Zensur im Bildjournalismus

"Stillere Bilder finden nicht den Weg ins Heft"

Unruhen in Nordirland (Londonderry), 1969
Unruhen in Nordirland (Londonderry), 1969 © © Hanns-Jörg Anders – Red. Stern
Sven Schumacher im Gespräch mit Shanli Anwar · 19.06.2018
Wie wird die Arbeit von Fotografen durch Redakteure und Herausgeber beeinflusst? Diese Frage untersucht die Ausstellung "Delete. Auswahl und Zensur im Bildjournalismus" in Hamburg. Eine Erkenntnis: Auch Weglassen ist eine gewollte Inszenierung.
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe präsentiert in der Ausstellung "DELETE. Auswahl und Zensur im Bildjournalismus" vier Fotoserien aus der Zeit von 1968 bis 1983, die in den Zeitschriften "Stern", "Kristall", "Playboy" und "Der Bote für die evangelische Frau" erschienen sind. Dabei werden die Fotos in den Fokus gerückt, die NICHT abgedruckt wurden.
In der Gegenüberstellung der Fotoserien mit den tatsächlich in den Zeitschriften gedruckten Fotografien tun sich einige Erkenntnisse über die Arbeit der Redaktionen, aber auch über den jeweiligen Zeitgeist auf.
So hat der Fotograf Thomas Hoepker im Herbst 1963 die USA bereist und in seinen Bildern vor allem die Situation der Afroamerikaner dokumentiert und zeigt z.B. ihre Armut und ihre Diskriminierung. Im Magazin "Kristall" ist davon aber nur am Rande etwas zu sehen.
Das letzte Wort hat eigentlich immer der Chefredakteur. Dazu haben die Fotografen unterschiedliche Positionen, erklärt Sven Schumacher, Kurator der Ausstellung:
"Hanns-Jörg Anders sagt von sich: Ich als Fotograf habe eine Emotion dabei, wenn ich ein Bild fotografiere, und das ist vielleicht nicht der beste Ratgeber für die Bildauswahl, das überlasse ich den Bildredakteuren, die in Hamburg mit einem gewissen Abstand auf das Geschehen schauen und mit einem kühlen Kopf das Bild auswählen, das für den Leser die Situation am besten widergibt."

Redaktion sucht vor allem spektakuläre Bilder aus

Anders ist in der Ausstellung mit einer Reportage über Unruhen im Nordirland-Konflikt im Jahr 1969 vertreten. Auffällig ist: Die Redaktion sucht vor allem spektakuläre Bilder aus: Steinewerfen, Wasserwerfer, Rauch, schwer bewaffnete Polizisten – nicht aber Bilder, die die Solidarität über Zäune hinweg zeigen, etwa wie Iren sich Essen durch den Stacheldrahtzaun reichen.
Menschen werfen sich Brot zu; aus einer Reportage über Unruhen in Nordirland, 1969.
Menschen werfen sich Brot zu; aus einer Reportage über Unruhen in Nordirland, 1969.© © Hanns-Jörg Anders – Red. Stern
"Ein Magazin will verkaufen und denkt an die Auflage und ist dann auch eher an spektakulären Bildern interessiert", sagt Schumacher.
"Andere, stillere Bilder, die genauso aussagekräftig sind, aber andere Aspekte noch behandeln, z.B. auch zeigen, wie Menschen da im Irland 1969 ihre Wohnungen verloren haben, all das hat Hans-Jörg Anders auch fotografiert, aber das findet nicht den Weg ins Heft."
Ganz anders verhält es sich im Fall des japanischen Fotografen Ryūichi Hirokawa, der 1982 die Massaker von Sabra und Schatila in Beirut fotografiert. Er wollte unbedingt die Kontrolle über seine Bilder behalten und entschied sich deshalb gegen einen Verkauf an Associated Press. Letztlich erschienen seine Schockfotos im japanischen "Playboy".

Info: Die Ausstellung "DELETE. Auswahl und Zensur im Bildjournalismus" ist vom 8. Juni bis 25. November 2018 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.

Mehr zum Thema