Yoga

Lukrative Haltungen

Yoga-Übungen im Berliner Olympiastadion.
Eine neue Massenbewegung: Yoga-Übungen im Berliner Olympiastadion. © JOHN MACDOUGALL / AFP
Von Katja Bigalke · 21.10.2014
Om, Sonnengruß, Krieger 1 und 2, Savasana oder Namaste. Yogabegriffe sind keine Fremdwörter mehr. Das Durcharbeiten durch verschiedenste Körperhaltungen, die am Ende Entspannung, Konzentration und vielleicht sogar Befreiung versprechen, gehört mittlerweile zum Angebot deutscher Fitnessstudios.
"Herzlich willkommen beim Sunset Summer Flow. Jetzt zu unsere zwei große Ambassadors . Tine... und Adam Rice. Und jetzt machen wir ein bisschen Yoga! Fangen wir an! Wow 300 Yogis Namaste..."
Ein Abend im August. Auf dem Dach der West-Berliner Edel-Shoppingmall im Bikini Haus am Zoo haben sich knapp 300 Frauen und Männer versammelt. Sitzen erwartungsvoll im Schneidersitz auf ihren Yoga Matten, warten auf den Beginn des Sunset Summer Flows, einer gratis Open-Air Yogastunde, organisiert vom Sportartikelhersteller Lululemon.
"... und dann beginnt euch mit eurem eigenen Atem zu verbinden. ... Und den Atem vor allem im Rücken wahrzunehmen ..."
Eine Stunde Yoga. Fließend, energetisierend, schweißtreibend. Mehr oder weniger gekonnt folgen die Yoginis auf den Matten den Ansagen der beiden Lehrer. Balancieren auf einem Bein, mühen sich durch Bauchübungen, atmen sich durch Drehungen und Hüftöffner. Alles festgehalten auf vielen Fotos für die Lululemon-Facebook-Seite.
"OMMMMM"
Am Ende der Stunde folgen die üblichen paar Minuten Endentspannung auf der Matte. Und ein kleines Dankeschön von Lululemon fürs Mitmachen.

"Wir finden, ihr habt toll Yoga praktiziert und so solltet ihr alle eure Matte einrollen und nach Hause nehmen."
Werbefotos einer bunten Fangemeinde
Ein Abend mit Mehrwert für alle Seiten – für die Yoginis gibt es die begehrten, knapp 80 Euro teuren Matten als Giveaway. Und das Unternehmen hat etliche Bilder vom Dach der Bikini-Mall, die eine lebendige und bunte Fangemeinde zeigen.
Lululemon Athletica, 1998 von Dennis Chip Wilson in Vancouver gegründet ist seit 2007 ein börsennotiertes Unternehmen, das wie kein anderes zeigt, wie sehr sich Yoga in den letzten 20 Jahren zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt hat. Zwar verlangsamte ein PR-Desaster um eine ungewollt transparente Yoga-Hose im letzten Jahr das Wachstum des Unternehmens deutlich. Aber Lululemon setzt weiterhin jährlich Milliarden um.
Mit hochpreisiger auf die speziellen Anforderungen von Yoga-Haltungen abgestimmter Mode. Und einer PR, die mit Sprüchen wie "friends are more important than money" gezielt Yogageist zu verbreiten versucht. So hat sich das Unternehmen lange vor klassischen Sportartikelherstellern wie etwa Adidas oder Puma seinen Platz auch auf dem deutschen Markt gesichert. Ein Markt, der bisher kaum beleuchtet wurde. Im Gegensatz zu seinem nordamerikanischen Pendant.
Laut einer Marktstudie im Auftrag des amerikanischen Yoga Journals aus dem Jahr 2012 gehört die Yoga- und Pilates-Branche zu den zehn am schnellsten wachsenden Geschäftsfeldern der USA. Demnach praktizierten im Jahr 2012 20,4 Millionen Menschen, das sind 8,7 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner, Yoga - knapp 30 Prozent mehr als noch im Jahr 2008. 10,3 Milliarden Dollar geben die Amerikaner pro Jahr für Yoga-Kurse, Zubehör, Kleidung, Reisen und Medien aus. Im Jahr 2008 waren das noch 5,7 Milliarden.
