24-Stunden-Performance "Mount Olympus"

Schwabbel-Gott im Dauereinsatz

Szene aus der Performance "Mount Olympus" von Jan Fabre
Andrew Van Ostade in der Performance "Mount Olympus" von Jan Fabre © Wonge Bergmann
Von Eberhard Spreng · 28.06.2015
Odysseus, Ödipus, Electra: Schock-Performance-Altmeister Jan Fabre zeigt in "Mount Olympus" ein Best-of klassischer Tragödien. Das Spektakel im Haus der Berliner Festspiele ist mal großartig, mal banal. Jugendfrei ist es in jedem Fall nicht.
Wenn Jan Fabre, Schock-Performance-Altmeister insbesondere der 80er-Jahre in seinem Opus Magnum die Dionysien für die Neuzeit neu erfinden will, darf man kein jugendfreies Spektakel erwarten: Zu sehen sind also - in einer gewaltigen Bilderfolge - zahlreiche nackte Geschlechtsteile, umherfliegende Fleischbrocken, zuckende Leiber, Verausgabung bis zum Umfallen.
So lassen die Performer in den etwas kraftmeierischen ersten vier Stunden Ketten wie Springseile auf den Bühnenboden knallen und singen und springen bis zum Geht-Nicht-Mehr. Nur kurz dürfen sie, auch das auf der Bühne, am frühen Morgen des zweiten Tages in einen kurzen Schlaf fallen, wie auch das Publikum, das im Foyer und in Zelten im Garten Kraft schöpfen kann für neue Schlachten des Eros und des Schwertes.
In sich zerfallender, grandioser Irrtum
Immer wieder taucht als Leitmotiv der Wardance auf; darin eingestreut einige Soli mit den Topstars der Antike: Eteokles, Odysseus, Iokaste, Ödipus, Phaedra, Alcestis, Hercules, Klytaimnestra, Agamemnon, Electra, Orest und so weiter. Dieser "Mount Olympus" ist ein Antiken-Best-Of und funktioniert mit seiner Ansammlung von dramatischen Plotpoints der klassischen Tragödien wie ein 24-stündiger Trailer zu einer Geschichte, die nicht erzählt wird. Texte sind selten, das Bild allein soll den Zugang zum Mythos ermöglichen.
Der Künstler Jan Fabre will zu einem vordramatischen, vornarrativen dionysischen Kultus vorstoßen. Das Ergebnis ist ein in sich zerfallender, grandioser Irrtum: Jedes neue Bild zerfetzt seinen Vorgänger. Nur selten entstehen kurze Sinnblöcke, manche davon haben dann auch eine große suggestive Kraft.
Nicht diesen Kitsch
Jan Fabre hat eine mitunter rührende, mitunter nervige Naivität, aber er kann sich im Gegensatz zu seinen frühen Arbeiten von seiner heiligen Wut nun auch gelegentlich ironisch absetzen. Antreiber seiner "Warrior of Beauty" ist der Dionysos des Andrew van Ostade, der seinen schwabbeligen golden angemalten Bauch herrlich schillernd ins Licht bringt.
Aber wenn er, nach einem groovenden orgiastischen Schlussbild, das die Performer definitiv in bunte Varieté-Fabelwesen verwandelt hat, dem jubelnden Publikum die Schlusssätze "Breathe, just breathe, and imagine something new" nach Hause mitgibt, dann möchte man ob solch musicalesker Biederkeit aufschreien: Nein, nicht diesen Kitsch nach anstrengenden, mal großartigen, mal banalen 24 Stunden - und nach einem Jahr harter Proben.
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