100 Jahre Copyright im HKW

Copyright: Eine Frage des Geldes

Mad Professor
Jamaika war massiv vertreten auf dem Festival - u. a. von Mad Professor. © © Promo / Haus der Kulturen der Welt
Von Laf Überland · 21.10.2018
Mit dem Aufkommen der Massenmedien kam die Frage des Copyrights auf: Wem gehört die Musik und wo darf sie wann gespielt werden? 100 Jahre ist das Copyright nun alt. Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin hat dazu ein viertägiges Festival veranstaltet.
Copyright, Copywrong, Copyleft...
Es ist kaum zu fassen, das Copyright, und es ist so absurd wie widersprüchlich - wie in dieser Geschichte, die der Urheberrechtsforscher Aram Sinnreich aus Washington bei einem der nachmittäglichen Vorträge erzählte: von diesem DJ, dem von der Public-Relations-Abteilung einer Plattenfirma Stücke zur Verfügung gestellt wurden, damit er sie zu Reklamezwecken in seinem neuen Mixtape verarbeiten sollte, woraufhin ihn die Rechtsabteilung derselben Plattenfirma dann wegen Copyrights-Verletzung verklagte.
Und es sind immer mehr die Rechtsabteilungen, die die Entwicklung unserer Popkultur bestimmen.

Beim Copyright gewinnt, wer die teureren Anwälte hat

Was kein Wunder ist, wie Sinnreich weiß, denn das Gesetz ist ein Machtinstrument und das Copyright tendiert dazu, dass der gewinnt, der die teureren Anwälte hat:
"Ultimately the law is a system of power, and the law does not work equally for everybody. Notoriously in a case of copyright law, whoever has the more expensive lawyers tends to win the copyright case."
Popmusik ist voll integriert in den Kapitalmarkt. Und so prallt bei den Copyright-Auseinandersetzungen immer die Perspektive der Investoren auf die Perspektive der Kreativen. Im Copyright spiegelt sich die Weltsicht der Gesetzgeber und es ist bei allen marginalen Unterschieden ein Gesetz, das nur in der westlichen Kultur wirklich funktionieren könnte.

Massiv vertreten: die Reggae-Dancehall-Szene von Jamaika

Massiv vertreten war deshalb sowohl bei den Konzerten als auch bei den Panels die Reggae-Dancehall-Szene von Jamaika, weil sie wahrscheinlich die erste war, die ab 1960 das Musikklauen routinemäßig betrieb, weil nämlich jeder auf den Instrumental-Tracks von anderen toastet (also rappt), was copyright-mäßig gar nicht zu erfassen ist.
Und überall problematisch ist die Geschichte, seitdem jeder Musiker mit einem Computer kleine Schnipsel von fremden Stücken in seine Musik einbauen kann – per Mausklick.

Durchaus passend zu der überwältigenden Fülle der Themen und Thesen ums Copyright eröffnete dann das dänische Projekt "Den Sorte Skole" die Konzertreihe: Die Musik der beiden Tüftler besteht zu 97 Prozent aus Samples. Am Eingang kann man sich vier DIN A4-Seiten mit den unglaublich verschiedenartigen Samples der folgenden eineinhalb Stunden geben lassen.
Das dänische Sampling-Duo Den Sorte Skole
Das dänische Sampling-Duo Den Sorte Skole eröffnete das Festival.© Kristoffer Juel Poulsen
Schlagwerk aus Thailand trifft auf Stockhausen trifft auf obskuren Dancefloor, europäische Klassik und indonesischen Jazz – zusammengeglitcht zu erschütternden Soundbergen, illuminiert mit grafischen 3D-Hologrammen, Lasern und gespenstischen Lichtsäulen. Das war die maximale Überwältigung, als wäre Dante mit seinem Inferno in der Welt des Blade Runner gelandet.

Völlig neue Handlungsabläufe und Gefühlszusammenhänge

Eine sanftere und herzlichere Art, ausschließlich Samples zu verarbeiten, präsentierte die Multimediakünstlerin Vicki Bennett: Unter dem Namen "People Like Us" hat sie Hunderte von Filmen zerschnitten, bearbeitet und gemixt – getrennt auf der Bild- und der Tonebene. Aus Fantasy-Blockbustern und Noir-Perlen, Familienserien und Zeichentrickklassikern entstehen so völlig neue Handlungsabläufe und völlig neue Gefühlszusammenhänge, hin- und hergerissen zwischen den Quellen und den Verfremdungen.
Zwar geht es – theoretisch – dabei um Reflexion und Projektion, aber Vicki Bennett mischt alles äußerst sinnlich und typisch englisch mit subtil schwarzem Humor und Sentimentalität.
Neuerdings soll das Copyright übrigens neben Noten und Rhythmus sogar den Klang eines Stückes schützen können. Das träfe dann die Soundalikes: Das sind nachkomponierte Stücke, die so ähnlich klingen wie berühmte Originale. Die Werbung verwendet so was, um Tantiemen für Großkünstler zu sparen, und Musiker, um auf einer Welle mitzuschwimmen.

Diese spezielle Kompositionsmethode führten die Jungs um den musikalischen Leichtfuß Ekki Maas von der deutschen Band Erdmöbel vor – im lustigsten, verblüffendsten und frechsten Auftritt des Festivals: Der Musiker hat nämlich das Sgt-Pepper-Album von den Beatles nachempfunden, ohne es nachzuspielen oder die Originalkomposition zu bearbeiten.
Ekki Maas
Ekki Maas spielte mit den Grenzen der Ähnlichkeit: Er imitierte das Sgt.-Pepper-Album der Beatles, ohne es nachzuspielen.© © Promo / Haus der Kulturen der Welt
Ekki Maas: "Ja, da sind natürlich Sachen so ähnlich arrangiert zum Beispiel, oder wir haben gleiche Gitarrensounds benutzt oder gleiche Gitarrentricks. Das sind ja sehr typische Sachen, die eben nur in dieser Zeit benutzt wurden." Und natürlich hört jeder, der das alte Album kennt, sofort, was hier gespielt wird.
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