200. Todestag von Jane Austen

Nicht nur die "Godmother of romance"

Jane-Austen-Lese-Bank in Steventon
Jane-Austen-Lese-Bank in Steventon © Stephanie Pieper
Von Stephanie Pieper · 17.07.2017
Jane Austens Werk wurde anfangs von der Kritik als "amüsant und unbedenklich" eingeordnet. Doch sie spielt in einer anderen Liga als Rosamunde Pilcher & Co. Als Autodidaktin war sie die Erfinderin des modernen Gesellschaftsromans.
Celia und Deborah haben gerade ihre Tour durch das Jane Austen House beendet, stehen im kleinen Garten des Cottage auf dem Rasen und bewundern die Blütenpracht der Blumenbeete. Die beiden Rentnerinnen unternehmen häufig gemeinsame Ausflüge – und haben sich für diesen Tag als Ziel das Dorf Chawton ausgesucht, in dem Jane Austen die letzten acht Jahre ihres Lebens verbracht hat. Die Schriftstellerin gehöre einfach zum englischen Kulturerbe, sagt Deborah – und damit auch ihr letztes Wohnhaus:
"Well, because it is part of our heritage, and it is 200 years, so I think that’s lovely."
Ihr 200. Todestag sei doch ein schöner Anlass, sich mit ihrem Leben zu beschäftigen. Beide Frauen sind gerade 70 geworden; sie kennen sich bereits seit der Schulzeit, haben also schon im Englischunterricht die Bücher von Jane Austen gemeinsam gelesen – wie sie sagen, "vor vielen, vielen Jahren":
"We were at school together, so we read the books together – many, many years ago!"
Chawton mit seinen weniger als 500 Einwohnern liegt in der Grafschaft Hampshire, etwa eineinhalb Stunden Zugfahrt südwestlich von London. Das schmucke Cottage aus rotem Backstein mit seinen weißen Sprossenfenstern und knarzenden Holzdielen ist – ebenso wie die Nachbarhäuser – typisch englisch. Jane Austen, mutmaßt Celia, "war hier bestimmt glücklich":
"Quintessential English, very English, yes, thatched cottage – I think, she would have been very happy here.”
Jane-Austen-Haus in Chawton
Jane-Austen-Haus in Chawton© Stephanie Pieper
Von 1809 bis kurz vor ihrem Tod am 18. Juli 1817 lebt Jane Austen in Chawton, gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester. Das Cottage gehört seinerzeit ihrem älteren Bruder Edward, den das kinderlose, aber reiche Ehepaar Knight adoptiert – und der deshalb nach dem Tod seiner Adoptiveltern über erheblichen Besitz verfügt.
An einem kleinen runden Schreibtisch aus Holz überarbeitet Jane ihre frühen Romanentwürfe – meist direkt nach dem Frühstück, manchmal kommt ihr aber auch nach dem Abendessen eine Idee. Und hier in Chawton erlebt sie 1811, wie – zunächst auf eigene Kosten – ihr erster Roman veröffentlicht wird: "Verstand und Gefühl". Gefolgt von "Stolz und Vorurteil" 1813, "Mansfield Park" 1814 und "Emma" 1815. Erst posthum erscheinen "Die Abtei von Northanger" und "Überredung":
"Jedes Mal, wenn man eines ihrer Bücher liest, entdeckt man neue Aspekte. Das hat auch mit dem Alter zu tun: Wenn man jung ist, in der Schule, dann versteht man bestimmte Nuancen noch nicht. Aber wenn man die Romane später noch mal liest, wenn man älter ist, weiß man diese Dinge mehr zu schätzen."
Celia hat vor ihrem Ruhestand als Lehrerin gearbeitet, ihre Freundin Deborah als Krankenschwester – und beide wählen aus Austens Romanen denselben Favoriten: "Stolz und Vorurteil" – im Original "Pride and Prejudice" –, mit der schlagfertigen und witzigen Elizabeth Bennett sowie dem stolzen und ehrenwerten Mr. Darcy als den beiden Hauptfiguren. Eine Liebesgeschichte, gewiss, aber auch ein Gesellschaftsporträt – humorvoll gezeichnet, sagt Deborah:
"The sense of humour that I don’t think I appreciated many years ago, that I’ve been able to see since then – and that’s quite interesting as well.”
