Zeitreise eines Gemütszustands

11.10.2005
"Melancholie ist allen genialen Menschen gemein", schrieb Cicero. Und tatsächlich wird Kunstschaffen seit der Antike mit Trübsal und Traurigkeit in Verbindung gebracht. Die Ausstellung "Melancholie – Genie und Wahnsinn im Abendland" im Pariser Grand Palais zeigt ab Donnerstag Beispiele aus der Kunstgeschichte für den Einfluss der Melancholie auf die Künstler.
Die Ausstellung ist eine deutsch-französische Koproduktion und wird im Februar in der neuen Nationalgalerie in Berlin gezeigt. Der Kurator Moritz Wullen sagte in Fazit, die Melancholie sei seit der Antike eins der größten Themen in der Kunst des Abendlandes:

"Die größten Meisterwerke sind eigentlich aus dem Geist der Melancholie heraus entstanden."

Seit Aristoteles, so Wullen, wird dieser Gemütszustand mit künstlerischer Verdichtung in Verbindung gebracht, verdichtet sich in der Renaissance, besonders bei Dürer, und wird in der Romantik "geradezu zur Manie". Das setzt sich aber heute noch fort, sagt Wullen:

"Die Grundthese ist die, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Melancholie schlechthin sein wird. Die beste Vorbereitung für dieses Jahrhundert ist diese Ausstellung."

Wullen glaubt, dass die Denkfigur der Melancholie nur in Europa existiere, insofern sei es ein rein abendländisches Phänomen. Als "melancholisches Bild schlechthin" bezeichnete Wullen "Der Mönch am Meer" von Caspar David:

"Das ist der Melancholiker: völlig allein gestellt in die Welt, nur mit sich beschäftigt, nur mit seinen eigenen Grenzen beschäftigt und im Grunde genommen für die Außenwelt nicht durchsichtig."

Wullen sagte, für die Ausstellung seien zwei Arten von Bilder ausgewählt worden: zum einen solche, die melancholisch wirken, zum anderen solche, die Melancholie darstellen. Die Ausstellung lädt zu einer Zeitreise ein und reicht von antiken Stelen bis zu zeitgenössischen Werken:

"Man erlebt die Erfolgsgeschichte der Melancholie von der Antike bis zur zeitgenössischen Kunst in Hauptwerken, in Hauptkünstlern. Es ist eine Reise mit einer Zeitmaschine durch die Jahrhunderte einer bestimmten Gemütsstimmung."

Service:
Die Ausstellung "Melancholie - Genie und Wahnsinn im Abendland" wird am Donnerstag, 13.10., in Paris eröffnet und ist ab Februar in Berlin zu sehen.
Galeries Nationales du Grand Palais