20 Jahre Ultraschall Berlin - Festival für neue Musik

Wir machen uns nicht selbst zum Thema

Rainer Pöllmann
Rainer Pöllmann © Deutschlandradio / Bettina Straub
Rainer Pöllmann im Gespräch mit Oliver Schwesig · 15.01.2019
Seit 20 Jahren kann sich die Musikszene auf eine neue Ausgabe des Festivals Ultraschall Berlin verlassen. Rainer Pöllmann, einer der beiden Festival-Leiter, blickt zurück und garantiert: Wir drehen uns nicht um uns selbst - Blick ins Programm inklusive.
Zeitgenössische Musik und ihre Protagonisten präsentieren und sie in einen historischen Kontext einzuordnen - das ist das Konzept von Ultraschall Berlin, einem der wichtigsten Festivals für Neue Musik, das vom 16. bis 20. Januar 2019 in Berlin stattfindet. Über die Jahre ist das Festival ein Fixpunkt für die Neue-Musikszene in Deutschland geworden, und dieser Jahrgang ist etwas Besonderes: Ultraschall wird 20 Jahre alt. Das Festival wird von Deutschlandfunk Kultur und kulturradio vom rbb veranstaltet; federführend unsererseits ist Rainer Pöllmann.

Die Anfänge Ende der 90er-Jahre

Rainer Pöllmann erinnert sich an die Anfänge. Ende der 90er-Jahre war die Szene, so sagt er, sehr kleinteilig.
"Es gab viele Veranstaltungen, die aber den Horizont kaum über die Berliner Szene hinaus wagten. Und nach dem Umbruch von 1989/90 ist auch viel verschwunden, was es vorher gab. Und in dieser Situation haben die damaligen Sender 'SFB' und 'Deutschlandradio Berlin' beschlossen, ihre Kräfte zu bündeln und ihre Veranstaltungen in ein gemeinsames Festival einzubringen. Und nach 20 Jahren, glaube ich, behaupten zu können, dass sich dieses Konzept, diese Idee verwirklicht hat!"
Heute sei das Festival international ausgerichtet und beachtet - Besucher und eingeladene Gäste kommen aus ganz Europa und anderen Teilen der Welt. "Das hätte keiner allein geschafft."

Entwicklung des Festivals

Es liege in der Thematik des Festivals, sagt Rainer Pöllmann. Das Festival reagiere immer auf das jeweils Neue. "Dabei wollen wir nicht propagieren, oder uns zum Werbeträger machen, aber das Neue nehmen wir auf. Und so gibt es in jedem Jahr immer etwas Neues, was vorher so noch nicht da war."
Im Laufe der Zeit haben sich die Namen der Rundfunkanstalten geändert, auch die Aufführungsorte in Berlin. Rainer Pöllmann bedauert, dass es keinen Ort gäbe, an dem man alle Veranstaltungen realisieren könne, das bliebe wohl ein Traum. Auch die Ensembles haben sich verändert.
"Vor allem", so betont Pöllmann, "machen wir nicht bei diesem Kuratoren-Hype, der gerade sehr 'en Vouge' ist, mit. Nicht diese sind die Zentralfiguren, sondern die Künstler, die Musikerinnen, Komponisten. Natürlich wählen wir sorgfältig aus, aber unsere Aufgabe liegt darin, den Künstlern eine Möglichkeit zu schaffen und uns nicht in den Vordergrund zu drängen." Wichtig seien der Leitung die regelmäßigen Wiederentdeckungen aus den letzten bis zu 70 Jahren.

"Unser Horizont reicht bis zum Beginn der Nachkriegsavantgarde 1945/46 zurück. Wir verstehen uns als Plattform und Spiegel des gegenwärtigen Musiklebens", sagt Rainer Pöllmann. "Wir nehmen Musik als zeitgenössische Kunstäußerung ernst, wie zeitgenössische Malerei oder Literatur. Es geht nicht darum, die Lieblingsmusik von irgend jemanden zu präsentieren, sondern das, was künstlerisch gerade diskutiert wird, der ästhetische Kurs, der hinter den einzelnen Werke steht. Und die aktuellen Tendenzen abzubilden."
Sieben Programmhefte "Ultraschall Berlin".
Aus dem Schrank des Festivalleiters gezogen: Programmhefte vergangener Festivals.© Deutschlandfunk Kultur / Cornelia de Reese

Generationswechsel in den Reihen der Komponistinnen

"Im Moment ist es eine ganz neue Generation, die jetzt auf sich aufmerksam macht. Musiker und Komponisten, die Milleniens, Ende 20, Anfang 30. Das ist eine Generation, die ganz anders denkt." Diesem "Generationen-Gap" wird das Festival nachspüren.
Die Cellistin ist beim Spiel am Cello zu sehen.
Komponistin und Musikerin: Severine Ballon.© Severine Ballon / Pierre Gondard
Erfreut zeigt sich der Leiter auch darüber, dass viele Komponistinnen vertreten seien.

Jubiläumsprogramm - ein Blick auf die aktuelle Szene

"Das diesjährige Programm ist keine Rückschau, sondern richtet den Blick auf die aktuelle Szene. Das Festival ist nicht sein eigenes Thema." Ein Schwerpunkt ist das Revitalisieren der analogen Klangwelten der analogen Synthesizer.

Ein modularer Moog-Synthesizer des amerikanischen Erfinders Bob Moog aus den 1960er Jahren. Er gilt als das erste ernst zu nehmende elektronische Gerät zum Erzeugen synthetischer Klänge.
Archäologischer Wert: Ein modularer Moog-Synthesizer des amerikanischen Erfinders Bob Moog aus den 1960er Jahren. © picture alliance / Maximilian Schönherr
Die digitale Revolution Anfang 80er-Jahre habe viele Instrumente und die Software der Zeit davor vergessen gemacht. "Es braucht archäologisches Interesse, das wieder zu entdecken und wieder aufführen zu können." Je intensiver die Digitalisierung voranschreite, davon ist Rainer Pöllmann überzeugt, desto stärker werde die Sehnsucht nach den prä-digitalen Sounds."

Mischung aus Ensemble-Konzerten und Orchester-Abenden

Zahlreiche Ensembles sind eingeladen. Und auch in diesem Jahr werden drei große Orchesterkonzerte präsentiert: eins mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin. An vier Abenden wird Deutschlandfunk Kultur live vor Ort sein und einen Großteil der Konzertabende übertragen. Genaue Programminformationen zu Konzerten wie Übertragungen im Rundfunk sind auf der Internetpräsenz des Festivals zu finden.

Ultraschall Berlin in unserem Programm:

17.01. Mozart und das "hyperreale Klavier"
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17.01. Tonart am Nachmittag: Gespräch mit Musiker Sebastian Berweck
18.01. Tonart am Vormittag: Uraufführung bei Ultraschall Berlin: "Dov'è" von Claus-Steffen Mahnkopf
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18.01. Tonart am Nachmittag: die Komponistin Sara Glojnaric
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20.01. Konzertübertragung live – Abschlusskonzert (in der Pause: Kritikergespräch und ein Blick auf die Arbeit der jungen "Ultraschall-Reporter")
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