Die ersten Auflagen von Austens Werken sind schnell vergriffen; es spricht sich herum, dass diese neue literarische Stimme vergnüglich zu lesen ist. Dass jedoch Jane Austen die Verfasserin ist, das weiß zu ihren Lebzeiten außer ihrer Familie und engen Freunden kaum jemand. Auf der Titelseite von "Verstand und Gefühl" heißt es, der Roman sei "By a Lady" – "von einer Dame" geschrieben. An ihrem Erfolg, auch kommerziell, war Austen selbst durchaus interessiert, wie ein Brief an ihren Bruder Francis verrät:
"Du wirst Dich freuen zu hören, dass alle Exemplare von ‚Verstand und Gefühl‘ verkauft sind und dass es mir 140 Pfund eingebracht hat, neben dem Copyright – welchen Wert auch immer das haben mag."
Als der Londoner Verleger kurz danach "Stolz und Vorurteil" auf den Markt bringt, macht er dafür schon Werbung mit dem Zusatz, der Roman stamme "von der Autorin von ‚Verstand und Gefühl‘". Der Besuch im Jane Austen House in Chawton hat Deborah auf jeden Fall darin bekräftigt, die Romane wieder aus dem Regal zu holen und noch einmal zu lesen:
"I’m going to re-read them, it’s prompted me to re-read them, yes, so that’s what will happen after today.”
Sie und ihre alte Schulfreundin Celia sind – vor ihrem Besuch in Chawton – auch schon im nahegelegenen Steventon gewesen. Dort kommt Jane Austen am 16. Dezember 1775 zur Welt, als siebtes von acht Kindern des Pfarrers George Austen und seiner Frau Cassandra.

Wer war Jane Austen? Stationen ihres Lebens

Die Kirche St. Nicholas in Steventon ist schlicht und klein, höchstens 100 Gläubige finden auf den Holzbänken Platz. George Austen zieht im Jahr 1768 mit seiner Frau und den bis dahin drei Söhnen in dieses 250-Seelen-Dorf in Hampshire, als er die Stelle des Pfarrers antritt. Während ihrer Kindheit und Jugend nimmt Jane Austen fast jeden Sonntag am Gottesdienst teil. Auch deshalb ist diese Kirche bis heute bei jungen Frauen besonders beliebt für Hochzeiten, sagt Julian Pilcher, der im Pfarrgemeinderat von Steventon sitzt:
"It’s much loved. I would say it’s the favourite wedding place for the girls who want to get married around here, because it has a certain romanticism about it.”
"Dies ist wohl ein romantischer Ort", meint der 80-Jährige. Das Pfarrhaus von Steventon – Janes Geburtshaus – steht heute nicht mehr; es wird im 19. Jahrhundert nach einem Hochwasser abgerissen.
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Julian Pilcher und Linda Sennett aus Steventon© Stephanie Pieper
Besonders eng ist Zeit ihres Lebens Austens Beziehung zu ihrer einzigen Schwester, der zwei Jahre älteren Cassandra; sie geht gern und oft in der hügeligen Landschaft spazieren, so wie viele ihrer Heldinnen auch. Das erzählt die US-Amerikanerin Linda Sennett, die mit ihrem britischen Mann seit 20 Jahren hier lebt – und die natürlich ein Austen-Fan ist:
"Sie kannte jeden im Dorf, sie nahm an gesellschaftlichen Anlässen teil, auch in Nachbardörfern. Die Familie Austen war zwar nicht wohlhabend, hatte aber – durch ihre reichen Verwandten, die Knights – beste Verbindungen und bewegte sich deshalb in höheren gesellschaftlichen Kreisen als andere."
Es ist damals keineswegs selbstverständlich, dass George Austen auch seine beiden Töchter ermuntert, sich zu bilden und viel zu lesen – nicht nur historische oder wissenschaftliche Werke, sondern auch Romane, ein noch recht neues Genre. Die Familie führt überdies gern kleine Theaterstücke auf. Schon früh entdeckt Jane, wie viel Spaß es ihr macht, in andere Rollen zu schlüpfen, sich Dialoge und Szenen auszudenken, mit Sprache zu spielen:
"Sie hat hier in dieser Umgebung begonnen, zu schreiben: ‚Stolz und Vorurteil‘, ‚Die Abtei von Northanger‘ und ‚Verstand und Gefühl‘. Von ihren Nachbarn umgeben, hatte sie viel Gelegenheit, Menschen zu beobachten und über sie zu schreiben.."
