"2084 - ein digitales Diktaturmanöver" in Dresden

Jugendliches "Zwiedenk" in Zeiten der Überwachung

12:32 Minuten
Szene aus Mirko Borschts 2048 am Staatsschauspiel Dresden.
Theaterarbeit mit jugendlichen Laien: Darstellerin Jula Eberth und Ensemble in "2048" am Staatsschauspiel Dresden. © Sebastian Hoppe
Mirko Borscht im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 14.12.2019
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Was bedeutet es, wenn wir unsere Daten immer sorgloser großen Firmen überlassen? Hat die Übernahme durch Maschinen auch etwas Gutes? Das untersucht ein Projekt der Dresdner Bürgerbühne zu George Orwells "1984" – einhundert Jahre später.
Ein Leben im totalitären System mit Menschen, die ständig überwacht und unterdrückt werden – davon handelt einer der meistgelesenen Science-Fiction-Romane der Weltliteratur: "1984". Entstanden ist George Orwells düstere Zukunftsvision unter dem Eindruck von Stalinismus und deutschem Nationalsozialismus.
70 Jahre später - nach den NSA-Abhörskandalen und dem Vormarsch von nationalistisch orientierten Regimes weltweit – erscheint Orwells Fiktion aktueller denn je. Vor einigen Jahren kehrte das Buch zurück auf die Bestsellerlisten. Wie aber könnte das Szenario Orwells im digitalen Zeitalter aussehen?
Das hat der Regisseur Mirko Borscht 18 Jugendliche in Dresden gefragt – und daraus einen Theaterabend entwickelt: "2084 - ein digitales Diktaturmanöver" am Staatsschauspiel Dresden.
Darin geht es auch um die Frage, ob die Überwachung schon so alltäglich geworden ist, dass wir keine Angst mehr davor haben. "Das ist gerade bei der jüngeren Generation tatsächlich so", meint Mirko Borscht, "dass es entweder kaum noch ein Bewusstsein dafür gibt oder dass gesagt wird 'naja, ich komm da sowieso nicht raus, die wissen das sowieso und ich hab ja nichts zu verbergen'. Man merkt gar nicht, wie viele Zusatzinformationen man den vermeintlichen Informationen, die man bewusst abgibt, eigentlich auch noch mitliefert."

Oberflächlich kritisches Bewusstsein

Ein typisches "Zwiedenk" – ein Neusprech-Begriff aus dem Roman – erkennt Borscht im oberflächlich kritischen Bewusstsein einiger Jugendlicher, wenn sie beispielsweise zu Fridays for Future gehen und sich gleichzeitig darüber unterhalten, wie der letzte Urlaub in Australien war. Borscht fehlt hier das Bewusstsein dafür, "dass man gegen etwas demonstriert was man selber verursacht hat."
Mirko Borscht entwickelt in "2084", ausgehend von Fragen zum Thema, auch positive Möglichkeiten für die Zukunft und fragt, ob die Technik uns bestimmte Konflikte, die wir nicht lösen können, eventuell abnehmen kann. "Ist die Übernahme von intelligenter Technik vielleicht eine Option, die uns der Arsch retten kann"?
Es ist nicht das erste Mal, dass Mirko Borscht mit jugendlichen Laien arbeitet. Über so eine Arbeit sei er überhaupt zum Theater gekommen. "Aus Versehen", wie er sagt, durch ein Senatsförderprogramm für schwer vermittelbare Jugendlichen. In der Folge entstand der Film "Kombat Sechzehn" über Jugendliche, die in die rechtsextreme Szene abdriften - gespielt von Laien. So wurde das Theater auf ihn aufmerksam.
Borscht arbeitet gern mit jugendlichen Laien, vor allem reizt ihn, "dass sie nicht die handwerklichen Fähigkeiten eines Schauspielers haben. Man muss gucken, was bringt jemand mit, was ist das Besondere. Aber auch, dass die Ergebnisse oft nicht das sind, was man erwartet. Beziehungsweise, dass es Ausdrucksformen gibt, die man in einem Medium wie Theater neu erfahren kann", sagt Borscht. "Sprache ist nicht mehr das führende, zentrale Element. Man muss andere Mittel finden, das sichtbar zu machen, was die vermeintlichen Laienschauspieler so besonders macht."
(sub)
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