Zelluloid mit Anspruch

Mit Filmen die Welt verändern

Die Schauspieler Devid Striesow (l) und Katharina Schüttler in einer Szene des Films "Zeit der Kannibalen"
Die Schauspieler Devid Striesow (l) und Katharina Schüttler in einer Szene des Films "Zeit der Kannibalen" © dpa / picture alliance / Farbfilm
Von Vanja Budde · 22.05.2014
Der Filmemacher Johannes Naber wurde mit seinem Flüchtlingsdrama "Der Albaner" bekannt. Sein neues Werk "Zeit der Kannibalen" ist eine bitterböse Groteske über kaltblütige Unternehmensberater. Der Regisseur hofft, den Zuschauern neue Perspektiven aufzeigen zu können.
Filmausschnitt "Zeit der Kannibalen"
"Ich sag's dir: Du bist bei der Company genau richtig."
"Jaa! Es ist toll, für die Company zu arbeiten! Gaaanz toll! Egal wo du bist, du bist sofort vernetzt, du hast zu jedem gleich 'nen Draht, wie in 'ner großen Familie. Auf die Company!" (lacht dreckig)
Devid Striesow spielt den Zyniker, Sebastian Blomberg den Zwangsneurotiker und Katharina Schüttler das kalte Karrierebiest: Alle drei sind sie abgefeimte, egozentrische Unternehmensberater. Für ihre "Company" reisen sie durch die sogenannte Dritte Welt, verlassen nie ihre klimatisierten Luxushotels, verachten ihre Klienten und kennen auch untereinander keinerlei Solidarität.
"People, Profit, Planet!" (Lachen)
Diese skrupellosen Unternehmensberater sind Symbole einer Gesellschaft, die vom Krebsgeschwür des Egoismus zerfressen wird.
Johannes Naber: "Diese Unternehmen haben ein großes Interesse daran, dass das, was sie machen, ihr Geschäftsmodell, eher nicht gesellschaftlich thematisiert wird. Weil sie wissen, dass das durchaus anfechtbar ist. Und ich bin der Meinung, es muss thematisiert werden. Man muss darüber reden, dass in Deutschland zum Beispiel Regierungen keine Reform mehr machen, ohne dass Unternehmensberater involviert sind."
"Zeit der Kannibalen" ist auch sehr witzig, aber der 42-jährige Johannes Naber - groß, athletisch, schwarzes Haar, schwarzer, kurzgetrimmter Bart, dunkelbraune Augen - will keine Filme machen, die nur unterhalten.
"Der Zustand des Kapitalismus prägt sich ja im Moment dadurch aus, dass das Ich vor dem Wir steht und dass das Eigeninteresse im Zentrum steht, das Gesellschaftsinteresse immer mehr in den Hintergrund rückt und dass es eine Flucht in den Individualismus und in das Selbst gibt, und die prägt sich durch unser System natürlich, weil niemand da einen Riegel vorschiebt, immer weiter aus."
Filmemacher mit politischem Anspruch
Schon in seinem Erstlingserfolg über einen illegalen Flüchtling war zu sehen, dass Johannes Naber ein Filmemacher mit politischem Anspruch ist. Daran hat sich nichts geändert.
"Ich glaube, Filme können die Welt verändern. Und das ist das Ziel. Und das ist ein Thema, das ist zentral in unserer Welt im Moment. Weil viele sich die Frage stellen, machen wir irgendwas grundsätzlich falsch? Müssen wir unsere moralischen Systeme, unsere Wertesysteme, vielleicht noch mal überdenken? Und dazu einen Beitrag zu leisten oder Kommentar abzugeben, das fand ich essenziell."
Fast zehn Jahre hat Naber gebraucht, um sein Kinodebüt "Der Albaner" zu realisieren. Das hat ihn Hartnäckigkeit und Gelassenheit gelehrt.
"Ich weiß, wie schwierig das ist, seine ersten Schritte zu machen: Das erste Treatment zum 'Albaner' habe ich 2001 geschrieben, der Film kam 2010 in die Kinos. Das war ein langer Weg, auf dem mir oft viele Leute gesagt haben, 'überleg Dir, was Du da tust, such Dir was anderes in Deinem Leben, so viele probieren das, Du wirst es auch nicht schaffen.' Und ich hab einfach dann das Sitzfleisch entwickelt, mich da durchzubeißen."
Die Schauspieler Devid Striesow (r) und Sebastian Blomberg in einer Szene des Films "Zeit der Kannibalen".
Die Schauspieler Devid Striesow (r) und Sebastian Blomberg in einer Szene des Films "Zeit der Kannibalen".© dpa / picture alliance / Farbfilm
Er wurde 1971 in Baden-Baden geboren, hat Philosophie und Indische Kulturgeschichte in Berlin studiert, aber eher halbherzig. Denn schon mit 18, 19 Jahren hatte er die Idee, Filme zu drehen: Nabers Vater war Hörspielautor, der Sohn wuchs mit Geschichten und Schauspielern auf.
"Das ist das größte Glück, was man haben kann, und das ist letztendlich auch das Faszinierendste, was man erreichen kann – ein guter Geschichtenerzähler zu sein. Das habe ich dann irgendwann versucht zu reproduzieren. Irgendwann wurde mir auch klar, dass mein Weltbild, meine eigene Sicht auf die Welt so stark von Filmen geprägt ist und so wenig von eigener Ansicht der Welt – da wurde mir klar, was für eine Macht man als Filmemacher hat, die Sicht auf die Welt der Menschen zu beeinflussen."
Film-Ausschnitt "Zeit der Kannibalen":
"Da draußen ist Krieg!"
"Vielleicht hat irgendein Kopftuchmädchen ihren Jungfrauentest nicht bestanden und jetzt gab's eine Massenvergewaltigung oder eine Steinigung. Das ist doch hier so üblich, oder? Schau doch mal in deinen Reiseführer unter 'Jungfrauentest'".
Brotlose Kunst
Johannes Naber hat an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert, Kurzfilme und Dokumentationen gedreht. Heute lebt er wieder in Berlin: Allein, in einer sorgsam mit Holzmöbeln eingerichteten Altbauwohnung in Neukölln.
"Zeit der Kannibalen" lief im Frühjahr auf der Berlinale, kommt jetzt in die Kinos. Doch trotz der Filmförderung hier zu Lande kann auch ein vergleichsweise erfolgreicher Regisseur wie Johannes Naber von seinen Geschichten nicht leben. Darum arbeitet er immer wieder auch als Oberbeleuchter am Set von Regiekollegen.
Gleichzeitig bereitet er ein neues Spielfilm-Projekt vor: Eine schrille Groteske über den Bundesnachrichtendienst soll es werden.
"Das ist ja immer das, was man will: Dass die Menschen aus dem Kino gehen und sagen: Wow, da habe ich was gelernt. Oder am spannendsten: Ich habe eine Perspektive eingenommen auf die Welt, die ich vorher noch nie eingenommen habe, und habe eine Erkenntnis daraus. Das ist möglich und ein guter Film leistet das meiner Meinung nach und dann ist es auch einfach, damit etwas loszutreten oder was anzuschieben. Ich glaube nicht, dass ein Film alleine die Welt umdrehen kann, das nicht, aber man kann einen Beitrag leisten."
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