Zweifelhafte Studien

Krebs durch Fast Food?

Eine Frau beißt in einen Cheeseburger.
Dass Fast Food gefährlich ist, lässt sich nicht wirklich anhand der beiden Studien belegen. © imago/ imagebroker
Von Udo Pollmer · 09.03.2018
Fast Food wie Hamburger, Pommes und Pizza schädigt das Immunsystem und erhöht das Krebsrisiko - das zumindest behaupten zwei neue Studien. Doch angesichts der gravierenden Mängel dieser Untersuchungen wäre ein Blick in die Glaskugel nicht weniger fundiert, meint Udo Pollmer.
Zwei sensationelle Studien lassen aufhorchen. Unisono berichten unsere Medien, Fast Food schädige das Immunsystem. Es rufe Entzündungen wie bei einem schweren Infekt hervor, die schließlich zu Herzinfarkt und Diabetes führen. Zu allem Überfluss verursache Fertigkost Krebs. Das muss auf den Prüfstand!
Die erste Studie wurde mit Mäusen durchgeführt. Die armen Tiere litten durch ihr ungesundes Futter an schweren Entzündungen, die selbst nach Absetzen der brisanten Kost nicht abklingen wollten. Nach Angaben der Forscher ein klarer Beleg dafür, dass Fast Food für die Entstehung einschlägiger Zivilisationskrankheiten verantwortlich sei. Das ist heftig - und vor allem überraschend.

Krank durch Spezialfutter

Denn mit Speck fängt man Mäuse! Die kleinen Nager lieben Fast Food wie Brötchen, Buletten, Käse und Pommes über alles. Würden die vernichtenden Ergebnisse der Realität entsprechen, hätten die Tierchen von sich aus die Speisekammern des Menschen gemieden, ihre Nachfahren würden sich gewiss nicht in den städtischen Grünanlagen von weggeworfenen Pizzaresten nähren. Das stolze Mäusevolk wäre längst mausetot, eine Bekämpfung überflüssig. Aber die Nager haben sich fröhlich weitervermehrt und ihre Brut an das ungesunde menschliche Essen herangeführt.
Was also bekamen die Mäuse in besagter Studie wirklich zu fressen? Etwa Hamburger, Pommes, Pizza und dazu eine Cola? Nichts dergleichen. Sondern TD.88137. Nie gehört? Das ist das Codewort für ein Spezialfutter, das dazu dient, Labormäuse krank zu machen. TD.88137 enthält unter anderem D/L-Methionin - ein Produkt das Entzündungen fördert. Dazu kommt eine Extraportion Cholesterin. Verfüttert man dies an sogenannte Knock-Out-Mäuse, denen der Fettstoffwechsel züchterisch ruiniert wurde, erkranken sie zuverlässig in der beschriebenen Weise. Genau solche Mäuse wurden in der Studie verwendet. Das Ergebnis hat mit Fast Food nichts zu tun.
Wenden wir unser Haupt ab und der eingangs erwähnten Krebsstudie zu. Sie punktet mit einer Teilnehmerzahl von gut 100.000 Personen, die etwa fünf Jahre lang beobachtet wurden. Laut Studie ließen je zehn Prozent industrielle Fertigkost die Brustkrebsrate um satte elf Prozent ansteigen. Macht bei einer Ernährung ausschließlich aus Tütensuppen, Tiefkühlpizzen und Co eine Krebsrate von famosen 110 Prozent. In absoluten Zahlen ausgedrückt liegt der korrekte Wert jedoch nur bei zwei Promille pro pro Prozent Fertigkost. Statistisch sind diese Daten nicht gerade vertrauenswürdig.
Bei der Prostata wollte es den Autoren nicht gelingen, einen Zusammenhang zwischen stark verarbeiteter Kost und Krebs zu finden. Das dürfte einen einfachen Grund haben: Die Teilnehmer waren zu etwa 80 Prozent ernährungsaffine Damen, die sich freiwillig gemeldet hatten.

Daten auf wackligen Füßen

Noch windiger sind die Daten zur Ernährung. Alle sechs Monate sollten die TeilnehmerInnen im Internet einen Fragebogen beantworten. Erfahrungsgemäß wird beim Ausfüllen gemogelt. Daraus "errechneten" die Forscher dann die Aufnahme von Fett, Salz, Zucker usw., - ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit, weil niemand die tatsächliche Zusammensetzung und verzehrte Menge in Kantine oder Restaurant kennt. Bei selbstzubereiteten Speisen seien die Nährwerte von "erfahrenen" Ernährungsberaterinnen kalkuliert worden. In jedem Haushalt wird selbst ein simples Käsebaguette anders zubereitet, mal mit viel Butter, mal ohne, mal mit fettem, mal mit magerem Käse, hier gut belegt, dort bescheiden. Der eine isst kleine Stücke, der andere vertilgt eine große Portion.
Eine Glaskugel liefert keine schlechteren Daten als diese Art von "Ernährungswissenschaft". Hier gilt: Garbage in – garbage out. Als der Phantasie-Konsum von Salz, Zucker und Fett mit der spekulativen Krebsrate in Beziehung gesetzt wurde, fand sich keinerlei Einfluss. Wie denn auch? Die Autoren verweisen in ihrer Erklärungsnot auf hypothetische Krebsgefahren durch Verpackungen.
Würde die Lebensmittelindustrie ihre Produkte so panschen wie Ernährungsforscher solche Studien, dann würde mancher wohl lieber spucken, als diesen hanebüchenen Mist zu schlucken. Mahlzeit!

Literatur:
Christ A et al: Western diet triggers NLRP3-dependent innate immune reprogramming. Cell 2018; 172, 162–175
Fiolet T et al: Consumption of ultra-processed foods and cancer risk: results from NutriNet-Santé prospective cohort. BMJ 2018; 360: k322
Envigo, Madison: Teklad Custom Diets: TD.88137. Data sheet
Bieghs V et al: LDL Receptor knock-out mice are a physiological model particularly vulnerable to study the onset of inflammation in non-alcoholic fatty liver disease. PLoS ONE 2012; 7: e30668
Aissa AF et al: Methionine concentration in the diet has tissue-specific effect on chromosomal stability in female mice. Food & Chemical Toxicology 2013; 62: 456-462
Aissa AF et al: Methionine-supplemented diet affects the expression of cardiovascular disease-related genes and increases inflammatory cytokines in mice heart and liver. Journal of Toxicology & Environmental Health A 2017; 80: 1116-1128
Anon: Neue Studie: Fertig-Lebensmittel steigern das Krebsrisiko. berliner-zeitung.de vom 16. Feb. 2018
Anon: Ultra-verarbeitete Fertiglebensmittel sind ein großes Krebsrisiko. Heilpraxisnet.de vom 17. Feb. 2018
Universität Bonn: Fastfood macht Immunsystem langfristig aggressiver. Pressemitteilung vom 11. Jan. 2018
Anon: Langfristiger Effekt: Fastfood macht Immunsystem aggressiver. Ärzte Zeitung online, 16.01.2018
Weber N: Ernährungsstudie: Steigern stark verarbeitete Lebensmittel das Krebsrisiko? Spiegel Online vom 16. Feb 2018