Zeitreise ins Granada des Jahres 1492

08.08.2007
"Alhambra" - der Titel von Kirsten Boies neuem Jugendroman klingt wie orientalische Musik. Und das Buch - ein historischer Roman mit Fantasy-Elementen - hält das Versprechen, das der Titel gibt. Bunt, prall, führt es den Leser mitten in die faszinierende Maurenstadt Granada und die großen politischen Umbrüche des Jahres 1492.
Gerade ist Boston noch auf dem Touristenmarkt, als sich bei der Berührung einer antiken Fliese plötzlich alles verändert: Durch ein Tor in der Zeit gerät der Junge in das Jahr 1492. Die Christen unter Isabella von Kastilien haben die Stadt Granada erobert, die Araber sind per Vertrag kaltgestellt, die Juden entrechtet. Boston gerät zwischen alle Fronten, die Zeitreise wird für ihn lebensgefährlich. Doch er findet in Salomon und Tariq, einem Juden und einem Moslem, Freunde, die ihm helfen.

Kirsten Boie hat ein ebenso spannendes wie hochinteressantes Jugendbuch geschrieben. Die Geschichte führt ins Zentrum der europäischen Politik, als Isabella und ihr Mann Ferdinand nicht nur Spanien vereinigten, Moslems und Juden vertrieben, sondern auch die Inquisition und Kolumbus' Reise nach Westen betrieben. Und sie zeigt zugleich - und da liegt seine Aktualität - wie die drei Religionen hier jahrhundertelang friedlich in einer Hochkultur zusammenlebten.

Das Motiv von Bostons Zeitreise ist dem augenblicklichen Fantasy-Boom geschuldet, hat aber eine eigenständige Funktion. Zum einen können sich jugendliche Leser mit einem modernen Jungen weitaus besser identifizieren als mit einem Protagonisten des 15. Jahrhunderts. Zudem entwerfen und diskutieren Boston und seine zurück gebliebenen Freunde phantastische Zeit-Theorien. Das Unmögliche erscheint dadurch fast wahrscheinlich. Damit bleibt die Alhambra, die maurische Burg Granadas, nicht nur Symbol für politische Macht und Reichtum. Sie wird zum Bild auch für die Schönheit der Phantasie.

Kirsten Boie hat sich eng an die historischen Fakten gehalten. Eine Ausnahme ist natürlich Bostons Geschichte und im Zusammenhang damit eine geplante Reise Phillips, des Verlobten von Isabellas Tochter Johanna der Wahnsinnigen. Boston wird zeitweilig für Phillip gehalten und gerät dadurch erst in die Alhambra. Eine Idee, die der Story Schwung gibt, aber nie an den historischen Fakten rüttelt.

"Alhambra" malt er ein farbiges, sinnliches und lebendiges Bild vom Leben und Treiben im Palast und in der malerischen Maurenstadt Granada. Man spürt förmlich die Freude, mit der Kirsten Boie von Bostons Abenteuern wie von historischen Ereignissen erzählt. Ob Judenviertel oder Markt, Kerker oder Olivenhain - die Klarheit der Erzählung, ihr Detailreichtum und ihre Atmosphäre sind eindrucksvoll! Neben den spannenden Abenteuern des Jungen fehlt es nicht an zauberhaften Momenten, poetischen Gedanken und komischen Situationen.

Fazit: Kirsten Boie hat einen üppigen Ferienschmöker geschrieben, aus dem junge Leser viel mehr und viel lieber lernen werden als in vielen Geschichtsstunden.


Rezensiert von Sylvia Schwab

Kirsten Boie: Alhambra
Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 2007. 432 Seiten, 17,90 Euro. Ab 12 Jahre