Sie flüchtet sich beim Schreiben – anders als etwa die Brontë-Schwestern – nicht in eine Fantasiewelt, sondern bewegt sich dicht an der Realität. Allerdings karikiert und parodiert sie ihre Mitmenschen, deren Beziehungen und auch die herrschenden Verhältnisse nach Herzenslust:
"Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein alleinstehender Mann, der ein beträchtliches Vermögen besitzt, einer Frau bedarf."
Dies ist der berühmte erste Satz von "Pride and Prejudice". Gleich im ersten Kapitel charakterisiert Austen gnadenlos das Ehepaar Bennet, das für seine fünf Töchter nach einer guten Partie sucht – eine Lebensaufgabe vor allem für Mrs. Bennet:
"Mr. Bennet bestand aus einer so seltsamen Mischung aus gelegentlicher Heftigkeit, Schlagfertigkeit, sarkastischem Humor, Zurückhaltung und Kaprice, dass die Erfahrung von dreiundzwanzig Ehejahren für seine Gattin nicht ausgereicht hatten, sein Wesen zu begreifen. Das ihre war weniger schwer zu ergründen. Sie war eine Frau von geringer Einsicht, wenig Kenntnissen und launenhafter Gemütsart."
Jane und ihre Schwester Cassandra heiraten nie und bleiben deshalb auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen – erst ihres Vaters, später ihrer Brüder. Im Laufe ihres Lebens verliebt sich Jane zwar und bekommt auch mehrere Heiratsanträge, entscheidet sich aber jedes Mal gegen den Bund der Ehe. Gut so, findet Kathryn Sunderland, Professorin für englische Literatur an der Universität Oxford und Austen-Expertin:
"Ein Grund zu heiraten war, finanziell versorgt zu sein – und das war für viele Frauen entscheidend. Doch ich glaube, sie schätzte ihre Unabhängigkeit. Und sie schätzte ihren Freundeskreis aus interessanten und starken Frauen. Aber sie hat einen Preis dafür gezahlt: Sie war abhängig von der Gnade anderer und lebte in prekären Verhältnissen."
Wie ungerecht Frauen damals – Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts – behandelt werden, das beschäftigt auch die Deutsche Connie, die Jane Austen vor einigen Jahren für sich entdeckt hat:
"Also, wenn Du nicht geheiratet hast – dann entweder Kloster, oder Du hast einen reichen Bruder gehabt, oder Du hast gar nichts gehabt. Und dass sie auch nicht das Geld verdienen konnten im Grunde genommen."
Connie ist 55 und kommt aus Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern; gemeinsam mit ihrer Mutter ist sie in diesem Sommer – 200 Jahre nach dem Tod der Schriftstellerin – eine Woche lang auf den Spuren von Jane Austen im Süden Englands unterwegs. Jetzt sitzen Hilde, eine rüstige 80-Jährige, und ihre Tochter im Innenhof des Chawton House und machen Mittagspause. Auf diesem prächtigen Landsitz mit seinem wunderbaren Park lebt einst Janes reicher Bruder Edward Austen Knight, wenige Hundert Meter entfernt von jenem Cottage, in dem seine Schwester wohnt. Auch Hilde kann sich gut in Austens Protagonistinnen hineinversetzen – ihre Geschichten seien viel eindrucksvoller als dieser ganze Cornwall-Kitsch von Rosamunde-Pilcher:
"Und vor allen Dingen, wenn man dann auch alleine ist, auch ohne Mann, dann empfindet man das eben doch um so vieles mehr. Man nimmt Anteil. Aber man ist dann auch wieder heilfroh, heute zu leben und arbeiten zu dürfen…."
Begonnen haben Tochter und Mutter ihre Tour in Bath. Denn als der Pfarrer George Austen 1801 in den Ruhestand geht, siedelt er seine Familie überraschend in diesen Kurort in Somerset im Südwesten Englands um. Darüber ist seine damals 25-jährige Tochter Jane alles andere als begeistert.

Jane Austen und Bath - Eine Hassliebe

Das Bed & Breakfast von Nici Jones liegt am Abbey Green, einem kopfsteingepflasterten Platz im Zentrum von Bath, in der Nähe der Abteikirche. Im Jane-Austen-Flügel ihres B&B hat Nici drei Zimmer eingerichtet, die nach ihren liebsten Roman-Heldinnen benannt sind: Elizabeth Bennet aus "Stolz und Vorurteil", Elinor Dashwood aus "Verstand und Gefühl" und Emma Woodhouse aus "Emma".
