Zentrum für Politische Schönheit

Morddrohungen gegen Künstlerkollektiv

Symbolischer Nachbau des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas in unmittelbarer Nachbarschaft zu Björn Höckes Wohnhaus.
Symbolischer Nachbau des Berliner Denkmals für die ermordeten Juden Europas in unmittelbarer Nachbarschaft zu Björn Höckes Wohnhaus. © Imago / Snapshot
Von Henry Bernhard · 27.11.2017
Das "Zentrum für Politische Schönheit" erhält Morddrohungen - diese liegen uns in Auszügen vor. Mailschreiber drohen etwa mit Vergasung, ein Anrufer meint, er vertrete die "AfD-Totenkopfstandarte". Das Künstlerkollektiv hatte ein symbolisches Holocaust-Mahnmal neben Höckes Grundstück aufgestellt.
"Abflug!"
"Los, raus!"
"Verdammtes Bolschewiken-Pack!"
"Verdammtes Gesindel!"
Aufnahmen, die SPIEGEL-TV vergangene Woche in Bornhagen gemacht hat, im Wohnort vom AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Unterstützer von Höcke, teilweise in blauen AfD-Jacken, beschimpfen und bedrängen die Aktionskünstler vom Zentrum für politische Schönheit, aber auch Journalisten. Die Männer werden handgreiflich.

Plan der Aktionskünstler ist aufgegangen

So gesehen ist der Plan der Aktionskünstler aufgegangen, für die Widerstand gegen ihre Aktionen zum Konzept gehört. Aber darauf will ihr Kopf, Philipp Ruch, gar nicht eingehen.
Der künstlerische Leiter des Zentrums für Politische Schönheit, Philipp Ruch steht am 16.06.2015 auf dem muslimischen Teil des Friedhofs Berlin-Gatow bei der Beerdigung einer im Mittelmeer ertrunkenen Syrerin.
Der künstlerische Leiter des Zentrums für Politische Schönheit, Philipp Ruch steht am 16.06.2015 auf dem muslimischen Teil des Friedhofs Berlin-Gatow bei der Beerdigung einer im Mittelmeer ertrunkenen Syrerin. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Philipp Ruch: "Wir sind vor allem überglücklich, dass einfach ein breiter Rücken der Zivilgesellschaft dieses Mahnmal trägt. Wir haben ja gebeten um Finanzierung für die nächsten Jahre. Und so, wie es aussieht, sind wir jetzt für fast 7 Jahre finanziert und in der Lage, dieses Mahnmal vor Ort in Bornhagen in direkter Nachbarschaft zu Herrn Höcke zu betreiben.

Aktion, die auf Höckes Dresdner Rede reagiert

Über 90.000 Euro Spendengeld sei in wenigen Tagen zusammengekommen, so steht es auf der Webseite. Das Crowdfunding ist Teil der Aktion, die auf die Dresdner Rede von Björn Höcke reagiert. Dieser hatte das deutsche Gedenken an den Holocaust verächtlich gemacht und eine Wende der Erinnerungskultur um 180 Grad gefordert.
Anwohner protestieren am 22.11.2017 in Bornhagen im Eichsfeld (Thüringen) gegen das in Sichtweite des Grundstücks von AfD-Politiker Höcke aufgestellte "Denkmal der Schande". In Anlehnung an Höckes «Dresdner Rede», in der er das Holocaust-Mahnmal als «Denkmal der Schande» bezeichnet hatte, habe man am 24 Betonstelen in der Nähe von Höckes Haus aufgestellt, teilten die Politkunst-Aktivisten des Künstlerkollektivs Zentrum für politische Schönheit mit.
Protest von AfDlern gegen "Denkmal der Schande© dpa / WichmannTV
Björn Höcke: "Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat."
21 Stelen haben Ruch und seine Leute im Garten hinter dem schon vor Monaten angemieteten Haus aufgestellt, als, so wörtlich, "Außenstelle des Berliner Holocaust-Mahnmals".

