24 Prozent - Warum Frauen weniger verdienen als Männer

Von Michael Klonovsky · 15.09.2008
Deutsche Frauen verdienen 24 Prozent weniger als Männer, sagt das Statistische Bundesamt. Eine Ungerechtigkeit! – tönt es allenthalben. Keineswegs.
Die Forderung, Frauen sollten im Beruf so viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen, ist zunächst nicht viel einleuchtender als die, Frauen sollten pro Tag dieselbe Kalorienmenge aufnehmen wie Männer oder durchschnittlich ebenso oft durch Arbeitsunfälle sterben. Dass sie letzteres keineswegs tun, sondern es den Männern überlassen, ungefähr zehnmal häufiger ausgerechnet während der Maloche das Zeitliche zu segnen, führt schon mitten ins Thema. Wer gleichen Lohn für gleiche Arbeit fordert, müsste zunächst einmal die gleiche Arbeit leisten – qualitativ und quantitativ. Dies tun Frauen aber – gottlob – nicht.

Diverse Studien haben gezeigt, was im Grunde ohnehin jeder weiß: Dass Eva Musterfrau im sogenannten Berufsleben weniger aktiv ist als Otto Normalmann, dass sie mehr Teilzeit arbeitet, dass sie die softeren Jobs (und Studiengänge) bevorzugt und keineswegs so karrierefixiert ist wie er. Im vergangenen Jahr etwa bilanzierte das Statistische Bundesamt, dass männliche Selbständige hierzulande auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 49 Stunden kommen, weibliche auf knapp 36. Männliche Angestellte verbrachten demzufolge wöchentlich im Schnitt 39 Stunden im Büro, weibliche 30,6. Bei den Arbeitern lautete das Verhältnis: 38 Wochenstunden Männer, 26 Frauen. Deutsche Männer sind im Schnitt also 38,6 Stunden in der Woche, Frauen aber nur 29,7 berufshalber beschäftigt.

Frauen arbeiten dafür mehr daheim, gewiss. Nur kann man schwerlich von einem Unternehmen verlangen, dass es die Hausarbeit der Frau bezahlt. Dies wiederum kann eine Frau von einem Mann sehr leicht fordern, und so läuft es ja gemeinhin. Jedenfalls kommt es zigtausendfach vor, dass er sie (teilweise) mitfinanziert, umgekehrt aber recht selten, weshalb speziell schöne Frauen eher wenig arbeiten. Beim Einstieg ins Berufsleben sei der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern gering, bilanziert das Statistische Bundesamt. Erst durch Auszeiten weiblicherseits, die Reduzierung der Arbeitszeit sowie die Wahl schlechter bezahlter Berufe beginnt die vielbeplärrte Schere sich zu öffnen. Es existieren indes keinerlei zwingende Indizien dafür, dass Frauen, die tatsächlich dasselbe tun wie Männer, weniger verdienen.

Es existieren aber jede Menge Indizien dafür, dass Frauen Kinder bekommen und daraus ökonomische sowie, sagen wir mal, lebensphilosophische Folgen resultieren. Zum einen ist die Frau im Unternehmen eine etwas unsichere Größe; sie kann sich jederzeit entscheiden, Nachwuchs zu bekommen und fortan halbtags zu arbeiten. Zum anderen muss sie sich nicht im Beruf verwirklichen; sie hat gegebenenfalls Sinnvolleres zu tun. Folglich veranstalten Frauen auch keine Wettpinkelwettbewerbe, sie haben keinen Bastelkeller, fangen nicht automatisch zu konkurrieren und zu prahlen an, sobald sie den Mund aufmachen, schlagen sich nicht gegenseitig die Nasen blutig und frisieren nicht ihre Autos. Zugleich melden sie weniger Patente an, werden seltener Ingenieur und noch seltener Chirurg. Fast alle Erfindungen und wissenschaftlichen Entdeckungen werden von Männern gemacht. Die erfolgreichsten Autoren, Maler, Komponisten und Regisseure sind Männer. Brennt nachts im Büro oder im Labor oder in der Werkstatt noch Licht, grübelt oder tüftelt dort wahrscheinlich ein Mann.

Dies alles könnte sich zu dem reizenden Resümee runden, dass die Durchschnitts-Frau, wer auch immer das genau sein mag, im dritten Jahrtausend nach Christus anscheinend immer noch nicht ganz so beknackt ist wie der Durchschnitts-Mann und keineswegs glaubt, der Sinn des Lebens bestünde im Erfinden neuer Handyklingeltöne, im regelmäßigen Besuch von Konferenzen oder im Auswendiglernen lächerlicher Zahlenkolonnen. Stattdessen gebietet die herrschende Gesinnungsmode, ihre Diskriminierung zu beklagen, und gleichsam unter der Hand verwandelt sich die Meldung: "Piloten verdienen mehr als Stewardessen" in: "Frauen verdienen weniger als Männer."

Dabei waltet namentlich über dem hier verhandelten Casus eine ideologisch ziemlich unverdächtige Instanz: der freie Markt. Dessen Logik gilt bekanntlich auch für weibliche Angestellte. Sind sie dem Unternehmen viel wert, wird es sie schon entsprechend honorieren, allein um zu verhindern, dass sie abwandern. Umgekehrt ist vielfach darauf hingewiesen worden, dass ein Unternehmer ja ziemlich dämlich sein müsste, Männer zu beschäftigen, wenn er für ein Viertel weniger Lohn identisch befähigte Mitarbeiterinnen bekommen kann. Beim Geld fängt die Diskriminierung keineswegs an – beim Geld hört sie auf.

In der deutschen Politik dagegen, wo die Gesetze des Marktes nicht gelten und öffentliche Gelder verteilt werden, ist die Benachteiligung von Männern unter dem Vorwand der Gleichstellung von Frauen via Quotenregelung durchgesetzt: Es gibt prozentual viel mehr weibliche Abgeordnete in den Parlamenten und Parteivorständen als Frauen in den Parteien. Was, nebenbei, nicht nur die wahren Ziele der Gleichstellungsbefürworter offenbart, sondern zugleich auch wieder für die Intelligenz unserer Durchschnitts-Frau spricht, die sich aus alledem lieber heraushält. Dieser Planet quillt ohnehin über von unnützen Produkten sinnentleerter Arbeit. Aber das ist ein anderes Thema.

Michael Klonovsky, Jahrgang 1962, Chef vom Dienst bei Focus, ist Autor der Romane "Der Ramses-Code" (Berlin, 2001) und "Land der Wunder" (Zürich, 2005). Im Frühjahr erschien von ihm: "Jede Seite ist die falsche. Aphorismen und Ähnliches", Anfang Oktober folgt: "Der Schmerz der Schönheit. Über Giacomo Puccini". 1990 erhielt er den "Wächterpreis der Tagespresse". www.michael-klonovsky.de
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