Yoga eine Wachstumsbranche.
"Man kann es nicht beziffern in Zahlen oder in der Sprache von Marktforschungssprache, was ich beobachte ist, dass es seit zwei Jahren, nicht mal zwei Jahren, inzwischen drei Yoga Fachzeitschriften auf dem Markt gibt, es gibt immer mehr Bücher, Matten, das Angebot an Yogareisen wächst."
... sagt Till Schröder, der mit seinem Internetportal yogaservice versucht, ein wenig Licht zu bringen in das deutsche Dickicht aus unterschiedlichsten Yoga-Verbänden, Schulen und Studios. Sie heißen Iyengar, Vidya, Anusara. Jivamukti, Prana, Spirit. Ashtanga, Kundalini, Inside.
Rund 20.000 Yogalehrer allein in Deutschland
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft übt bei Patrick Broome in München, in Köln kann man sich auf Lord Vishnus Couch verknoten oder sich in Hamburg bei Qbi auspowern. Mal steht ein Label für eine bestimmte Stilrichtung, mal für einen Berufsverband, mal ganz schlicht für die Linie eines bestimmten Lehrers. Schätzungen gehen davon aus, dass es in Deutschland mittlerweile an die 20.000 Yogalehrer gibt.
"Es gab auch mal eine Initiative der Industrie und Handelskammer im Saarland, den Yogalehrer anzuerkennen und die Initiative kam von jemanden, der schon einige Nischenberufe entwickelt hat und er meinte, das sei der schwierigste Erfahrung seiner ganzen Karriere gewesen, weil es so viele Vorbehalte gab in Deutschland. Das ist eine sehr sehr heterogene Landschaft. Man spricht in den Medien immer gerne von dem Yoga- aber die alle zusammenzubringen, das ist gar nicht so einfach."
Sichtbar vermehrt haben sich in den letzten zehn Jahren die Yoga-Schulen, die sich an dem modernisierten, dynamischen Yoga aus den USA orientieren. Fließende Asansa- also Übungsabfolgen - ohne Räucherstäbchen und Schaffellmatten, dafür aber oft zu Pop-Musik. Daneben haben die Deutschen aber noch ihre eigene Yogatradition:
"Die reicht zurück bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts – und war natürlich nie wirtschaftlich beschreibbar, wenn Aufklärer wie Humboldt schon angefangen haben, die Veden zu rezipieren und dann auch die Theosophen, dann ging es eher darum, sich aus weltlichen Zusammenhängen zurückzuziehen, das heißt das war eine antikommerzielle Tradition in der deutschen Yogatradition. Auch der erste Boom in den 20ern, der war sehr eingebunden in Okkultismus. Auch wir hatten in den 70ern einen Boom, man erinnert sich. Damals hat man auch geglaubt das sei ein großer Markt. Das wird aber nicht richtig belegt."
Yoga-Boom in den USA: eine Massenübung in New York.
Yoga-Boom in den USA: eine Massenübung in New York.© EMMANUEL DUNAND / AFP
Heute deuten zumindest die Zahlen, die der BDY, der Berufsverband der deutschen Yogalehrenden, diesen Sommer erhoben hat, auf einen großen Markt hin.
2,6 Millionen, also 3,3 Prozent der Deutschen praktizieren aktuell Yoga. Wobei 2,4 Millionen dieser Praktizierenden Frauen sind. Weitere 12 Prozent der Deutschen haben schon einmal Yoga praktiziert, tun dies aktuell aber nicht mehr. Und von den Personen, die aktuell kein Yoga praktizieren oder noch nie Yoga praktiziert haben, können sich 12,5 Mio. vorstellen, in den nächsten 12 Monaten mit Yoga zu beginnen.
