20 Jahre Peaches

Kunstvolles Spiel mit Obszönitäten

05:14 Minuten
Kunstvoll inszeniertes Sexspielzeug in Peaches Kunstausstellung "Whos Jizz is this?" im Kunstverein Hamburg.
In ihrer Ausstellung "Whos Jizz is this?" arrangiert Peaches Sexspielzeug auf kunstvolle Weise. © Kunstverein in Hamburg / Fred Dott
Von Juliane Reil · 15.08.2019
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Penisprothesen, Vagina-Anzüge – mit ihrer Kunst durchbricht Peaches Geschlechtergrenzen. Mit singendem Sexspielzeug und gigantischen Masturbatoren feiert die Vorreiterin des Queerfeminismus mit einer Kunstausstellung ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum.
"Der Körper ist unser Gefäß", sagt Peaches. "Wenn wir uns darin nicht wohl fühlen, wie kann man dann ein gutes Leben führen? Jeder muss sich in seinem Körper wohlfühlen können. Es gibt viele verschiedene Körper, und es gibt viele verschiedene Wege von Genuss, Liebe und Beziehung. Heute sind wir diesen Dingen gegenüber aufgeschlossener, aber nach wie vor müssen wir uns von einem Denken in binären Strukturen befreien."

Auf Krawall gebürstet und queer-feministisch

Peaches. In den Nullerjahren begann die Kanadierin und Wahlberlinerin ihre Karriere mit Trash-Elektro-Punk. "In die Fresse" – so könnte man ihren Stil wohl am besten beschreiben.
In ihren Texten und Shows ist sie bis heute auf Krawall gebürstet und queer-feministisch - lange bevor das im Pop ein angesagter Trend wurde. Provozierend und gleichzeitig humorvoll trug sie auf der Bühne schon mal rosa Hotpants und eine umgehängte Penis-Prothese oder einen Ganzkörper-Vagina-Anzug.
Die Künstlerin Peaches umgeben von Sexspielzeug.
Peaches war schon queer-feministisch lange bevor das im Pop ein angesagter Trend wurde.© Kunstverein Hamburg
Im Herzen ist die Frau mit dem blondierten Irokesen vor allem eins: eine Performerin. Das zeigt sie auch in den Proben zu ihrer Revue "There is only one peach with a hole in the middle".
Anlässlich ihres 20-jährigen Bühnenjubiläums fährt Peaches großes Besteck auf. Nach dem Vorbild glamouröser Diven wie Bette Midler und Liza Minelli – die gleichzeitig 70er-Jahre-Ikonen der queeren Community sind – performt sie eine Auswahl ihrer eigenen Songs.
Die bunte, extrovertierte Show zeigt die vielfältige Welt von Peaches. Um die 40 Künstler und Künstlerinnen, mit denen sich sie verbunden fühlt, treten mit ihr auf. Zum Beispiel die amerikanische Drag Queen Christeene und afroamerikanische Tänzerinnen aus New Orleans.
Die Band für die Show – von Schlagzeug über Tuba bis hin zu den Geigen – ist vor allem weiblich besetzt.
Eine Installation von Peaches in ihrer Ausstellung "Whos Jizz is this?" im Kunstverein Hamburg zeigt ein Objekt, bei dem die Grenzen zwischen Maschine und organischem Wesen zu verschwimmen scheinen.
In ihrer Ausstellung präsentiert Peaches skulpturale, fotografische, filmische und textliche Werken in einer immersiven Umgebung.© Kunstverein Hamburg / Fred Dott
Die Performance der mittlerweile 52-jährigen Peaches wirkt immer noch energiegeladen. Trotzdem hat sich seit den Anfängen ihrer Karriere vor 20 Jahren einiges geändert.
"Mein Körper wird älter", sagt Peaches lachend:
"Was sich verändert hat? Die Wahrnehmung. Bei dem, was ich mache und wie ich es erlebe. Ich versuche, immer wieder neue Erfahrungen zu machen und das Gefühl zu haben, dass ich wirklich etwas lerne und mich weiterentwickle. Denn die Welt verändert sich und auch die Ideen. Selbst wenn ich progressiv in meinem Denken bin, muss ich mich selbst darin herausfordern: Nicht stehenbleiben, sondern weitergehen."

Singendes Sexspielzeug

Mit ihrer ersten Kunstausstellung hat Peaches tatsächlich Neuland betreten. Auch sie ist Teil ihres 20-jährigen Jubiläums. In "Whose Jizz Is This?" – zu deutsch "Wessen Wichse ist das?" – geht es um Masturbatoren, die nicht länger für die Selbstbefriedigung anderer herhalten wollen und sich vom Menschen emanzipieren.
In einer Mischung aus Sounddesign, Licht, Film, Fotografie und Skulptur entwirft Peaches eine begehbare Installation, die stark von ihrer Bühnenbild-Ästhetik geprägt ist. Riesengroße Masturbatoren ineinander verschlungen als Springbrunnen, der fröhlich Wasser speit. Oder Sexspielzeuge, die singen. Nicht besonders tiefgründig, aber amüsant.
In Peaches Installationen spielt kunstvoll arrangiertes Sexspielzeug eine zentrale Rolle.
Peaches knüpft an die "Body Politics" der 80er-Jahre und queer-feministische Theorien in der Tradition von Judith Butler an.© Kunstverein Hamburg / Fred Dott
Aber das Spiel mit Obszönitäten kennt man von Peaches. Richtig provokant ist das heute nicht mehr, dafür wirkt die gezeigte Kunst zu naiv. Inhaltlich knüpft die Künstlerin an die "Body Politics" der 80er-Jahre und queer-feministische Theorien in der Tradition von Judith Butler an.
2019 ist das nicht überholt, aber auch nicht so progressiv, wie es sich die Künstlerin anscheinend wünscht. Trotzdem: In einer Zeit, in der westlich-liberale Gesellschaften von einem Backlash konservativer Kräfte bedroht sind, ist es sicher nicht verkehrt, einer Künstlerin wie Peaches eine große Bühne zu geben.

Info:
Die Ausstellung "Whose Jizz Is This?" von Peaches ist noch bis zum 20. Oktober im Hamburger Kunstverein zu sehen.

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