20 Jahre Frauen in der Bundeswehr

Noch lange nicht respektiert

07:38 Minuten
Soldaten stehen vor dem Tor zur Kaserne, im Mittelpunkt eine Soldatin
Frauen, die Dauer-Vollgas geben müssen und Männer, die die neue Konkurrenz skeptisch mustern - hier ist die Bundeswehr Spiegel der Gesellschaft. © imago images/rheinmainfoto
Von Julia Weigelt · 12.01.2021
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Der Frauenanteil in der Bundeswehr steigt nur langsam. Dafür gibt es Gründe: die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mangelnde Anerkennung gleicher Leistung, sexuelle Belästigung. Anfeindungen von Soldatinnen gibt es selbst auf Führungsebene.
"Ich finde, es läuft besser, als manch eine oder manch einer vermutet. Frauen sind akzeptiert in der Truppe und leisten verantwortungsvoll ihren Dienst," sagt die Wehrbeauftragte Eva Högl.
Wenn man dem glauben soll, scheint es keine Probleme zu geben. Ich habe trotzdem noch ein paar Soldatinnen gefragt, wie sie ihren Dienst denn so erleben. Und da zeichnet sich gerade beim Thema Akzeptanz leider ein ganz anderes Bild ab.
Etwa, wenn man Leutnant zur See Nariman Hammouti zuhört. Die Marineoffizierin ist seit 2005 Soldatin und erlebt zum Beispiel in Besprechungen immer wieder, dass ihre Kameraden sie nicht respektieren.
"Dann wird jeder mit Dienstgrad angesprochen. Herr Oberstleutnant, Herr Major, Herr Hauptfeldwebel, Herr Obermaat - Frau Hammouti."

Persönliche Anfeindungen

Hammouti sagt, sie habe sich ihren Dienstgrad hart erarbeitet und bei der Anrede denselben Respekt verdient wie männliche Kameraden. Manchmal sagen ihr sogenannte Kameraden allerdings ihre Ablehnung auch ganz direkt ins Gesicht, wie jüngst bei einem Bundeswehrempfang. Dort lief die Tochter marokkanischer Eltern auf dem Weg zu ihrem Tisch an einer Gruppe von Stabsoffizieren vorbei.
"Dann wurde ich da angehalten, 'Hier, Sie trinken auch mal was mit uns', und ich trinke keinen Alkohol, deswegen hab ich dann gesagt: 'Ich bin langweilig, ich trink nur Wasser.' Und dann ist es aus einem Stabsoffizier, einem Fregattenkapitän, herausgeplatzt: 'Ach Sie! Sie sind doch nur Offizier und Berufssoldat geworden, weil Sie eine Frau sind, Migrationshintergrund haben und Muslima sind. Wenn Sie jetzt noch eine Lesbe wären, würden Sie perfekt ins Beuteschema der Ministerin passen.'"
Eine mehr als unangemessene Reaktion auf den Wunsch des Verteidigungsministeriums nach mehr Vielfalt in den Streitkräften. Selbst die Wehrbeauftragte Eva Högl ist für einen Moment fassungslos, als sie die Geschichte hört.
"Das ist... ähm... so dass... da bleibt einem die Sprache weg, wenn man das hört. Dass im Jahr 2020 so eine öffentliche Äußerung von Führungspersonen gegenüber einer Frau überhaupt möglich sind. Das ist natürlich unglaublich."

Disziplinarrechtliche Ahndung und Fortbildungen

Högl fordert, dass solche Anfeindungen disziplinarrechtlich geahndet werden. Damit sich das Klima innerhalb der Truppe grundlegend bessert, sollten alle Führungskräfte verpflichtende Fortbildungen zum Thema Vielfalt besuchen. Denn Respekt könne nicht von Berlin aus befohlen werden.
"Das muss von der militärischen und politischen Führung wirklich ganz konsequent von oben bis unten gelebt werden: Gleichberechtigung ist ganz entscheidend für die Truppe. Und ich glaube, da ist noch viel zu tun, wenn ich mir so manche Äußerung anhöre."
Das könnte ein Grund dafür sein, warum der Frauenanteil in der Bundeswehr nur so langsam steigt. 2013 lag er im Heer bei sechs Prozent, bei der Luftwaffe bei sieben und bei der Marine bei neun Prozent. In den vergangenen sieben Jahren ist der Anteil der Frauen in jeder Teilstreitkraft nur um einen Prozentpunkt angewachsen.