"Im Fahrwasser von großen Trends"
Der Zeitgeist spricht für eine weitere Ausbreitung meint auch Till Schröder:
"Es ist ein Wachstumsmarkt, weil es im Fahrwasser von großen Trends schwimmt: nämlich dass alle uns stärker selbst steuern müssen für unsere Arbeitsbiografie und selbst darauf achten müssen, wie wir uns fit halten. Und Yoga passt in diese neue Sportkultur, die eben weggeht Immer von Wettbewerb, immer mehr functional training. Das heißt: Ich möchte mich fit halten, aber keine Muskelberge mehr aufbauen. Das sind Trends, die dem Yoga unter die Flügel greifen."
So haben auch Fitnessstudios in den letzten Jahren verstärkt Yoga in ihre Gruppenkurse aufgenommen. Der Schwerpunkt der Fitnessbranche verlagert sich zunehmend auf die Gesundheit. Und die spielt laut Studie des BDY auch bei der Entscheidung es mit Yoga zu probieren eine zentrale Rolle:
"Das ist ein ganz großer Grund in Yogakurse zu gehen also der Wunsch Ruhe zu finden. Spannungsbeschwerden, wie Schulter-Nacken Problematiken, Migräne aber auch Rückenschmerzen, grundsätzlich ein Unwohlsein im Bereich der Wirbelsäule."
Angelika Beßler ist Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes. Neben der Yogakademie Münster und Osnabrück, an der sie künftige Lehrer ausbildet, leitet sie außerdem ein eigenes Studio in Ibbenbüren. Dementsprechend freut sich die Sozialpädagogin über das Potential, das die BDY Studie ausweist:
"Es ist erstmal für Frauen interessant, es sind die Altersgruppen eher mittleres Alter, also 35 bis 60 sag ich mal - die ganz Jungen - da fehlt noch was, von den Berufsgruppen könnte man sagen, es sind viele Selbständige aber auch Beamte - viele Lehrer."
Männer, Angestellte, Arbeitslose - Kinder, Unter-30-Jährige und Senioren. Es gibt noch viele Menschen die Yoginis werden könnten. Und ihre potentiellen Yogalehrer stehen auch schon bereit.
"Bei den 37 Schulen, die wir haben, also ich würde sagen im Jahr abschließen tun 200. Es nimmt zu, wobei ich nicht genau sagen kann, nimmt das jetzt proportional genauso zu wie die Kurzausbildungen aus dem Boden schießen."
..die wohl die meisten der in Deutschland unterrichtenden Yogalehrer absolvieren. Mal in Form von vierwöchigen Crashkursen, mal in Form von 200 Unterrichtsstunden, die sich über ein bis zwei Jahre ziehen. Der Markt mit den Yogalehrerausbildungen blüht:
"Jetzt gehen wir mal die normalen Asanas durch Basic herabschauender Hund. Macht das noch mal jemand?"
"Ein hauptberuflicher Yogalehrer ist nicht nur auf der Matte"
Worauf sollte man als Lehrer achten, wenn die Schüler auf Händen und Füßen im umgekehrten V stehen? Wie richtet man den nach unten schauenden Hund - Adho Muka Savansana - richtig aus? Young Ho Kim vom Frankfurter Inside Yoga-Studio zeigt an einer Probandin wie man die Oberarme so nach außen rotiert, dass sich der Nacken nicht verkrampft.
"Zu vermeiden ist, was ganz ganz viele Yogalehrer machen, nämlich so was, oder so was – machen wir nicht."
Aufmerksam beobachten die knapp 20 Männer und Frauen des aktuellen Teachertrainings, wie sich ihr Lehrer nun mit dem Bauch über den Rücken der Probandin legt und so ihre Fersen mehr in Richtung Boden drückt. Das zum Thema: Hund. Die Schüler machen sich Notizen. Sie absolvieren ihre Grundausbildung in vier einwöchigen Modulen. Andere lernen Stundenaufbau, Ausrichtung, Methodik und Korrekturen an zehn Wochenendkursen. In einem Jahr bildet Young Ho Kim so zwischen 100 und 150 neue Yogalehrer aus. In Frankfurt, Bremen, der Schweiz und Österreich. Kostenfaktor 3200 Euro pro Person.
