Zwei französische Stars

Von Jörg Taszman · 13.02.2012
Juliette Binoche und Léa Seydoux gehören zu den weiblichen Stars der Berlinale. Beide verkörpern zwei unterschiedliche Generationen mit einer Gemeinsamkeit: Sie drehen abwechselnd in Frankreich und im Ausland.
Sie gehören zu den weiblichen Stars der Berlinale, die Französinnen Juliette Binoche und Léa Seydoux. Beide verkörpern zwei unterschiedliche Generationen mit einer Gemeinsamkeit. Sie drehen abwechselnd in Frankreich und im Ausland.

Léa Seydoux konnte man hier gleich in zwei Filmen sehen, im Eröffnungsfilm "Lebewohl meine Königin" und im Schweizer Beitrag "L’enfant d’en haut". Juliette Binoche zeigte ihren neuen Film "Elles" im Panorama.

Sie kommt fast 20 Minuten zu spät, strahlt entwaffnend und entschuldigt sich. Juliette Binoche ist gut gelaunt, lacht ihr einmaliges Lachen und hat offensichtlich Spaß. Bereitwillig lässt sie sich über ihre Arbeit ausfragen, meint aber amüsiert, "obwohl ihr Journalisten viel zu persönliche Fragen stellt, beantworte ich sie meist doch".

In ihrem neuen Film spielt sie übrigens selber eine Journalistin, die junge Studentinnen in Paris interviewt, die mit betuchten, älteren Männern für viel Geld Sex haben, auch um sich einen luxuriösen Lebensstil zu ermöglichen. Der Film ist eine polnisch, deutsch-französische Koproduktion. Das ist kein Zufall im Oeuvre der Binoche.

Juliette Binoche: "”Das liegt an meinem Bedürfnis mit anderen, neuen Leute in Kontakt zu treten. Mich fasziniert die Seele, die weit entfernt ist. Ich frage mich, was dort drüben geschieht. Ich fühle mich einem Regisseur wie Hou Hsiao-Hsien sehr nahe, der auf der anderen Seite des Globus lebt . Die Distanz ist nicht immer dort, wo man die vermutet.

Ich fühle ich manchmal sehr fremd, wenn es um Filme aus meinem eigenen Land geht. Ich habe jetzt Glück. Ich kann die Regisseure ansprechen, die ich bewundere und kann sie fragen, ob sie mit mir drehen wollen egal ob in Frankreich oder irgendwo anders.""

Das macht sie auch - und zwar immer öfter. Sie fühlt sich dann wie im Falle ihrer Zusammenarbeit mit dem Iraner Abbas Kiarostami wie eine Schauspielerin-Produzentin. Ihr Name garantiert einigen Filmemachern die Finanzierung. Juliette Binoche möchte sich so, ihren eigenen Weg als Künstlerin selber schaffen.

Genau aus diesem Grund wollte sie auch nie in die USA gehen. In ihrem neuen Film "Elles" der unter dem deutschen Titel "Ein besseres Leben" Ende März in die deutschen Kinos kommt, drehte die Binoche nun unter der Regie der jungen polnischen Regisseurin Malgosa Szumowska. Zu Polen hat Juliette Binoche ein besonderes Verhältnis.

Juliette Binoche: "”Meine Mutter war Polin und ihr Vater wurde in Polen geboren, hatte jedoch französische Eltern. Ich war eigentlich in China auf meiner Tanztournee und ging eines Abends mit Slawomir Idziak essen, dem polnischen Kameramann von "Drei Farben Blau" von Kieslowski. Ich fragte ihn nach der Situation in Polen, ob es neue, vielversprechende Regisseure gäbe, weil ja Wajda, Polanski oder Zulawski doch einer älteren Generatin angehören. Und er sagte sofort Malgoska Szumowska. Das merkte ich mir und einige Wochen später bekam ich ein Drehbuch von ihr und sie hatte an mich gedacht.""

Juliette Binoche traf sich sofort mit der polnischen Filmemacherin, weil ihr das Projekt gefiel. Seitdem hat sie auch mit dem Kanadier David Cronenberg gedreht und in zwei Wochen fängt sie dann in Frankreich den neuen Film von Bruno Dumont an. Dieser ständige Wechsel zwischen den Sprachen und Kulturen treibt Juliette Binoche an, die sich auch im Englischen beim Interview wohl fühlt.

Ganz anders ist das bei ihrer 20 Jahre jüngeren französischen Kollegin Léa Seydoux, die den Ehrgeiz hat auf Englisch Interviews zu geben, aber sichtlich mit der Sprache kämpft. Dadurch wirken ihre Antworten fast ein wenig auswendig gelernt und nicht immer sehr ausgefeilt, wenn sie beispielsweise erklärt, warum sie abwechselnd Filme in Frankreich und mit amerikanischen Regisseuren dreht.

Léa Seydoux: "Wissen sie ich sehe das Kino als eine globale Sprache. Für mich ist es egal ob es auf Englisch oder Französisch ist. Ich habe ja auch mit Amos Gitai gedreht , er ist Israeli oder Jessica Hausner einer Österreicherin, sowie Jamshed Usmonow einem tadschikischen Regisseur. In dieser globalen Sprache des Kinos gibt es verschiedene Dialekte. Das ist dann für mich kohärent."

Es ist nicht uncharmant, wenn die junge Französin immer wieder nach den englischen Worten sucht, ihre neben ihr sitzende Agentin ihr dabei sehr geduldig und professionell aushilft. Und doch wünschte man der 26 Jährigen einfach, sie würde wie viele französische Stars in Interviews lieber Französisch sprechen und sich dann übersetzten zu lassen. Es ist fast ein falsch verstandener Professionalismus, Englisch reden zu müssen, der sie antreibt.

Dabei wirkt sie wirklich sympathisch, sitzt völlig ungeschminkt, erkältet mit zwei Cappucinos bewaffnet im Hotelzimmer, wo sie geduldig Interviews gibt. Léa Seydoux gehört zu den Schauspielerinnen, die ein Gesicht haben, das ihren Regisseuren als Projektionsfläche dient. Sie kann ebenso schüchtern, wie unreif, besessen oder bösartig, schmollend naiv oder durchtrieben lasziv sein.

Wirklich reflektieren über ihre Rollen kann sie allerdings nicht. Aber wenn Regisseure wie Woody Allen, oder auch Quentin Tarrantino mit ihr drehen, wissen sie auch warum. In "Inglourious Basterds" hatte Léa Seydoux nur eine kleine Rolle zu Beginn. Vom Amerikaner war sie sehr beeindruckt

Léa Seydoux: "Ich war wirklich sehr schüchtern, aber es ist da etwas, das ich an amerikanischen Filmen sehr mag. Man kann sehr starke Charaktere verkörpern, mit Akzenten spielen und sich wirklich ausdrücken. In Frankreich ist das eher intimer, zurückhaltender."

Léa Seydoux und Juliette Binoche stehen beide für eine Tendenz des französischen Kinos, sich zu internationalisieren und Sprachbarrieren zu überwinden. Auf der Berlinale sind sie beide in französischsprachigen Produktionen zu sehen und geben - wie gehört - die Interviews auf Englisch. Auch das ist ein Paradox in der globalisierten Filmwelt.


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