Zweifelhafte Verwertung

Wie aus Kaffeeabfällen Geld gemacht wird

Kaffeekirschen auf einer Kaffeefarm im Süden von Kolumbien.
Kaffeekirschen auf einer Kaffeefarm im Süden von Kolumbien. © picture alliance / dpa / Mika Schmidt
20.11.2015
Bei der Kaffeeernte bleibt jede Menge Abfall übrig. Kaffeekirschen gelten aber als schwer bekömmlich, meint Udo Pollmer. Umso mehr wundert ihn, dass Food-Designer plötzlich Tee daraus entwickeln und sogar "Kotkaffee" angeboten wird.
Schalen sind Abfall. Doch findigen Köpfen gelang es immer wieder, daraus Nutzen zu ziehen. Aus Zitrusschalen beispielsweise wird Pektin für Konfitüren gewonnen, die Schalenöle dienen zur Beduftung von Putzmitteln. Da aber viel mehr Schalen anfallen, als Obstverarbeiter und Putzmittelhersteller je verwenden könnten, wird der größte Teil an Rinder verfüttert. Ihre Pansenflora kann das verdauen und so erhalten wir Milch, Käse und Steaks.
So verfährt man mit vielen Reststoffen der Obst- und Gemüseindustrie. Besonders viel Abfall entsteht bei der Kaffeeernte. Kaffeebohnen sind keine Bohnen, sondern die Kerne der roten Kaffeekirsche. Hier fallen nicht nur die Schalen an, sondern jede Menge Fruchtfleisch. Als Futtermittel taugen die süßen Früchtchen leider nicht. Die vielen Polyphenole bremsen die Verdauung.
Bei einer Futterzulage von 30 Prozent krepieren viele Nutztiere, vor allem Geflügel und Schweine. Lediglich Milchvieh kann dank seiner Pansenflora eine geringe Zulage sinnvoll verwerten.
Food-Designer entdecken Kaffeekirschen
Deshalb werden die meisten Kaffeekirschen kompostiert und als Dünger wieder in den Plantagen ausgebracht. Eben diese Kompostberge haben es den Food-Designern angetan. Wenn Hühner und Schweine von dem Zeug krepieren, könnte man es ja als Functional Food zur Gesundheitsförderung verkaufen. Schließlich, so die Ernährungsexperten, würde die Kaffeekirsche nur so strotzen vor vielversprechenden Inhaltsstoffen. Gesagt – getan.
In Südostasien und den USA haben sich Kaffeekirschen-Produkte bereits zum Kassenschlager gemausert. Nun soll auch überschüssige Kaufkraft in Europa abgeschöpft werden.
Erfolgreiche Kaffeekirschen-Superdrinks enthalten natürlich kaum Kaffeekirschen. Sie bestehen vorzugsweise aus Ananas- und Apfelsaftkonzentrat, viel Wasser, etwas Säure, Aroma und Süßstoff. Zusammen mit einem bescheidenen Zusatz eines nicht näher definierten "Kaffeekirschenextraktes" entsteht eine Art Limonade, die, weil Functional Food, zumindest das Gewissen beruhigt.
Wie Kamelmist – mit Kardamom verfeinert
Eine Gesundheitsmär allein genügt nicht für eine erfolgreiche Markteinführung, neue Produkte brauchen auch eine herzige Marketingmär. So erfahren wir von traditionellen Getränken, die im Jemen und anderen Kaffeeanbauländern als Spezialität genossen würden. Ja, es gibt dort "Tees" mit getrockneten Kaffeekirschen, ein billiger Ersatz für Bohnenkaffee, da in den Resten noch ein wenig Coffein steckt.
Damit man die Plörre auch runterkriegt, wird sie kräftig gewürzt. Mit gleichem kulinarischen Ergebnis könnte man auch Kamelmist überbrühen und den Aufguss mit Kardamom verfeinern.
Neben den Food Designern haben auch andere Lebewesen ein Näschen für die Kaffeekirsche. Manche Wildtiere Asiens haben die Früchte zum Fressen gern, sie können die Abwehrstoffe im Fruchtfleisch entgiften. Die Bohnen werden mit einem Dunghaufen andernorts wieder ausgeschieden. Auf diese Weise verbreitet sich der Kaffeestrauch.
Exotischer Kotkaffee
Unter seinen Verehrern nimmt der Fleckenmusang, eine Schleichkatze, die aussieht wie eine Kreuzung aus Wiesel und Katze, eine Sonderstellung ein. Sein Kot wird von den Einheimischen eifrig gesammelt und der Kaffee herausgepult. Die Verdauungssäfte des Musangs bewirken, dass die Bohnen nach dem Rösten besser munden. Es wird vermutet, dass dabei bittere Eiweiße in der Bohne abgebaut werden.
Der exotische Kotkaffee, er heißt Kopi Luwak, erzielt auch exotische Preise. Also wurden die Fleckenmusangs gefangen, in Käfige gesperrt und mit Kaffeekirschen gefüttert. Leider sind die Tiere recht klein, was natürlich einen geringen "Output" bedeutet. Also suchten findige Kaffeehändler nach leistungsfähigeren Produzenten. Heute wird die Nachfrage zunehmend von Elefanten befriedigt. Es rechnet sich, wenn Dickhäuter ihre Geschäfte mit Kaffeebohnen verrichten. Wo sonst, wenn nicht hier, passt das römische Zitat: Non olet! Geld stinkt nicht.
So bietet der Kaffeestrauch jedem etwas: Der Gesundheitsbewusste trinkt Kaffeekirschentee, der Feinschmecker was Leckeres vom Elefanten, und der Vernünftige bleibt bei seinem gewohnten Espresso. Mahlzeit!
Literatur
Watson E: Ex-POM exec: Coffee fruit is the next big thing in functional foods, beverages. Foodnavigator 4. Nov. 2015
Pandey A et al: Biotechnological potential of coffee pulp and coffee husk for bioprocesses. Biochemical Engineering Journal 2000; 6: 153-162
Bressani R: Antiphysiological factors in coffee pulp. In: Coffee Pulp: Composition, Technology, and Utilization. INCAP, IDRC-108e Ottawa 1979
Jumhawan U et al: Selection of discriminant markers for authentication of Asian palm civet coffee (Kopi Luwak): a metabolomics approach. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2013; 61: 7994−8001
Kwok J: The world's most expensive coffee is a cruel cynical scam. Time Online 2. Oct. 2013
Wild T: Civet coffee: why it's time to cut the crap. The Guardian Online 13. Sep 2013
Archambault C: Du café extrait de bouses d'éléphants thaïlandais vendu à prix d'or. LaDepeche Online 10. Jun 2015
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