"Die Ausbildung ist definitiv finanziell eine sehr wichtige Säule für das Studio."
Yoga vor dem Aquarium in Sidney, 17.10.2013 (Vivien Speers) 
Yoga-Übungen vor und in einem Aquarium in Sidney.© picture alliance / dpa / Dan Himbrechts
Der gebürtige Koreaner Young Ho Kim betreibt seit 2007 das Inside Yoga in Frankfurt. Ein loftartiges 850 Quadratmeter großes Studio mitten in der Stadt, mit Sauna, gelaugten Holzböden und edler – minimaler Einrichtung. Young Ho hält sich zurück, was die offensichtliche Verehrung der über tausend Jahre alten Yoga Kultur angeht. Es gibt keine Altäre in den Kursräumen, in seinem Unterricht fallen keine Sanskrit Begriffe.
Kim versteht sich als professioneller Dienstleister. Eine Kurs-Karte kostet bei ihm 18 Euro. Der Preis für ein persönliches Training, das sich pro Woche an die 100 Banker oder Rechtsanwälte leisten, liegt bei 160 Euro.
"Also unser Stil lebt und stirbt mit mir. Deswegen bin ich jedes Wochenende unterwegs, unterrichte und mache Workshops. Du musst präsent sein, auf Konferenzen dabei sein, du musst Ausbildungen überall geben, Artikel schreiben DVDs machen Bücher machen, Facebook gehört dazu, Instagram gehört dazu. Also ein hauptberuflicher Yogalehrer ist nicht nur auf der Matte Yogaunterricht machen."
"Ich hab diesen Boom in Amerika erlebt"
Diesen Lehrertypus lernte Kim bei einem Besuch an der Westküste der USA kennen. Als er mit Yoga begann. Im Jahr 2001. Damals studierte er noch wenig begeistert Maschinenbau in Aachen. In seinem Traumberuf als Taekwondo-Lehrer, eine Sportart in der er immerhin den 4. Dan hat, sah er keine Zukunftsaussichten.
"Ich hab diesen Boom in Amerika erlebt und da habe ich Licht gesehen. Jeder hatte eine Yogamatte unter dem Arm, jeder hat Yoga gemacht. Yoga war nicht so ne Freakshow wie in Deutschland damals. Yoga war ok. Yogalehrer war ein angesehener Beruf und dann hab ich gedacht ok, das könnte mein Ausweg sein."
In den USA gibt es Yoga-Studios wie Yogaworks oder Pure Yoga, die wie luxuriöse Fitnessstudioketten aufgebaut sind. Und es gibt Yoga-Stars wie Bryan Kest, Sharon Gannon oder David Swenson - die durch die Welt tingeln und Workshops anbieten, bei denen die Teilnahme soviel kostet wie der Besuch eines Popkonzerts.
Die Großen der Szene führen ihre Schulen zum Teil wie Franchise Unternehmen und bilden unter ihren Labels tausende von Yogalehrern aus. Aber keiner hat es wohl so weit gebracht wie der Inder Bikram Choudhury, der sich in den USA eine feste Abfolge von 26 Haltungen bei 40 Grad Celsius patentieren ließ und es mittlerweile auf 1200 Bikram-Yogaschulen-Ableger gebracht hat.
Der Mann mit der legendären Rolls-Royce Flotte vor der Tür gilt als DER Yoga Millionär schlechthin. Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe überschatten seine Karriere. Aber wie er Yoga vermarktet, ist sicherlich am konsequentesten. Die deutsche Szene sei von solchen Entwicklungen allerdings weit entfernt sagt Young Ho Kim.
"Ich bin kein Millionär aber ich möchte, dass Yoga Mainstream wird. Ich möchte das Yogalehrer ein angesehener Job wird."