Höcke spricht von "Terroristen" und meint das Künstlerkollektiv

Björn Höcke, der sich vergangene Woche nicht vor Journalisten zu der Aktion äußern wollte, sprach bei einem Treffen in Leipzig vor Rechten, Rechtsextremen und Identitären von "Terroristen", die sich auf seinem Nachbargrundstück breitgemacht hätten. Sinn für die Symbolik der Stelen war dabei nicht zu erkennen.
Björn Höcke: "Wenn ich allein wäre, dann könnte ich sagen mit einem Lächeln auf den Lippen, 'Ja, Björn, welcher Politiker bekommt schon zu Lebzeiten ein eigenes Denkmal vor die Haustür gesetzt!?'"
Dass das, was da in Höckes Nachbarschaft passierte, Kunst sei, ist umstritten. Es gibt Stimmen, die halten das Projekt für geschmacklos, weil es das Gedenken an die Holocaust-Opfer missbrauche. Oder weil es die Privatsphäre von Höckes Familie nicht respektiere. Für andere ist Kunst ohnehin nur das ästhetisch Schöne, Unanstößige. Der Schweizer Kunsttheoretiker Beat Whyss jedoch verteidigte das Projekt des Zentrums für Politische Schönheit in der vergangenen Woche im Deutschlandfunk Kultur.
Beat Wyss: "Kunst darf alles, weil sie quasi als fünfte Gewalt in der Gesellschaft mit Machtlosigkeit geschlagen ist. Die Kunst darf alles, wenn sie zum Lachen führt. Für mich ist der Philipp Ruch, der Chefideologe gewissermaßen, der legitime Erbe von Till Eulenspiegel."
Beat Wyss, Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie, zu Gast bei Deutschlandradio Kultur
Beat Wyss, Professor für Kunstwissenschaft und Medientheorie, zu Gast bei Deutschlandradio Kultur© Deutschlandradio / Liane von Billerbeck
Den Stelen wurde auch eine Internetseite beiseite gestellt, in der die Aktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit behaupten, Höcke seit Monaten überwacht zu haben. Als Beweis dienen Fotos aus Höckes Privatsphäre. Damit machen sich Philipp Ruch und seine Kollegen enorm angreifbar, juristisch wie ethisch. Ruch jedoch interessiert dieses Argument nicht.
Philipp Ruch: "Kunst schadet sich auch mal selbst, das ist gar keine Frage. Wir sitzen selten auf einem moralisch hohen Ross. Im Gegenteil: Wir schaden uns hier, wir machen uns die Hände schmutzig. Das sieht mir hier nicht nach moralischer Überlegenheit oder Deutungshoheit aus. Das ist auch nicht das Ziel; das ist nicht der springende Punkt. Also, die Kunst tut oft Dinge, die sie als notwendig erachtet und die einfach gemacht werden müssen. Ob man sich damit beliebt macht oder unbeliebt, glücklich oder unglücklich, moralisch überlegen oder unterlegen, das spielt erst mal gar keine Rolle. Wir sind der Meinung, dass es absolut erforderlich ist, dass Herr Höcke überwacht wird von den Sicherheitsdiensten."
Das "Denkmal der Schande", ein verkleinerter Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals, in Bornhagen im Eichsfeld in Sichtweite des Grundstücks von AfD-Politiker Höcke.
Das "Denkmal der Schande", ein verkleinerter Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals, in Bornhagen im Eichsfeld in Sichtweite des Grundstücks von AfD-Politiker Höcke.© dpa-Bildfunk / WichmannTV
Die juristische Maschinerie ist bereits am Laufen. Jemand hat in der vergangenen Nacht eine Stele massiv beschädigt. Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Mühlhausen liegt außerdem eine Anzeige des AfD-Rechtsaußen und Höcke-Freundes aus Dresden, Jens Maier vor. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Dirk Gemerodt, bestätigt, dass es einen Anfangsverdacht gebe, dass die Aktivisten des Zentrums Björn Höcke …
Dirk Gemerodt: "… unter Androhung der Preisgabe von intimen Daten veranlassen wollten, da einen Kniefall zu machen. Wir haben dieses Verfahren eingeleitet wegen des Verdachts der versuchten Nötigung und prüfen jetzt, ob sich dieser Verdacht bestätigt."
Das Zentrum für Politische Schönheit hat die Forderung nach einem Kniefall Höckes, der die berühmte Geste Willy Brandts zitiert, inzwischen fallen gelassen. Sie erhalten nun massenhaft Morddrohungen, die dem DLF in Auszügen vorliegen: Die Mailschreiber drohen mit Vergasung, mit Schlachtung, mit Ertränken. Eine telefonische Morddrohung haben die Adressaten aufgezeichnet. Der Anrufer gibt sich als Vertreter der "AfD-Totenkopfstandarte" aus und ist online nachhörbar. Er droht damit, die Aktivisten zu erschießen, wenn die Stelen in Höckes Nachbarschaft nicht verschwänden.

Höcke war mal "Landolf Ladig" und hat für die NPD geschrieben

Am heutigen Abend nun legt das Zentrum für Politische Schönheit nach: Auf der Internetseite "Landolf-Ladig.de" werden fingierte Fanartikel wie T-Shirts, Tassen und Badetücher angeboten, die Höcke als Mann der NPD zeigen. Der Hintergrund: Viele Indizien deuten darauf hin und auch der Partei-Ausschlussantrag des Bundesvorstands der AfD geht davon aus, dass Höcke vor seiner Zeit in der Politik unter dem Pseudonym "Landolf Ladig" für NPD-Veröffentlichungen geschrieben hat. Ein sicherer Beweis dafür steht allerdings noch aus. Eine eidesstattliche Erklärung Höckes diesbezüglich allerdings auch. Das Höcke-Projekt des Zentrums für Politische Schönheit geht also weiter. Durch Höhen und Tiefen.
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