Yello in Berlin

Pow, pow, tschika, tschika

Dieter Meier beim Yello-Konzert im Kraftwerk Mitte am 26.10.2016 in Berlin
Dieter Meier beim Yello-Konzert im Kraftwerk Mitte am 26.10.2016 in Berlin © dpa / picture alliance / Sophia Kembowski
Von Tobi Müller · 26.10.2016
Das Schweizer Elektroduo Yello spielte in Berlin das erste von vier ausverkauften Konzerten - zum ersten Mal seit der Gründung 1979 so richtig live. Man konnte hören, warum der musikalische Einfluss von Yello gerade in Deutschland unterschätzt wird. Aber man sah auch, warum das Duo mit der Bühne fremdelt.
Zwei wie sie gibt es nur einmal im Popgeschäft. Dieter Meier, reich von Kindesbeinen an, top angezogen, immer einen britisch unterspielten Witz auf den dünnen Lippen, super cool und um die drohende Lächerlichkeit lässig wissend, ein Dandy zweiter Ordnung. Und Boris Blank, der Tüftler und Bastler mit zwanghafter Präzision, der die triefende Ironie der Marke Yello klanglich mit ihrem Gegenteil aufladen kann, mit Leidenschaft. Ein bisschen wie die Pet Shop Boys, aber ohne deren Kadavergehorsam zur Melodie. Yello sind abstrakter, verliebt in Rhythmen, Samples, Sounds, auch in Quatsch.
Kunst und Calypso, Dance Sounds und Samba, in diesem heißen Scheiß der 80er-Jahre zitterten nicht nur die afroamerikanischen Electrobeats mit, sondern mindestens so sehr die elektrifzierten Latino-Einflüsse mit, wie sie Meier und Blank im New York der frühen Eighties aufsogen. Weil sie sich erst die Flüge, später die Sampler leisten konnten, als der Rest Europas mit der Fähre nach London fuhr und die Gitarre von Hand einspielte.
Yello waren nie so technoid wie Kraftwerk, die Band aus Düsseldorf, die noch heute am Anfang jeder Clubgeschichte steht. Aber wer im Kraftwerk sitzt, in der langen Betonhalle in Berlin-Mitte, hört, wohin das alles geführt hat später. Der Versuch, die einfachen swingenden Beats mit Frauenstimmen hochzufrisieren, kannte man aus Disco, lag aber näher an House Music oder, in der weißen britischen Variante, an Big Beat. Manches klingt nicht fern von dem, wozu späte Teenager heute tanzen: Electroswing.
Das ist etwas her, auch wenn es einem an diesem ersten von vier ausverkauften Berliner Abenden vor den Lidern flimmert und die Netzhaut durchblutet. Aber man muss die Augen aufmachen und in der Gegenwart ankommen. Reality Check. Tschika, tschikaaaah, wie es in "Oh Yeah" so schön nonsense-artig heißt. Wir schauen also rund 90 Minuten in diese Halle, sehen viele lustige Videos auf einem viel zu großen Screen, der die ganze Bühne schluckt.
Die Videos aus den 80-ern oder mit ihnen nachempfundenen Bildern sind toll. Kindisch, kunstgeschichtlich informiert, albern, aber elegant, obwohl nicht riesige Produktionsbudgets drinstecken. Vieles davon kann man sich in den Archiven von Dieter Meiers toller Website anschauen oder bei Yello. Im Kraftwerk flackert viel Licht, aber ohne Fokus. Die Show ist eine Enttäuschung und löst so gut wie nichts ein, was das Projekt Yello ausmacht. Wo ist der Witz, wo die kontrollierte Hitze?

Wie geht Orchester? Sie wissen es nicht

Statt mit Licht Räume zu bauen, wird man von altem Musikfernsehen zugeflackert, gelegentlich erweitert von neueren Bildern, meistens verfremdeten Fassaden und Häuserschluchten. Die britisch-malawische Sängerin Malia und die Chinesin Fifi Rong, die in London arbeitet, fügen dem Hochglanz, der einst aus dem Dilettantismus entstand, noch mehr Perfektion hinzu. Yello möchten tatsächlich ein richtiges Orchester sein, wissen aber nicht so recht, wie das geht. Woher auch.
Die Band aus fünf Bläsern, einem Perkussionisten, einem Schlagzeuger, einem Gitarristen und drei Backgroundsängerinnen ist nur das Bild einer Band. Eine Idee. Denn die Band hat null Freilauf, sie spielt bloß mehr oder weniger nach oder mit, was wir schon kennen. Wie im Musikfernsehen, als es noch keines gab und man stattdessen Live-Auftritte in den Studios abfilmte. Vieles davon ist wirklich live dieses Mal und unterscheidet sich in allem, was Yello seit bald 40 Jahren machen. Leider.
Für den Witz muss man die vielen Interviews mit den beiden höheren Spaßmachern lesen. Ein Schweizer Boulevardmagazin fragt Dieter Meier, was sein letzter Einkauf gewesen sei. Meier: "Ein Haarbändeli, damit ich die Haare zurückbinden kann, wenn es windet beim Golfspielen." Charmante Selbstironie und ein weltweit wohl unterschätztes Werk haben dazu geführt, dass Yello ab Mitte November auf eine Schweizer Briefmarke kommen. Zu Lebzeiten. Das langweilige Berliner Konzert ändert nichts mehr daran. Zum Glück.
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