Das möchte auch der Mann, der in Deutschland wohl am ehesten als Yoga-Millionär gelten könnte. Volker, alias Sukadev Bretz, Gründer und spiritueller Leiter von über 100 deutschen Yoga Vidya Schulen. In Bad Meinberg in einer ehemaligen Kurklinik im Teutoburger Wald betreibt er das größte Yoga-Seminarhaus Europas. Mit 90.000 Übernachtungen pro Jahr. Neben Retreats, also Auszeiten mit Meditation und Übungen, finden hier Aus und Weiterbildungen in Yoga, Ayurveda und Meditation statt.
So auch an diesem Samstag, an dem Bretz zum abendlichen Zusammentreffen – dem Satsang - mehrere Dutzend frischgebacken Yogalehrer verabschiedet
"Und an diesem Wochenende enden auch wieder mehrere Yogalehrerausbildungen...."
Der 51-jährige Sukadev, weiße Hose, gelbes Hemd und Holzperlenkette um den Hals, thront im Schneidersitz auf einer kleinen Tribüne am Kopf der umgebauten Kurklinikschwimmhalle, führt durch den Abend.
Für die mehreren hundert Menschen vor ihm auf dem Teppichboden endet der Abend mit einem Mantra und geweihtem Obst.
Nicht nur ein Kursangebot sondern eine Lebensform
In Bad Meinberg ist Yoga nicht nur ein Kursangebot sondern eine Lebensform. Das war auch Volker Bretz' Vision, nachdem er 1991 seinen indischen Yogameister verließ und nach Deutschland zurückkehrte.
"Ich war vorher nach Amerika und Kanada ausgewandert und hatte dann so eine klare Mission: du musst nach Deutschland zurück und dort würde eine große Institution entstehen, eine größere spirituelle Gemeinschaft und das wäre meine Aufgabe. Ich habe das weniger vom Betriebswirtschaftlichen gesehen. Das war die Berufung und habe alles dran gesetzt das umzusetzen."
Dem ausgebildeten Betriebswirt, Sohn einer deutschen Unternehmerfamilie, der 1992 mit einer kleinen Yoga-Schule in Frankfurt begann, scheint das ökonomische Denken dabei trotzdem nie ganz verloren gegangen zu sein. Die Entwicklungen auf dem deutschen Yogamarkt hat er jedenfalls im Blick.
"Yoga ist sicher ein Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wenn vermutlich drei Million regelmäßig Yogastunden nehmen, dann wird der Umsatz etwa zwei bis drei Milliarden Euro in Deutschland sein - allein mit Unterricht. Dann sind es noch mal ein bis zwei Milliarden Euro wenn man alles andere zusammenrechnet: Kissen, Decken, Matten, Kleidung, Retreats, Ausbildungen etc. So vier bis fünf Milliarden Euro wird der Yoga-Markt in Deutschland sein, was ja schon eine ganze Menge ist. Yoga ist vermutlich die viertpopulärste Sportart in Deutschland - nur Fahrradfahren, Wandern, Schwimmen hat mehr Anhänger als Yoga. Dafür wird Yoga zu wenig zur Kenntnis genommen. Es gibt vermutlich keinen anderen Markt, der so groß ist und zu dem es keine richtige Marktstudie zu gibt."
Eine gesicherte Information scheint zu sein, dass Yoga Vidya der größte Player auf diesem Markt ist.
"Yoga Vidya hat heute 102 Stadtzentren, vier Yoga-Seminarhäuser. Dann haben wir die so genannten Koop Zentren. So dass man sagen kann, bei Yoga Vidya arbeiten 500 Menschen Vollzeit beschäftigt. In den Yoga Vidya Zentren und Seminarhäusern haben wir jetzt 13.000 Yoga-Lehrer ausgebildet, insgesamt gibt es eine halbe Million Deutsche die nach dem Yoga Vidya Prinzip leben."
