Zurück zu den Wurzeln

Von Thomas Schmidt · 04.08.2011
Vielen afroamerikanischen Bewohnern New Yorks genügt der Hype, in der sogenannten "Hauptstadt der Welt" zu wohnen, nicht mehr. Sie wollen weg. Bessere Lebensverhältnisse sowie ein finanziell gesichertes Auskommen locken Tausende Schwarze in den Süden.
Für die Eltern und Großeltern von Lauralynn Parker war New York das bessere Amerika: Mehr Toleranz gegenüber Schwarzen, die Aussicht auf einen guten Job und ein gesichertes Einkommen - dafür hatten sie Virginia verlassen. Die Rechnung ging auf, auch für Lauralynn in der nächsten Generation - sie hat es bei der New Yorker Polizei bis zur Kommissarin gebracht. Trotzdem kehrt sie der Stadt jetzt den Rücken.

"Ich fühle mich wie eine New Yorkerin, die einfach mal durchatmen muss. Ich liebe New York, aber es engt mich mehr und mehr ein", sagt die 45-Jährige.

Nach 20 Jahren im Polizeidienst hat sie ihren Abschied genommen und in einem Vorort von Atlanta im südlichen Bundesstaat Georgia ein Haus gekauft, groß genug für die fünfköpfige Familie.

Lauralynns Geschichte steht für einen bemerkenswerten Trend: Immer mehr schwarze New Yorker, meist mit guter Schul- und Berufsausbildung, ziehen in den Süden um. Über 22.000 Afro-Amerikaner haben den Staat New York allein im Jahr 2009 verlassen - mehr, als jeden anderen Bundesstaat der USA. Soziologen sehen in dem Trend eine Umkehr der Great Migration, der großen Abwanderung zwischen dem Ersten Weltkrieg und den Siebzigerjahren, als sich viele Schwarze vom Rassismus im Süden in den toleranteren Norden, besonders ins liberale New York getrieben sahen.

Schwarze verlassen die Städte und ihr Platz wird gewissermaßen von Weißen eingenommen - Manhattan zum Beispiel ist heute wieder überwiegend weiß, sagt der New Yorker Soziologe Professor Andrew Beveridge. Aber nicht nur Manhattan, sondern auch bürgerliche Stadtteile wie St. Albans, wo einst schwarze Stars wie Duke Ellington, Ella Fitzgerald oder James Brown gelebt haben und wo Hip Hop und Rap ihren Ursprung hatte, spüren heute den Exodus der einst angestammten Anwohner.

Soziologen und Historiker haben für den Wandel unterschiedliche Erklärungen: Neben den eher emotionalen Gründen, die manche wieder zurück in das traditionell schwarze Amerika in den Südstaaten locken, sind es vor allem die veränderte Wirtschaftslage und die extrem hohen Lebenshaltungskosten, die den anhaltenden Trend ausgelöst haben:

"Du kriegst einfach mehr für Dein Geld, wenn ich hier mein Haus verkaufe, bekomme ich da zwei dafür", sagt Wayne Frazer, auch er zieht demnächst nach Atlanta. Mehr Wohlstand, mehr Natur, ein weniger anonymes Lebensumfeld, das lockt viele Afro-Amerikaner nach Virginia, Georgia, Nord- und Süd-Carolina.

Der Trend nach Süden belegt aber auch einen politischen Wandel: Hautfarbe spielte heute keine zentrale Rolle mehr, und das, sagt Soziologe Beveridge, sei ein ausgesprochen positives Zeichen.

Schwarze können heute hinziehen, wo sie wollen - so wie das Weiße schon seit langen Jahren gemacht haben.