Zum Ende der Ära Lilienthal an den Münchner Kammerspielen

"Das ist wie ein Coitus interruptus"

Matthias Lilienthal
Lilienthals neue Produktionsweisen brechen das klassische Repertoire auf © picture alliance/dpa/Foto: Tobias Hase
Elisabeth Schweeger im Gespräch mit Elena Gorgis · 05.04.2018
Mitte März hatte Intendant Matthias Lilienthal angekündigt, die Münchener Kammerspiele im Sommer 2020 zu verlassen. Zuvor hatte der Münchner Stadtrat seinen Vertrag nicht verlängert. Für Kulturmanagerin Elisabeth Schweeger eine Fehlentscheidung.
"Ich finde, wenn ein neuer Intendant kommt, dann weiß auch die Politik, wen sie sich einkauft."
Elisabeth Schweeger, künstlerische Leiterin der Akademie für Darstellende Künste Baden-Württemberg in Ludwigsburg und frühere Intendantin des Schauspiel Frankfurt, kritisiert die Entscheidung des Münchner Stadtrats, den Vertrag des Intendanten Matthias Lilienthal nicht zu verlängern.
Elisabeth Schweeger, künstlerische Leiterin der Akademie für Darstellende Künste Baden-Württemberg
Elisabeth Schweeger, künstlerische Leiterin der Akademie für Darstellende Künste Baden-Württemberg© dpa / picture alliance / Christoph Schmidt

Lilienthals Radikalität ist konsequent

Denn offensichtlich sei die Politik ja ursprünglich willens gewesen, jemanden wie Lilienthal mit seiner künstlerischen Handschrift zu engagieren und damit dem Haus auch neue Sachen zuzumuten. Lilienthal sei "kein unbeschriebene Blatt": "Er hat eine gewisse Radikalität gehabt und das fand ich dann konsequent. Man kann sich da nicht einfach immer verraten."
Sein Projekt an den Münchner Kammerspielen sei nicht gescheitert, sondern auf einem Weg. Da seien durchaus Produktionen entstanden, die interessant sind, so Schweeger. Die Bewegung zur Weiterentwicklung des Theaters hätte schon vor ungefähr 25 Jahren begonnen, zum klassischen Sprechtheater neue Formen hinzuzufügen.

Neue Formen finden Eingang in instutionalisierte Theaterräume

Das hänge, laut Schweeger, mit der gesellschaftlichen Entwicklung zusammen: "Ich hatte das bis jetzt es auch so verstanden, dass München da sehr offen war, dass das nicht immer sozusagen reibungslos abging, sondern das war ein fruchtbarer und sehr kreativer Diskurs, der da stattgefunden hat. Und selbstverständlich finden natürlich diese neuen Formen, die entwickelt werden, dann auch Eingang in die sogenannten institutionalisierten Theaterräume."

Das klassische Repertoire aufzubrechen, braucht Zeit

Die sei mutig, weil es bedeute, dass das Theater eine offene Form ist, die sich wirklich mit der Aktualität auseinandersetzt. Das hätte auch den Standort München besonders interessant gemacht: "Da hat man keine Scheu vor der Moderne, da passiert einiges, da setzt man sich auseinander. Und Lilienthal hat einen Versuch gemacht, dieses klassische Repertoire einmal aufzubrechen. Und dass das Zeit braucht, das ist normal. Es gehört einfach dazu. Und er hat jetzt gerade mal drei Jahre hinter sich und ich find's natürlich schade, dass das so mitten drinnen aufhört. Das ist wie ein Coitus interruptus."
Das Großartige an der deutschsprachigen Theaterszene sei ihre Vielfalt und, dass so viel möglich sei. Schweeger hofft nun, dass sich die Politik dazu bewegen läßt, Matthias Liliethal mit einem weiteren Vertrag ein Chance zu geben, sein Projekt weiterzuführen.
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