, die Evolution des Menschen, wenn neue Dinosaurier gefunden werden. Evolution als Prozess kann heute viel einfacher, viel plastischer, viel besser erklärt werden als noch in den 80er-Jahren. Und Steven Spielberg – mit all den Problemen, die dieser Film hat – verdient dafür mit Sicherheit eine Medaille.
Rahmlow: Mit Problemen, da meinen Sie sicherlich die Tatsache, dass höchstwahrscheinlich nicht alles, was in diesem Film gezeigt wird, auch der Realität entspricht oder?

Falsche Prämisse im Film

Vogel: Ja, ich bin nun kein Paläontologe oder Zoologe und kann Ihnen nicht genau sagen, ob T-Rex nun den linken Fuß zuerst nach vorne setzt oder den rechten, das wissen meine Forscherinnen und Forscher hier im Haus. Aber was natürlich ganz klar ist, dass die ursprüngliche Prämisse, dass nämlich in Bernstein Insekten gefangen sind, in denen das Blut der Dinosaurier noch ist und dass aus diesem Blut die DNA der Dinosaurier gewonnen werden kann, diese Prämisse ist vollkommen falsch. Also vieles in diesem Film ist nach bestem Wissen und Gewissen wissenschaftlich nachgebildet. Nur, dass man 65 Millionen Jahre alte DNA findet, das ist vollkommen falsch.
Rahmlow: Das heißt, Sie gehen auch davon aus, dass wir nie lebende Dinosaurier mehr zu Gesicht bekommen werden?
Vogel: Sie, alle Ihre Hörer und ich sehen jeden Tag lebende Dinosaurier. Die heißen nämlich Vögel und die fliegen um uns herum. Aber das ist auch wirklich alles, was es davon noch gibt.
Rahmlow: Na gut, immerhin, dann können wir uns auf die Vögel einigen. Die Verbindung vom Vogel zum Dinosaurier sind konkret welche?
Vogel: Also die Vögel sind aus einer Linie der Dinosaurier heraus entstanden. Das heißt also, Teile der Dinosaurier und Vögel haben gemeinsame Vorfahren. Und hier, im Museum für Naturkunde, Entschuldigung, dass ich dafür jetzt so viel Werbung mache, liegt Archeopteryx, der Urvogel, der eben halt genau diese Zwischenstufe zwischen Vögeln und Dinosauriern demonstriert.
Rahmlow: Bei Ihnen ist ja auch ein Tyrannosaurus Rex-Modell, Tristan heißt es, um genauer zu sein...
Vogel: Kein Modell, ein echtes Skelett.

Tristan in Szene gesetzt

Rahmlow: Richtig, ein echtes Skelett. Und was mich an diesem Skelett so fasziniert ist neben der reinen Dimension des Ganzen auch, wie Sie ihn inszeniert haben. Das ist ja in einem sehr abgedunkelten Raum, das Licht setzt ihn so in Szene, dass er meiner Meinung nach gleich doppelt bedrohlich wirkt. Wie wichtig ist die Inszenierung dieses Dinosauriers, um Ihr Publikum zu befrieden?
Vogel: Natürlich gehört Klappern zum Handwerk und eine schöne Inszenierung hilft. Aber das Spannendste an Tristan ist, dass wir ihn als Forschungsobjekt darstellen. Und das zeigt diese Ausstellung, 350 Quadratmeter, ein Objekt, nämlich dieser Dinosaurier, mit all seinen Knochenbrüchen, mit seinen Entzündungen, mit der Frage, warum ist er schwarz, was hat er gefressen? Das sind heute aktuelle Fragen, und ich denke, das ist das Spannende, was "Jurassic Park" erreicht hat, dass man sich über Evolution und Biodiversitätsforschung heute ganz anders Gedanken macht und kommunizieren kann – und dass das die Menschen so anspricht, dass wir eben halt zum besucherstärksten Museum Berlins werden. Evolution oder Wissenschaft ist wirklich ein heißes Thema und dazu haben diese populärwissenschaftlichen Filme groß beigetragen.
Rahmlow: Und Sie haben sicherlich auch dazu beigetragen und tragen heute noch dazu bei, dass bei Ihnen ja nicht nur die Kinder vor diesen Modellen wie angewurzelt stehenbleiben, sondern eben auch die Erwachsenen. Da stehen Eltern neben ihren Kindern und schauen wie gebannt drauf, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Was macht die Dinosaurier aus Ihrer Sicht so faszinierend, dass es eine so generationsübergreifende Faszination gibt?

Naturkundemuseum für Erwachsene

Vogel: Wir legen großen Wert darauf, ein Naturkundemuseum für Erwachsene zu sein. Das ist relativ schwierig, aber, wenn Sie sich das überlegen, wenn Sie echte Dinosaurier haben, kriegen Sie Familien. Aber wie kriegen Sie Erwachsene, auch ohne Kinder? Und das bekommen wir, indem wir unsere Wissenschaft, unsere Fragen, das, wonach wir streben, wissenschaftliche Erkenntnis, das Ringen um das Verstehen der Welt in den Vordergrund stellen. Und das tun wir bei Tristan genau so wie bei Lavagesteinen oder bei Schnecken. Und es gibt, das muss ich jetzt einfach auch wirklich mal sagen, nicht nur für Biologen nichts Spannenderes als Natur. Und ich denke, diese Faszination kriegen Naturkundemuseen, nicht nur Berlin, heute gut rübergebracht.
Rahmlow: Welchen Dinosaurier würden Sie denn gerne mal in einem Kinofilm sehen, so echt wie möglich es denn geht?
Vogel: Ich finde es wirklich faszinierend, immer wieder T-Rex zu sehen. Und dann eben halt, auch bei uns, das ganze Ding in echt, also nur als Skelett natürlich, zu sehen und einfach auch zu sehen, wie faszinierend echt die das schon 1993 hingekriegt haben, das ist wirklich hervorragend. Und das zeigt eben auch, welchen Beitrag Wissenschaft für verschiedene Teile der Gesellschaft bringt – halt nicht nur, dass wir gute Nahrung haben, sondern dass wir auch stringente Kinofilme haben. Wissenschaft greift eben in viele Bereiche der Gesellschaft ein und wenn das so populär und toll wie mit Steven Spielberg gezeigt wird, ich glaube, da können wir alle stolz drauf sein.
Rahmlow: Johannes Vogel ist ein Fan, unter anderem des Tyrannosaurus Rex, das habe ich herausgehört, egal ob im Film oder bei ihm selbst im Naturkundemuseum Berlin. Wir haben gesprochen über 25 Jahre "Jurassic Park". Vielen Dank und Ihnen noch einen schönen Samstag!
Vogel: Ja, vielen Dank und Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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