Rein den Zahlen nach ist Sukadev der erfolgreichste Yoga-Unternehmer Deutschlands – allerdings ist Yoga Vidya kein Unternehmen sonder eher eine Kommune. Beim Finanzamt läuft es als gemeinnütziger Verein auf dem Gebiet der Volksbildung. Die Mitglieder bezeichnen es lieber als Ashram, so wie die klösterlichen Meditationszentren in Indien.
Yoga Vidya darf keinen Profit machen
"Die Umsätze des gemeinnützigen Vereins werden ja in den Mitgliederversammlungen offen gelegt. Von dem gemeinnützigen Verein selbst dürfte es dieses Jahr vermutlich um die 10 Millionen Euro Umsatz sein. Die meisten der Yoga Vidya Zentren sind Koop Zentren, die selbständig sind, die werden vermutlich auch noch mal sechs bis sieben Millionen Euro Umsatz haben."
An den Einnahmen wird aber niemand direkt beteiligt, Yoga Vidya darf keinen Profit machen, sondern muss die Einnahmen für die Ziele des gemeinnützigen Vereins einsetzen – also für die Verbreitung von Yoga. So leben auch die Bewohner des Bad Meinberger Seminarhauses nicht besonders luxuriös. Mitglieder der Gemeinschaft erhalten ein Taschengeld von etwa 300 Euro pro Monat, der Verein übernimmt die Sozialversicherung und eine betriebliche Alterssicherung. Kost und Logis im Seminarhaus sind frei.
"Wir meditieren zusammen, wir üben Yoga zusammen, alle Beschlüsse werden demokratisch gefasst. Uns treibt die Überzeugung: Yoga ist etwas sehr Gutes, Yoga hilft Menschen mehr zu sich selbst zu kommen."
Russische Frauen probieren "Schwerelos-Yoga" aus. 
Auch in Russland beliebt: Frauen probieren "Schwerelos-Yoga" aus. © dpa / Denis Vyshinsky
"Ich bin als Bankerin im Jahr 2000 zum Yoga gekommen. Ich hatte das Gefühl, neben allen gesprächsbetonten Selbsterfahrungserfahrungen, die ich bis dahin schon gemacht hatte, es muss mal ein anderes Medium dazwischen und da war mir irgendwie ganz klar: Das wird das Yoga sein und da geht's mehr über den Körper zu erfahren und nicht mehr nur über den Kopf. Als Banker ist man ja immer stark im Kopf..."
Dagmar Völpel ist mittlerweile Ex-Bankerin, ausgestiegen aus der Dresdener Bank in der Krise Mitte der Nuller-Jahre. Eingestiegen in das Fach: "Yoga in Unternehmen". So heißt auch der Service, den sie 2005 mit einer Kollegin gründete: Yogaunterricht für Arbeitnehmer am Arbeitsplatz
"Wir beide haben gemerkt dass dieses Kundalini Yoga, ein stark psychologisches Yoga, dazu angetan ist berufstätigen Menschen eine Menge zu geben. Nur in der Verpackung, in der wir das kennengelernt haben - mit Yoga-Lehrer mit Bart und Turban - so können wir das nicht in den Unternehmen platzieren."
Völpels Yogaunterricht ist viel niedrigschwelliger. Zu ihren Kunden gehören Banken Pharmakonzerne, Telekommunikationsunternehmen und mittlerweile auch Behörden. Für ihre 30 bis 40 minütigen Sequenzen in den Mittagspausen zum Beispiel müssen sich die Mitarbeiter nicht mal umziehen. Es wird auf Stühlen oder im Stehen geübt. Im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements können Unternehmen seit 2009 pro Jahr und Arbeitgeber 500 Euro lohnsteuerfrei in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter investieren. Seitdem ist Yoga kein Fremdwort mehr in der Wirtschaftswelt.
