Zeckenalarm

Das Albtraumgruselmonster

Zwei Zecken auf einem Blatt auf einer Wiese
Zwei Zecken auf einem Blatt auf einer Wiese: Sie könnten die Lyme-Borreliose übertragen, wenn sie ein Tier oder einen Menschen beißen. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Georg Gruber · 11.06.2015
Der Störenfried des Sommers ist die Zecke: Keiner mag sie. Doch eigentlich stört nicht so sehr das bissfreudige Tier an sich, sondern die Krankheiten, die es übertragen kann.
Junge: "Ich finde die Zecke eklig und möchte sie nicht gerne an mir dran haben. Also alles in allem ist sie für mich ein Störenfried."
Die Zecke ist wirklich ein Tier, das wenige Freunde hat.
Junge: "Also ich hatte auch schon welche, und die haben mir dann meine Eltern ganz schnell mit der Zeckenzange rausgemacht."
Zeckenalarm: Jedes Jahr aufs Neue kommen die Warnungen. Immer dann, wenn es warm genug ist, um durch Wiesen und Wälder zu streifen und sich ins Gras zu legen.
Volker Fingerle: "Die Zecke findet sich typischerweise zwischen 0 und 30 Zentimetern Höhe, im Gras, im Gebüsch, da wo sich eine hohe Luftfeuchtigkeit aufbauen kann, also jetzt nicht in der gemähten Wiese. Im englischen Rasen hat man praktisch keine Chance, eine Zecke abzukriegen, sondern das sind vor allem Waldränder, im Wald selber, begraste Waldwege und da findet sie sich."
Volker Fingerle − er ist einer der Zecken-Experten in Deutschland und Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Borrelien am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Bayern. Schon seit seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit den Blutsaugern:
"Also ich persönlich denke, die Zecke gehört zur Natur dazu wie alles mögliche andere."
Junge: "Zecken wohnen auch in der Wohnung, wenn unsere Katze sie mit hinein bringt. Deswegen darf unsere Katze auch nicht ins Bett."
Unter der Lupe wird die Zecke nicht unbedingt schöner. Acht Beine, vorne ein Blutsaugestechrüssel.
Junge: "Die Zecke sieht aus wie ein Abltraumgruselmonster."
Junge 2: "Wenn die Zecke viel Blut getrunken hat, sieht sie aus wie eine Murmel mit Beinen."
Eigentlich stört gar nicht so sehr die Zecke an sich, es sind die Krankheiten, die sie übertragen kann. Etwa die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME, eine Hirnhautentzündung. Deutschlandweit erkranken jährlich bis zu 500 Menschen an dem Virus.
Fingerle: "Man sagt immer, so 30 Prozent verlaufen schwer von den Infektionen − tödlich, das ist vielleicht ein Todesfall pro Jahr."
Kein Grund zur Panik beim Wandern
In vielen Apotheken und Arztwartezimmern hängen deshalb Plakate mit rot eingefärbten Risikogebieten und dem Hinweis, dass man sich impfen lassen kann. Seit Jahren wird dieser rote Bereich immer größer. Doch noch ist das kein Grund zur Panik bei Wanderungen durch den Wald. Bei weitem nicht jeder Stich führt zu einer Infektion.
Nicht impfen lassen kann man sich gegen Borrelien, die auch von der Zecke übertragen werden können. Deutliches Zeichen: Die sogenannte Wanderröte, die sich um den Einstich bildet. Wer damit zum Arzt geht, wird mit Antibiotikum behandelt. Aber: Nicht in jedem Fall tritt die Wanderröte auf, bei etwa zehn Prozent gibt es keine auffällige Färbung.
Junge: "Wenn sie sich vollgesogen hat, fällt sie runter und wenn man dann drauftritt, gibt es einen Blutfleck."
Borreliose kann mit den unterschiedlichsten Symptomen verbunden sein, angefangen mit leichtem Fieber, wie bei einer Grippe bis hin zu neurologischen Beschwerden wie Lähmungen und Augenbewegungsstörungen.
Fingerle: "Bei Erwachsenen ist das häufigste das sogenannte Bannwarth-Syndrom, dass man so ganz grässliche brennende Schmerzen insbesondere nachts hat. Das kann gut sein, das fängt dann irgendwann spätabends an, zieht sich die Nacht durch, sind wirklich entsetzliche Schmerzen und die sind morgens wieder weg. Dann kommt ein depressiver Patient zum Hausarzt, der sagt: Aha, Sie haben ja gar nichts, und dann fängt es die nächste Nacht wieder an und kann sich so diagnostisch etwas hinziehen."
Spätfolgen eines Zeckenstiches können sich auch erst Monate oder Jahre nach der Infektion zeigen. Am bekanntesten ist die Lyme-Arthritis:
"Da steht dann im Vordergrund eine ganz massive Schwellung eines oder weniger großer Gelenke. Dann gibt's die sogenannte Acrodermatitis chronika atrophicans, das ist eine Hautveränderung, die über Jahre sich entwickelt und dann haben wir noch die chronische Neuroborreliose, die kann sehr sehr vielfältige Symptome zeigen, also Symptome der Gehirnentzündung, der chronischen Gehirnentzündung. Und das ist sicherlich eine sehr schwere Erkrankung, wenn man so was hat, aber das ist glücklicherweise sehr, sehr selten."
Angst vor chronischer Borreliose
Doch die Angst gerade vor der chronischen Borreliose wächst von Jahr zu Jahr. Besonders Menschen mit ungeklärter Schmerzsymptomatik befürchten, infiziert zu sein. Auch weil die Betroffenen hoffen, endlich einen Grund für ihre Schmerzen gefunden zu haben. Im Internet boomt das Angebot an Informationen und Therapiemethoden: Neben der Werbung für mitunter wirkungslose Abwehrmittel heißt es da beispielsweise, dass gegen chronische Borreliose nur eine monatelange Antibiotikum-Behandlung helfe.
Fingerle: "Wir sehen aus Studien bisher keinen Benefit, keine Vorteile durch solche langen monate- bis teilweise auch jahrelangen Antibiotikagaben. Was wir wissen ist, dass es relevante Nachteile gibt, nämlich die sogenannten Antibiotika-Nebenwirkungen, das kann Allergieentwicklung, Reizdarm, das kann bis zu Darmdurchbruch und Tod führen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass solche Interventionen sehr schädlich sein können."
Und so bleibt als erste Maßnahme: Sich nach jedem Aufenthalt im Freien abends abzusuchen, und falls man gestochen wurde, die Zecke möglichst rasch zu entfernen. Nicht drehen, die Zecken haben kein Gewinde, sondern gerade herausziehen. Und alte Hausmittel vergessen, also die Zecke nicht vorher mit Öl oder Uhu betäuben. Nur weg mit dem Störenfried!
Junge 2: "Mein Papa spült die Zecken immer im Klo runter, damit sie nie wieder kommen."
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