Zerocalcare: "Kobane Calling"

Bewunderung für einen libertären Sozialismus

Der Zeichner Zerocalcare
Buchcover "Kobane Calling" von Zerocalcare und der italienische Zeichner Michele Rech, alias Zerocalcare, in Turin 2016. © Avant Verlag und imago stock&people
Von Frank Meyer · 22.05.2017
Michele Rech, alias Zerocalcare, ist einer der meistgelesenen Comicautoren Italiens. Vor wenigen Jahren hat er den Kampf gegen die IS-Milizen in Kobane beobachtet und später die demokratische Selbstverwaltung in den autonomen Kurden-Gebieten. Daraus ist sein Buch "Kobane Calling" entstanden.
Zerocalcare ist der Künstlername des italienischen Zeichners und Autors Michele Rech. Er wurde 1983 geboren, seit mehreren Jahren ist er einer der am meisten gelesenen Comicautoren in Italien. Vor allem die jüngere Generation liest begeistert Zerocalcares sarkastische Erzählungen von seinem Alltag und seinen politischen Projekten. Der Künstler sympathisiert mit der Occupy-Bewegung und anderen linksalternativen Strömungen, das ist der Hintergrund für "Kobane Calling". In Italien ist dieses Comicbuch mit mehr als 100.000 verkauften Exemplaren ein enormer Erfolg, bei uns ist es die erste Veröffentlichung eines Buches von Zerocalcare.
2014 und 2015 ist der Zeichner mit einer Gruppe von Linksautonomen an die türkisch-syrische Grenze gefahren. Bei ihrer ersten Reise hat die Gruppe an Hilfsaktionen im türkischen Grenzort Mehser teilgenommen und von dort aus den Kampf gegen die IS-Milizen in Kobane beobachtet. Ein knappes Jahr später war die Gruppe im inzwischen befreiten Kobane und in anderen Teilen des Rojava-Gebietes im Norden Syriens. Zerocalcare lernt dort fasziniert die demokratische Selbstverwaltung in diesen autonomen Kurden-Gebieten kennen, das wird zum eigentlichen Thema des Buches.

Einsatz gegen häusliche Gewalt

Er selbst sagt dazu: "Die tragende Rolle der Frauen, die gerechte Verteilung der Einkommen, das friedliche Zusammenleben zwischen Kultur und Religion: es schien uns, dass diese Revolution unsere Sprache spricht. Es ist wichtig, sie zu unterstützen, und wir wollten hinzugehen, um etwas von ihnen zu lernen." Die Gruppe um Zerocalcare besucht Schulen, in denen kurdische, assyrische und arabische Kinder gemeinsam lernen, und ein Lager der kurdischen Milizen, in denen Frauen die Ausbilder und Kommandeure sind. Zerocalcare berichtet sehr beeindruckt von Frauenzentren in Rojava und ihrem Einsatz gegen häusliche Gewalt. Mit zunehmender Wut fragt er sich, warum das muslimische Emanzipationsprojekt von Rojava in den europäischen Medien kaum vorkommt.
Zerocalcare Reisetagebuch ist betont subjektiv, seine Schwächen und Selbstzweifel sind genauso Thema wie die Ängste seiner Mutter oder sein Kampf mit dem kurdischen Frühstücksangebot: Schafskäse und scharfe Oliven! Viele Figuren tauchen in bizarren Masken auf, als martialische Comichelden, als Vögel oder Hirsche. Zerocalcares Leser begegnen Wesen wieder, die sie aus seinen früheren Büchern kennen, einem Gürteltier, das für sein Gewissen steht, oder einem Mammut, das den italienischen Heimatort des Künstlers symbolisiert. Die cartoonhaften Schwarz-Weiß-Zeichnungen und die Texte haben einen fröhlich respektlosen, sehr abwechslungsreichen Humor. Vor diesem komischen Hintergrund wird umso deutlicher, wie sehr Zerocalcare den basisdemokratischen und libertären Sozialismus bewundert, den die Frauen und Männer in Rojava aufzubauen versuchen.

Zerocalcare: Kobane Calling
Aus dem Italienischen von Carola Köhler
Avant Verlag, Berlin 2017
265 Seiten, 24,95 Euro

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