"Gesundheit stärker in den Vordergrund rücken"
"Ab 2010 war den Unternehmen zunehmend klar, wenn wir jetzt nicht die Gesundheit stärker in den Vordergrund rücken, dann haben wir ein Problem. Dann sind wir entweder nicht mehr attraktiv genug und können keine Nachwuchs mehr ziehen und wir müssen mit den alternden Belegschaften umgehen, weil wir können die ja nicht mehr in den Vorruhestand entsorgen, was ja in den 90ern sehr populär war. Und die Expertise in den Unternehmen was Gesundheitsmanagement angeht, ist gewachsen. Und das ist die Schneise, in die ich hineinstoße."
Und das offenbar mit Erfolg. Seit knapp zehn Jahren gibt es Völpels Unternehmen mittlerweile. Mithilfe eines Trainernetzwerks erreicht sie Kunden auch jenseits ihres neuen Standorts in Bonn. Sie selbst unterrichtet mit Kundalini-Yoga einen recht traditionellen Stil, wie er auch von indischen Sikhs praktiziert wird und der am Ende - wie alle Yoga Formen - zur Erleuchtung führen soll. Banker mithilfe dieser Technik vor dem Burnout zu bewahren, oder Topmanagern zu helfen runterzukommen ist für sie dabei kein Widerspruch zur Yoga-Philosophie, die doch eher asketisch als profitorientiert daherkommt.
"Ich habe es zu oft erlebt dass die Mitarbeiter aus einem Kurs heraus andere Fragen gestellt haben - zum Beispiel: Muss ich 100 Prozent arbeiten - oder kann ich nicht auch 80 Prozent arbeiten, denn damit ist mein Lebensunterhalt gedeckt? Und dann soll es ja auch Leute geben, die aus Yoga in Führungspositionen wachsen und dann ein arbeitnehmerfreundliches Führungsverhalten an den Tag legen. Man unterschätzt heute, dass Unternehmensleiter - die haben heute auch eine Menge spirituelle Erfahrungen. Mit Klassenkampfparolen springt man meines Erachtens da ein bisschen zu kurz."
"So diese drei Qualitäten gilt es zu verwirklichen. Tapas - Askese Disziplin, Hitze und Selbstdisziplin - das was sich am meisten eingebürgert hat in der Yogawelt ist die Askese, ich verzichte auf alle Annehmlichkeiten und zeige dass mein Wille stärker ist...."
Tapas lässt sich auch als Loslösung von den inneren Gebundenheiten an die Welt übersetzen, erklärt Anna Trökes, Grande Dame der deutschen Yoga Szene, Autorin etlicher Yoga-Bücher. Gemeinsam mit dem Yoga-Lehrer Ron Steiner vermittelt sie auf einem Hof im Havelland die Grundlagen des Yogalehrerberufs. Seit 30 Jahren macht sie das schon. Anfangs noch auf Schaffellmatten und ziemlich allein unterwegs, heute im Umfeld einer großen Lifestyle-Bewegung, die etliche Stilblüten hervorgebracht hat. Klar käme Yoga heute manchmal wie Wellness daher sagt sie. Das besorgt sie aber nicht weiter.
"Ja es gibt immer Yogalehrer, die sagen: 'der Yoga geht vor die Hunde, der wird verwässert.' Ich würde immer sagen, ist super wenn sie damit beginnen, es sind doch überraschend viele, die sich beginnen für die Philosophie zu interessieren weil sie merken, die hat mir heute doch so viel zu sagen."
Und die besage im Übrigen nicht, allem Weltlichen Adieu zu sagen. Auch Yogalehrer müssten schließlich ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und nicht mal die indischen Urväter des modernen Hatha-Yoga hätten einen Widerspruch darin gesehen, Yoga zu unterrichten und Geld zu verdienen, ergänzt ihr Kollege Ron Steiner. Er konnte sich dessen bei Pattabhi Jois höchstpersönlich überzeugen, als er bei ihm Unterricht nahm.