"Wir wollten diese Zimmer gern so gestalten, dass sich vor allem unsere amerikanischen Gäste, die Jane Austen lieben, wohlfühlen. Also haben wir Jane-Austen-Bücher besorgt, wir haben feminine Textilien ausgesucht, dicke Vorhänge und Silhouetten-Porträts aufgehängt. So dass unsere Gäste abends auf den Hof schauen und sich vorstellen können, sie wären in Jane Austens Welt."
An diesem Holztischchen hat die englische Schriftstellerin Jane Austen geschrieben.
An diesem Holztischchen hat die englische Schriftstellerin Jane Austen geschrieben.© picture alliance / dpa / Afra Gallati
Bath ist seinerzeit "en vogue", doch die Autorin muss gegen ihren Willen hier leben: Sie fühlt sich nicht mehr so frei wie in Steventon, eingeengt von den Konventionen. Die große Auswahl an Geschäften allerdings gefällt Austen durchaus, denn sie interessiert sich für Mode und liebt es zu shoppen. Sie tanzt auch gern, besucht Konzerte und geht ins Theater. Doch das Publikum sagt ihr nicht zu: vor allem Adelige und Neureiche – Menschen, die sich für fein und kultiviert halten, es aber in ihren Augen nicht sind. Dass sie Bath trotz seiner Schönheit nicht sonderlich wohlgesonnen ist, mag auch damit zu tun haben, dass hier im Jahr 1805 ihr geliebter Vater stirbt – und dass sie danach ihren gesellschaftlichen Abstieg erlebt. Donna Lodge vom Tourismusbüro führt durch das hügelige Bath, vorbei an den im späten 18. Jahrhundert gebauten halbrunden Häuserreihen am Royal Crescent und am Platz The Circus – architektonische Juwelen. Doch die Familie Austen muss aus Geldmangel mehrmals umziehen, und jede neue Wohnung ist weniger schön gelegen und weniger vorzeigbar als die vorherige. Der Rundgang mit Donna endet vor Janes letzter Adresse in der Trim Street, fernab der feinen Gegenden von Bath:
"Zu der Zeit standen die Dinge nicht gut: Janes Vater war gestorben und hatte seiner Frau und seinen Töchtern so gut wie kein Einkommen hinterlassen, so dass sie auf die Hilfe ihrer reicheren Brüder angewiesen waren. Hier sind sie letztlich gelandet. Dies war damals eine Gegend, in der sich Diebe und Prostituierte herumgetrieben haben."
Aber auch wenn Austen nur fünf Jahre – von 1801 bis 1806 – in Bath lebt, und auch wenn die Schriftstellerin eine Hassliebe mit der Stadt verbindet: Bath versteht es wie kein anderer Ort, seine berühmteste Bewohnerin touristisch auszuschlachten
"I’m welcoming people to the Jane Austen Centre here in Bath. Mr. Bennet is the name, Mr. Bennet.”
Martin Salter ist verkleidet als Mr. Bennet aus "Stolz und Vorurteil". Er steht seit zehn Jahren fast jeden Tag am Eingang des Museums in der Gay Street, begrüßt die Besucher und lässt sich mit ihnen fotografieren. Jedes Jahr im September ist der Andrang besonders groß, denn dann findet in der Stadt zehn Tage lang das Jane Austen Festival statt, sagt Tourguide Lauren:
"Wir halten den Weltrekord für das Event, bei dem die meisten Leute in Kostümen verkleidet sind – und die Fans von Jane Austen kommen wirklich von überall her, inzwischen sogar aus Indien und aus China. Die meisten kommen natürlich immer noch aus Großbritannien, aber auch aus den USA."

"Chick lit": Schrieb Jane Austen nur über Frauen – für Frauen?

Böswillige Zungen behaupten, Jane Austen sei die Wegbereiterin der "chick lit": der leichten Literatur von Frauen für Frauen – der bekömmlichen Kost für Leserinnen, die in ihrer Phantasie lediglich ihren "Mr. Right" suchen und finden wollen. "Unfug", sagt Kathryn Sunderland, Austen-Kennerin von der Universität Oxford. Sie macht nicht zuletzt Hollywood für dieses ungerechte Urteil über die Schriftstellerin verantwortlich, weil die Filmemacher die Stories nicht selten auf die Romanzen reduzieren:
"She is more than the godmother of romance and she is more than date comedy, which is to some extent what Hollywood has reduced her to.”
