Zapfenstreich fürs Übermaß

Von Stephan Hebel · 08.03.2012
Das militärische Zeremoniell des Zapfenstreichs gehört wie der Ehrensold zu den staatlichen Dankesbekundungen für verdiente Persönlichkeiten. Fast peinlich wirkt es nur, wenn die Ehre einem Mann zuteil wird wie Christian Wulff, meint Stephan Hebel.
Hier zunächst ein kleiner Hinweis zum Fernsehprogramm: Die ARD-Sendung "Gottschalk live" fällt heute aus. Wir sehen stattdessen den "Großen Zapfenstreich" für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff. Es fragt sich allerdings, ganz ähnlich wie bei Gottschalk: Warum tut er sich das an?

Das militärische Zeremoniell des Zapfenstreichs, mit Fackelschein und Wunschmusik, gehört wie der Ehrensold zu den staatlichen Dankesbekundungen für verdiente Persönlichkeiten. Man erinnert sich bewegt der Leistungen, die das Land dem Geehrten verdankt, und entlässt ihn in den verdienten und finanziell abgesicherten Ruhestand.

All das hat seinen Sinn, ob man nun das zackige Antreten von Ehrenkompanien für die angemessene Stilform hält oder nicht. Vollkommen hohl, fast peinlich wirkt es nur, wenn die Ehre einem Mann zuteil wird wie Christian Wulff. Einem Karriere-Politiker, ins höchste Staatsamt gespült von den Machtkalkulationen seiner Kanzlerin und gescheitert am Versuch, seine Amigo-Netzwerke hinter Ausflüchten und Halbwahrheiten zu verbergen. Bei Christian Wulff wird der Zapfenstreich das Gegenteil seines Zweckes erreichen: Im Lichte der unangemessenen Ehrung wird das Versagen des Geehrten nur noch deutlicher zu erkennen sein.

Ähnlich ist es beim Ehrensold: Dass nun allenthalben gefragt wird, ob die kurze Amtszeit und ihr Ende wirklich das großzügige Ruhegeld rechtfertigen, ist wahrlich kein Wunder. Es ist allerdings ratsam, die Debatte über den Einzelfall Wulff von grundsätzlichen Fragen zu trennen.

Wulff wäre, falls er sein Renommee jemals wiedergewinnen will, gut beraten, zu verzichten. Die angeblich politischen Gründe seines Rücktritts, die den Anspruch begründen, sind zwar juristisch schwer zu widerlegen. Glaubwürdig sind sie deshalb noch lange nicht. Es war schließlich persönliches Fehlverhalten, das Wulff erst in seine politisch ausweglose Lage brachte.

Doch selbst wenn der Gescheiterte die Größe zum Verzicht besäße, bliebe das Gesetz bestehen und damit die grundsätzliche Frage: Was sind uns die höchsten Repräsentanten unseres Staates wert, auch noch im Ruhestand? Hier gilt: Wer sich als Gesicht seines Landes zur Verfügung stellt, darf erwarten, danach durch die Gemeinschaft der Steuerzahler vor dem Sturz ins Bodenlose geschützt zu werden. Allerdings tut dies die gültige Praxis im Übermaß.

Grundsätzlich lehrt uns der Fall Wulff zum einen, dass im Gesetz besser differenziert werden muss: Ein 52-Jahre alter Rechtsanwalt, selbst wenn er nicht vorzeitig zurückgetreten wäre, braucht keinen wohl ausgestatteten Ruhestand. Er braucht allenfalls Übergangshilfe bei der Rückkehr ins zivile Arbeitsleben – und eine würdige Rente ab 67. Auf jeden Fall aber müssten alle anderen Einkünfte vom Ruhegeld abgezogen werden. Das gilt bisher nur für Ansprüche aus einer Arbeit im Öffentlichen Dienst – ein Ex-Präsident kann in der Privatwirtschaft Millionen verdienen und bekommt die 200.000 Euro Ehrensold noch dazu.

Zweitens aber, und vor allem, wäre jetzt das zu tun, was kein anderer als Christian Wulff vor seinem Amtsantritt forderte: die Bezüge zu senken. Dass ein Ruheständler so viel bekommt wie während seiner aktiven Zeit, das sprengt die Verhältnismäßigkeit und empört die Bürger, die um Job und Rente fürchten müssen, zu Recht.

Wenigstens der Zustand, der in der Frühzeit der Bundesrepublik galt, sollte wiederhergestellt werden. Bis 1959 sah das Gesetz volle Bezüge nur für drei Monate vor, danach schmolz das Ruhegeld auf die Hälfte ab. Dass dies geändert wurde, war das Ergebnis einer geradezu Wulffschen Schlitzohrigkeit: Die CDU wollte ihren Bundeskanzler Konrad Adenauer ins Präsidentenamt abschieben. Und glaubte, das werde mit einem schönen Finanzpolster leichter.

Das ging bekanntlich schief, Adenauer blieb Kanzler bis 1963. Aber um Fehler zu korrigieren, ist es nie zu spät.

Stephan Hebel, geboren 1956 in Frankfurt am Main, studierte Germanistik und Romanistik, bevor er 1986 Redakteur der "Frankfurter Rundschau" wurde. Er arbeitete im Nachrichtenressort, als Korrespondent in Berlin, im Ressort Politik und als Mitglied der Chefredaktion. Seit 2011 ist er als politischer Autor tätig.

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Stephan Hebel, freier Autor
Stephan Hebel, freier Autor© Frankfurter Rundschau
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