"Da fließt eine Menge Geld"
"Bei Pattabhi Jois' Lebensgeschichte werden wir sehen, dass er schon als kleines Kind seine Liebe zum Yoga entdeckte und in der damaligen Zeit in den 30ern zu seinem Lehrer heimlich gegangen ist mit fünf Rupien in der Tasche. Der hat dann jahrelang dort eine Ausbildung gemacht an der Uni Sanskrit und Philosophie studiert und ist auch Professor dafür geworden in Mysore und hatte nebenbei Yoga unterrichtet gegeben in seinem Wohnzimmer und das hat kein Geld gebracht. Bis in den 70ern und dann kamen die ersten Westler und wollten bei ihm Yoga lernen und erst in den späten 90ern ist es explodiert. Und jetzt kann man sagen, da fließt eine Menge Geld. Das ist auch absolut ok, er hat das nicht gemacht, mit dem Ziel viele Westler anzulocken. Und das Verhältnis zum Geld, als Westler muss man manchmal lächeln. Sieht den zum ersten Mal und das erste Wort war: money you have? und dann legt man sein Bündel dahin und dann wird abgezählt und wenn es dann stimmt dann sagt er tomorrow you come..."
"Was könnte schlecht damit sein, wenn man mit Yoga Geld verdient? Yoga-Ausbildung kostet Geld. Und wenn Yoga und professionell und gut angeboten werden muss, dann darf Geld kein Tabuthema sein. Die Alternative ist nämlich, dass man ein Yoga-Studio eröffnet und wann immer ich das höre und das habe ich viel gehört in den letzten 20 Jahren: Hey und dann putze ich selber, ich mach alles selber und spätestens bei dem Satz, dann kann ich mal wieder ein Kreuz machen wann diejenige - meistens sind's Frauen - mit einem Burnout in der Klinik landet."
... sagt Journalistin, Yogalehrerin und -Autorin Kristin Rübesamen. Weil sie mittlerweile auch Chefredakteurin von Yogaeasy, dem größten deutschen Portal für online-Kurse ist, kann sie nun auch vom Yoga allein leben. Ihrer Meinung nach ist die Yogaszene von einer Überzahl an kleinen Unternehmen, die um ihr Überleben kämpfen, geprägt. Mehr als das Angebot, interessiert Kristin Rübesamen aber ohnehin die Kundenseite.
"Das Yoga, das in Deutschland geübt wird, ist eine Angelegenheit für weiße, reiche, dünne Frauen. Denn die Frauen, die da jetzt zum Yoga gehen, können sich das leisten - die haben auch ein Interesse an Gesundheit und Wellness aber auch dieses Interesse muss man sich erstmal leisten können. Und die Frage müsste weniger sein wird Yoga dreckig durch Geld? Sondern wie kann Yoga noch weiter verbreitet werden?"
Yogaeasy hält Rübesamen dabei für eine gute Variante. Allein die Reichweite des Mediums hat sie überzeugt. Das Unternehmen, das es seit 2009 gibt, hat 10.000 Abonnenten - Tendenz steigend. 10,80 Euro im Monat kostet der Zugang zu den mehr als 200 Kursen. Und obwohl sich Yogaeasy ausschließlich über diese Mitgliedsbeiträge finanziert, schreibt das Unternehmen längst schwarze Zahlen.
"Mir gefällt wirklich wahnsinnig gut daran, dass es Yoga aus der überschaubaren kleinen Boheme Szene rausreißt. Wenn ich einkaufen gehe und sehe die Frau, die seit 10 Stunden dieselbe, blöde, einseitige Bewegung machen muss, im Zug, weil die Tür in ihrem Rücken ist, dann denke ich es gibt genügend Menschen, die das dringender brauchen als wir hier alle. Wir bieten den Abonnenten ständig neue frische Videos mit den wichtigsten Lehrern und Stilen in Deutschland, mittlerweile auch in der Schweiz und Österreich. Wir sind auch mit einer Krankenkasse im Geschäft. Wir wollen natürlich, dass das auch in der Bundesbahn gesendet wird oder im Flugzeug. Wir sind sehr weit. Aber gefühltermaßen noch am Anfang."
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