Quote für Frauen in der Bundeswehr

Dabei gibt es sogar eine Quote: Im Sanitätsdienst liegt das Ziel bei 50 Prozent Soldatinnen, in den anderen Teilstreitkräften bei 15. Denn die Bundeswehr braucht dringend Frauen, um ihr Personalproblem in den Griff zu bekommen.
Doch als Frau in den Streitkräften zu dienen kostet Nerven. Zu diesem Schluss kommt sogar eine Studie des bundeswehreigenen Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften, die im Mai veröffentlicht wurde. Frauen hätten oft den Eindruck, 150 Prozent leisten zu müssen, um akzeptiert zu werden, heißt es dort.
Oberstabsgefreite Stefanie Bunzel kennt den rauen Umgangston beim Bund. Wenn Soldaten sie ohne Dienstgrad ansprechen, reagiert die Oberstabsgefreite abgebrüht: Sie lässt dann beim Gegenüber auch den Dienstgrad weg, was sofort auffalle.
Bunzel war ab 2003 bereits für drei Jahre Soldatin und ist seit 2016 wieder bei der Bundeswehr, diesmal als Leiterin eines Betreuungsbüros. Sie sagt, bei der Bundeswehr habe sich in den vergangenen Jahren vieles verbessert, vor allem bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu zählten Unterstützungsangebote wie das Familienbetreuungszentrum, der Bundeswehr-Sozialdienst und die Militärseelsorge.

Systematische Bevorzugung von Frauen?

Die Oberstabsgefreite rät Neueinsteigerinnen: "Wenn wir uns dafür entscheiden zur Bundeswehr zu gehen als Frau, dann muss man damit rechnen, dass es vielleicht nicht rund läuft, sondern ein bisschen kantig ist an manchen Stellen hier und da, aber dann nimmt man sich die Feile und schleift das ein bisschen ab und dann läuft das auch."
Damit machen sich Frauen allerdings nicht nur Freunde. Immer wieder erzählen Soldaten von ihrem Eindruck, Frauen würden bei der Bundeswehr systematisch bevorzugt. Manche Männer erleben also offensichtlich genau das Gegenteil von dem, was viele Frauen schildern.
Das Verteidigungsministerium weist diesen Vorwurf zurück. Denn das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz gelte für alle gleichermaßen. So komme der vermehrte Einsatz von mobilem Arbeiten, also Homeoffice, sowie der Ausbau der Kinderbetreuung allen Bundeswehrangehörigen zu Gute.
Auch die 2017 eingerichtete Ansprechstelle "Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr" stehe allen offen. Pro Jahr gehen dort laut Ministerium Eingaben im "unteren dreistelligen Bereich" ein. Unterschiedlich bewertet werden Männer und Frauen allerdings beim sogenannten Basis-Fitnesstest. Hier müssen zwar alle dieselben Mindestanforderungen erfüllen. Bei der Benotung erhalten Frauen allerdings für dieselbe Leistung mehr Punkte, um körperliche Unterschiede wie weniger Muskelmasse auszugleichen.

Situation hat sich in 15 Jahren kaum verändert

Maja Apelt forscht schon seit Jahren zur Chancengleichheit in den Streitkräften. Gerade interviewt die Professorin für Organisations- und Militärsoziologie Gleichstellungsbeauftragte der Bundeswehr.
Ihr Fazit: Die Themen, über die sich die Soldatinnen beschweren, haben sich in 15 Jahren kaum verändert. Meist gehe es um die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die mangelnde Anerkennung gleicher Leistung oder sexuelle Belästigung. Probleme, die mit der Einrichtung neuer Beschwerdestellen nicht komplett gelöst werden könnten, sagt Apelt. Betroffene könnten sich zwar dorthin wenden, "aber die Frage ist immer noch: Tut man es. Und welche Folgen hat das. Und ist das nicht dann am Ende doch zum Nachteil der Frauen, wenn sie sich beschweren."
Vorwürfe zur Bevorzugung von Frauen sind laut Apelt nicht belegbar. "Die Zahlen sagen das Gegenteil: Bei Übernahme zum Berufssoldaten werden Frauen nicht bevorzugt, das stimmt einfach nicht."
Frauen, die Dauer-Vollgas geben müssen und Männer, die die neue Konkurrenz skeptisch mustern - auch beim Thema Gleichstellung ist die Bundeswehr also das viel zitierte "Spiegelbild der Gesellschaft". Und gleichzeitig gibt es sie ja doch, Frauen und Männern in der Truppe, die sich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Dabei können sie sich auf ganz traditionelle soldatische Tugenden besinnen: Mut und Tapferkeit. Sie werden es brauchen.
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