Austen schildert das, was sie – und Frauen ihres Alters – beschäftigt und bewegt: Bälle und andere Vergnügungen, die Anbahnung glücklicher und weniger glücklicher Ehen, gesellschaftlicher Aufstieg und Abstieg. Julian Pilcher, der Rentner aus dem Pfarrgemeinderat in Jane Austens Heimatdorf Steventon, meint aber, dass sich Männer deshalb mit den Romanen nicht so gut identifizieren können wie Frauen:
"I think – now, you‘re gonna kill me for saying this – that Jane Austen was more for the female sex than the male sex.”
Wer Austen aufmerksam liest, stellt fest: Es gibt kaum eine Szene, in der nur Männer anwesend sind und sich unterhalten. Fast immer sind auch oder ausschließlich Frauen präsent und an der Konversation beteiligt. Nach der Veröffentlichung ihrer ersten Romane sind Janes Leser jedoch nicht durchweg Frauen; auch viele Männer finden ihre Darstellung der englischen Gesellschaft durchaus amüsant. Die Schriftstellerin ist eine Zeitgenossin ihrer deutschen Kollegen Goethe und Schiller – und wie diese lebt sie in bewegten Zeiten: Sie bekommt die Anfänge der industriellen Revolution und den damit verbundenen sozialen Wandel mit; sie verfolgt die Geschehnisse der Französischen Revolution und nachfolgend die Napoleonischen Kriege. Den Vorwurf einiger Kritiker, Austen spare diese spannende Zeitgeschichte in ihren Werken aus, lässt Expertin Sunderland aber nicht gelten:
"Ich denke vielmehr, sie ist die erste englische Romanautorin der Heimatfront. Der Verleger von ‚Stolz und Vorurteil‘ war zum Beispiel auf militärische Bücher spezialisiert. Und diese Geschichte dreht sich auch darum, was in einer Kleinstadt passiert, in der sich plötzlich das Militär einquartiert. Ähnliche Themen finden sich in all ihren Büchern. Sie betrachtet den Krieg aus der Perspektive der Heimat."
Ein Porträt von Jane Austen.
Die Schriftstellerin Jane Austen© imago stock & people
Bereits im 19. Jahrhundert befassen sich männliche Literaturwissenschaftler mit Jane Austens Werken, britische Soldaten lesen in den Schützengraben des Ersten Weltkrieges ihre Romane, und zu ihren frühen Bewunderern gehört auch der schottische Dichter Walter Scott:
"Wir machen der Autorin deshalb kein kleines Kompliment, wenn wir sagen: Indem sie sich eng an alltägliche Ereignisse und an Charaktere hält, die ein Durchschnittsleben führen, hat sie Skizzen von solcher Lebendigkeit und Originalität geschaffen, dass wir auf den Reiz gar nicht angewiesen sind, den uns eine Erzählung voller außergewöhnlicher Ereignisse verschafft."
Jane Austens Bücher sind – wie sie selbst einmal sagt – ihre Kinder, ihre Hinterlassenschaft. Und ihr fabelhafter Beitrag zum literarischen Vermächtnis der englischen Sprache.
Im Frühjahr 1816 fühlt sich Jane Austen erstmals unwohl, ignoriert die Symptome jedoch – und erkrankt im Laufe des Jahres dann ernsthaft. Gleichwohl beginnt Jane Anfang 1817 noch einen weiteren Roman, der unvollendet bleiben wird: "Sanditon", benannt nach einer fiktiven Kleinstadt. Am 18. März nimmt Austen das letzte Mal eine Schreibfeder zur Hand – und stirbt schließlich vier Monate später, am 18. Juli 1817, im Alter von nur 41 Jahren. Ihr Bruder Henry sorgt dafür, dass seine Schwester – als Tochter eines anglikanischen Pfarrers – in der Kathedrale von Winchester begraben wird:
"One thing you will notice there: It doesn’t say anything there about writing books. It appears that her brother didn’t think it was worth mentioning – just her little hobby.”
Die Inschrift auf Austens Grabplatte, erzählt Adrian Lewis vom Besucherservice der Kathedrale, erwähnt immerhin die "außerordentliche Begabung ihres Geistes" – aber mit keinem Wort, dass sie geschrieben hat. Nur ihr kleines Hobby. Dass sich Leser in aller Welt noch heute – 200 Jahre nach ihrem Tod – an ihren Romanen erfreuen, das konnte wohl selbst die kluge Jane Austen nicht erahnen.
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