Zurück aufs Land

Von Jörg Taszman · 17.12.2007
Sie kennen sich noch aus Kindertagen und könnten kaum verschiedener sein: der Maler aus Paris, der in das Dorf seiner Jugend zurückkehrt und der bodenständige Gärtner, der jahrelang als Eisenbahner unterwegs war. Der von Daniel Auteuil gespielte Künstler mit seiner jungen Geliebten wirkt vom Erfolg etwas satt und uninspiriert. Als er dann seinen längst vergessenen Klassenkameraden als Gärtner einstellt, prallen zwei Lebensphilosophien aufeinander.
Filmszene:
"Sag mal was sind denn das alles für Bilder? Auf manchen ist nicht einmal was drauf."
"Leinwände, auf denen nichts drauf ist, warten auf mich."
"Was, die warten auf Dich?"
"Na ja, ich bin Maler."
"Ach ja? Verstehe. Du bist also ein Künstler?"
"Ja, ich versuch's, das ist mein Beruf. Bitte setz dich doch ... "
"Für mich wär das nichts. Dazu fehlt mir die Geduld."
"Das ist keine Frage der Geduld, man muss nur für alles offen sein."
"Wenn ich arbeite, dann gehe ich voll darin auf. Dann habe ich keine Zeit dafür."
"Siehst du denn nie die untergehende Sonne, die Sterne oder den Nebel?"
"Den Nebel? Also bei Nebel, da gibt es nicht viel zu sehen!"

Regie führte der 69-jährige Jean Becker, der nun bereits zum wiederholten Mal einen Film auf dem Dorf gedreht hat. Es gibt im französischen Kino der letzten Jahre durchaus eine Tendenz, zurück aufs Land zu gehen, wie beispielsweise "Sie sind ein schöner Mann". Ist das ein neuer Trend im zentralistischen Frankreich? Jean Becker meint, er habe vor acht Jahren mit "Ein Sommer auf dem Lande" wahrscheinlich etwas in Bewegung gesetzt.

"Als ich 'Ein Sommer auf dem Lande' drehte, gab es solche Art Filme nicht. Mein Produzent hatte auch große Angst und befürchtete einen Misserfolg. Beim Publikum jedoch kam der Film sehr gut an und so folgten mehrere Filme des gleichen Stils, weil es etwas war, dass es im französischen Kino lange nicht mehr gegeben hatte. Heute ist den Menschen auch die Umwelt wichtig. Das Land existiert. Das sind Filme, die beim Publikum ihren Platz haben, weil es gleichermaßen außerhalb steht und doch gerne diese Momente teilt."

Jean Becker wendet sich mit seinem Film auch gegen einen gewissen Kultursnobismus der Pariser. Der Maler entdeckt erst durch die bodenständige Lebensphilosophie seines Freundes, dass es auch kleine Freuden im Leben gibt, die er viel zu lange ignorierte oder belächelte. Regisseur Jean Becker gibt zu, sich in der großen Metropole Paris nicht sonderlich wohl zu fühlen. So verwundert es dann nicht, dass sein Film "Dialog mit einem Gärtner" in Paris weit weniger Zuschauer hatte als im Rest des Landes.

Überhaupt gilt Jean Becker bei den Meinungsmachern aus der Hauptstadt im Gegensatz zu seinem berühmten Vater Jacques Becker nicht als Cineast, als wichtiger Filmemacher, Dabei mag wohl auch eine Rolle spielen, dass es zwei lange Pausen im Schaffen von Jean Becker gab. So drehte er zwischen 1966 und 1995 nur einen einzigen Film im Jahr 1983: "Ein mörderischer Sommer" mit Isabelle Adjani als sexy femme fatale. Die erste Auszeit nahm Jean Becker ganz bewusst:

"Nachdem ich 'Geliebter Schuft' mit Jean Paul Belmondo gedreht hatte, wurde mir klar, dass das, was ich tat, noch nicht auf dem Niveau war, wie es mir vorschwebte. Mir fehlte es einfach an Reife. Ich fand mich auch im Bezug auf das Erbe meines Vaters etwas unwürdig. Also hörte ich auf und widmete mich banaleren Arbeiten beim Fernsehen oder in der Werbung. Allerdings arbeitete ich mit Sébastien Japrisot zusammen an Drehbüchern. Als wir uns dann auf 'Ein mörderischer Sommer' einigten, wurde dieser Film zu meinem Comeback. Ich fühlte mich mental einfach wohler, aber auch technisch sicherer, was mein Kinohandwerk betraf. Kurzum, ich war mehr in meinen Pantoffeln."
"Ich mache Filme, weil ich nichts anderes machen kann", sagt Jean Becker, der ohne seinen Vater Jacques nicht zum Film gekommen wäre. Jacques Becker arbeitete zu Beginn seiner Karriere eng mit Jean Renoir zusammen und wurde vor allem durch Filme wie "Casque d'or" (Goldhelm) mit Simone Signoret und "Touchez pas au Grisby" (Wenn es Nacht wird in Paris) weltbekannt. Welches Verhältnis hatte Jean Becker zu seinem Vater, für den er jahrelang als Assistent arbeitete. Waren Sie auch Komplizen?

"Nein. Wir redeten nicht miteinander. Er redete nicht mit mir. Nur bei seinem letzten Film war das anders, wo ich sein erster Regieassistent und wichtigster Mitarbeiter war und auch einige Szenen alleine drehte. Er war schon sehr krank und konnte nicht immer ans Set kommen. Bei all den anderen Filmen war ich ebenso ein Assistent wie die anderen. Da wir auch nicht zusammen wohnten, weil meine Eltern getrennt waren, redeten wir kaum. Aber wir telefonierten jeden Tag. Ich bewunderte und liebte ihn sehr. Als er mit 53 Jahren starb, war das ein harter Schicksalsschlag und ich hatte das Gefühl, als würde ich auch sterben, wie man so sagt."

Jean Becker sagt, er habe sein Handwerk von seinem Vater gelernt, und er sieht in ihm seine größte Inspiration und hätte ihm gerne seine späten Filme gezeigt. Heute sieht er es gelassen, wenn ihn vor allem Journalisten noch mit dem Vater vergleichen. "Jacques Becker ist Jacques Becker und macht andere Filme als Jean Becker", sagt er fast ein wenig grantelnd.

Seine eigenen Filme stehen in der Tradition eines populären Kinos, das den Zuschauer ernst nimmt und unterhalten möchte. In Frankreich hat er mit seinen Filmen ein Millionenpublikum gefunden und "Dialog mit meinem Gärtner" hat auch bei uns in Deutschland das Zeug, über Weihnachten die Herzen zu rühren.