100 Jahre Eva Perón

Die erste Pop-Ikone Lateinamerikas

Die argentinische Politikerin Eva Perón winkt in Buenos Aires von einem Balkon den Menschanmassen zu.
Geliebt, verehrt, verhasst: Eva Perón, argentinische Politikerin und Präsidentengattin. © imago images / ZUMA/Keystone
Von Peter B. Schumann · 07.05.2019
First Lady, Pop-Ikone und Kämpferin für die Armen: Noch heute wird Eva Perón in Argentinien von manchen verehrt wie eine Heilige. Die Gattin von Präsident Juan Perón starb 1952 im Alter von nur 33 Jahren. Heute hätte sie ihren 100. Geburtstag gefeiert.
Der Weltstar Madonna als Eva Perón, dem Politstar ihrer Zeit. Beide Frauen haben es geschafft, in männerbesetzten Gesellschaften eigene Herrschaftsbereiche aufzubauen: die eine in der Musik, die andere in der Politik.
Eva Perón ist sogar zur mächtigsten Frau Argentiniens aufgestiegen, vergöttert von den Massen, gehasst von der Bourgeoisie. Die Machtelite aus Kapital und Militär verachtete sie wegen ihrer Herkunft aus einer Familie von fünf unehelichen Kindern, in die sie am 7. Mai 1919 hineingeboren wurde
Doch noch anstößiger empfanden diese Kreise ihren späteren Lebenswandel als junge, attraktive Frau, die sich zu behaupten wusste: zuerst als Model und dann als eine durchaus erfolgreiche Schauspielerin. Deshalb sieht der Schriftsteller Tomás Eloy Martínez, einer ihrer wichtigsten Biografen, für ihre gesellschaftliche Ausgrenzung nicht den geringsten Grund:
"Evita hat sich nie prostituiert, sondern alles unternommen, um in einer äußerst machistischen und feindseligen Stadt zu überleben. Wo immer eine Frau wie sie Arbeit suchte, musste sie dafür ein sexuelles 'Entgelt' entrichten. Sie hat sich mit Zähnen und Klauen gegen die Widrigkeiten ihres Lebens gewehrt und versucht voranzukommen."
Auf einer Wohltätigkeitveranstaltung lernte sie 1944 Arbeitsminister Juan Domingo Perón kennen. Ein Jahr später heirateten sie, und die inzwischen 26-Jährige wurde endlich gesellschaftlich anerkannt. Doch gewisse Vorurteile wurde sie zeitlebens nicht los.
Als Perón 1946 zum Präsidenten Argentiniens gewählt wurde, hätte sie normalerweise als First Lady den Vorsitz der erlauchten "Gesellschaft für Wohltätigkeiten" übernehmen müssen. Die 87 verantwortlichen Damen lehnten sie jedoch wegen ihrer "zweifelhaften Vergangenheit" ab. Deshalb gründete sie mit der Eva-Perón-Stiftung ein eigenes caritatives Unternehmen zur Versorgung von Waisenkindern und mittellosen Frauen.

Die "Hemdlosen" wichtigste Zielgruppe

Ihr gesellschaftliches Engagement fügte sich nahtlos in das Programm der Sozialreformen ein, das Perón als Arbeitsminister begonnen hat und mit dem er entscheidend die Lage der Arbeiterklasse und der verarmten Bevölkerung, der so genannten Descamisados, der "Hemdlosen" verbesserte.
Sie waren auch für Eva Perón die wichtigste Zielgruppe - zusammen mit den ebenfalls unterprivilegierten Frauen. Innerhalb der Peronistischen Partei gründete sie alsbald eine Frauenorganisation und sorgte dafür, dass 1951 Frauen bei den Präsidentschaftswahlen erstmals in der argentinischen Geschichte wählen konnten. Für Perón wurde sie zur Verkörperung seines Sozialprogramms. Ein Auszug aus einem ihrer letzten öffentlichen Auftritte:
"Genossen, bleibt wachsam, denn der Feind liegt auf der Lauer. Er wird es niemals hinnehmen, dass ein Mann guten Willens wie General Perón sich für das Wohl seines Volkes einsetzt. Die vaterlandslosen Gesellen im Innern, die sich für vier Silberlinge verkaufen, warten nur darauf, einen Staatsstreich anzuzetteln. Und ich weiß: solange das Volk wachsam bleibt, sind wir unbesiegbar."

"Eine quasi faschistische Neigung"

Eva Peróns Bild schwankt in der Geschichte. In Argentinien erreichte sie zeitweise Heiligenstatus, Santa Evita. Doch darüber darf nicht vergessen werden, dass sie ein autoritäres Regiment führte, keinen Widerspruch und schon gar keine Gegner duldete. Ihr Biograf Tomás Eloy Martínez hat die beiden Seiten ihres Wesens so zusammengefasst:
"Eva hat für mich auch sehr negative Aspekte: Intoleranz, Fanatismus, Gewalt, eine quasi faschistische Neigung. Aber andererseits empfinde ich Hochachtung für ihre Aufrichtigkeit und für ihren Glauben an eine Sache, die sie für gerecht hielt und die es tatsächlich war."
Ihre letzte Zeit war geprägt von einer unheilbaren Krebskrankheit. Dennoch versuchte sie bis zuletzt, ihren sozialen Verpflichtungen nachzukommen und Perón zu unterstützen.
Nach ihrem Tod mit 33 Jahren stieg sie zur Pop-Ikone auf: verherrlicht auf Bierdeckeln und Halstüchern, in zahllosen Songs und Theaterstücken, von vielen Autoren kritisch unter die Lupe genommen oder ins strahlende Licht getaucht und auf die schönste, ihr angemessen pathetische Weise verewigt in dem Filmmusical "Evita".
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