Zwei Bücher zum Klimawandel

Einfache Rezepte gegen die Erderwärmung

Arbeiter installieren Solarzellen auf einem Dach, aufgenommen am 06.03.2012 in Igersheim.
Dokumentarfilmer Carl-A. Fechner möchte Mut machen und erzählt von Dingen, die sich von einzelnen umsetzen lassen - wie Solarpanels auf den Hausdächern. © dpa picture alliance / Daniel Kalker
Von Susanne Billig · 14.07.2018
Die Antwort auf den Klimawandel kann ganz einfach sein: Wir müssen uns komplett von Öl, Gas und Kohle verabschieden. Warum fällt uns das so schwer? Zwei Klimabücher geben sehr unterschiedliche Antworten auf das wohl drängendste Problem der Gegenwart.
Das hört sich doch einfach an: "Null Öl. Null Gas. Null Kohle." – so heißt das Buch des Schweizer Umweltjournalisten Marcel Hänggi. Er betont darin, dass sich das Klimaproblem im Prinzip sehr einfach lösen lasse – wir dürfen "nur" keinen fossilen Kohlenstoff mehr verbrennen. Der muss stattdessen genau da bleiben, wo er seit Hunderten von Millionen Jahren liegt: im Boden. Das ist tatsächlich einfach, aber deswegen nicht leicht. Denn in Sachen Klima, argumentiert Hänggi, seien sowohl die Sachlage als auch die Frage nach den richtigen politischen Instrumenten sehr komplex.

Die Klimaforschung wird gezielt angezweifelt

Die Sachlage: Erstens gibt es neben CO2 auch andere Gase, die den Treibhauseffekt verstärken – Methan, Lachgas, synthetische Gase. Zweitens gibt es auch andere CO2-Quellen als die Verbrennung fossilen Kohlenstoffs – Abholzung, Bodenzerstörung, Zementproduktion. Drittens würde die Erderwärmung auch nach einem sofortigen Stopp nicht sofort aufhören, denn die Gase, die bereits in der Atmosphäre sind, wirken weiter. Deshalb muss man sich jetzt schon mit Fragen wie Opferentschädigung, Flüchtlingswellen auseinandersetzen. Und schließlich hängen Industrieländer nicht nur wirtschaftlich an den fossilen Energieträgern, sondern auch kulturell. Weil die viele fossile Energie uns Wohlstand beschert hat, außerdem Menschenrechte, Demokratie, individuelle Freiheiten. Wie wollen wir das erhalten, wenn wir uns nun gleichzeitig einschränken und Maß halten müssen?
Die politischen Instrumente: Schon das EU-Handelssystem mit CO2-Emissionsrechten sei das komplexeste Umweltregelwerk aller Zeiten. Dazu kommen das Pariser Klimaabkommen sowie Innovationsförderungsprogramme, steuerliche Anreize und jede Menge Subventionen für alles Mögliche, das der Energiewende und dem Klima helfen soll. Alles im Detail zu durchschauen, zu kritisieren, zu verbessern – das mache die politische Arbeit gegen den Klimawandel so kompliziert. Und dazu kommen jene Akteure, die Hänggi als "Händler des Zweifels" bezeichnet: Antiwissenschaftliche Netzwerke, die von großen Energiekonzernen unterstützt werden – ähnlich wie das die Tabakindustrie früher getan hat – und die die menschengemachte Erwärmung anzweifeln. Und Zweifel lassen sich leicht säen. Man braucht dazu nicht einmal gute Argumente.

Auch "Geo-Engineering" sei keine Lösung

Auch von technischen Visionen wie der vom "Geo-Engineering" hält Hänggi wenig. Die Hoffnung, wir könnten einfach weitermachen wie bisher und danach das ganze CO2 mit einer kommenden Supertechnik wieder aus der Luft sammeln und es im Meer oder tief in der Erde versenken – diese Hoffnung sei eine Illusion. Für den Autor lenkt sie davon ab, was er notwendig nennt: vollständiger Verzicht auf Öl, Gas, Kohle.
Während Hänggi in seinem Buch die Details beleuchtet und analysiert, geht der Journalist und Dokumentarfilmer Carl-A. Fechner in seinem Buch "Power to Change" anders vor. Er will optimistisch stimmen, er will positive Visionen vermitteln und Mutmacher-Geschichten erzählen.
Und darum erzählt Fechner von vielen Dingen, die sich von einzelnen oder von Gemeinden umsetzen lassen: eine dezentrale Energieversorgung, Blockheizkraftwerke, Solarpanels auf den Hausdächern, bessere Isolierung an den Häusern. Jeder könne problemlos zu einem guten Ökostromanbieter wechseln, mit dem Zug und nicht mit dem Flugzeug verreisen, notfalls Elektroauto fahren, weniger oder kein Fleisch essen – und andere Menschen mitziehen, mitbegeistern. "Wir sind keine Ökospinner", ruft Fechner in diesem Buch, "wir bilden die neue Mitte der Gesellschaft".

Totalverbot von Öl, Gas und Kohle ab 2050?

Auch Hänggi entwickelt Lösungsvorschläge – er allerdings hält wenig von individuellen Lösungen. Er setzt auf eine radikale politische Wende: Hänggi fordert, ab dem Jahr 2050 sowohl Öl, Kohle als auch Gas vollständig zu verbieten und bis dahin kluge Übergangsbestimmungen einzuführen. Diese sollten sich ausschließlich damit befassen, wie die Brennstoffe schrittweise vom Markt genommen werden. Die notwendigen technischen Ideen, wie man mit dieser Drosselung weiterhin gut leben kann – die kommen dann schon von allein, meint Hänggi.
Und dann hat er doch auch noch eine Regel für jeden einzelnen parat: Jeder Mensch solle ein persönliches Kohlenstoffbudget erhalten. Das darf man noch verbrauchen – mehr nicht.
Carl-A. Fechner hat mit "Power to Change" ein Buch mit Leidenschaft und Optimismus geschrieben. Marcel Hänggi entfaltet in "Null Öl. Null Gas. Null Kohle" viel Kenntnisreichtum. Er argumentiert in seinem Buch glasklar und sehr überzeugend. Er meint: Nur ein radikaler Vorschlag wie seiner könne funktionieren. Dies sei die einzig mögliche Umsetzung des Pariser Klimaabkommens.
Was es jetzt braucht, ist politischer Druck und politischer Wille. Auch das ist einfach, aber nicht leicht.

Marcel Hänggi: "Null Öl. Null Gas. Null Kohle. Wie Klimapolitik funktioniert. Ein Vorschlag", 200 Seiten, 19,90 Euro, Rotpunkt

Carl.-A Fechner: "Power to change. Die Energierevolution ist möglich", 240 Seiten, 24,99 Euro, Gütersloher Verlagshaus

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