Wunschliste für 2018

Wenn ich mir was wünschen dürfte...

Ein leerer Zettel an einer Leine
Keine Wünsche für 2018: Ein weißes Blatt Papier starrt Gerd Brendel an. © unsplash.com / Kelly Sikkema
Von Gerd Brendel · 31.12.2017
Fazit-Autor Gerd Brendel hat so seine Schwierigkeiten, positive Erwartungen an das kulturelle Jahr 2018 aufzuschreiben. Trotz einiger musikalischer Eingebungen, bleibt seine persönliche Wunschliste überraschend leer.
Meine Wunschliste für das neue Jahr? Ein weißes Blatt Papier starrt mich an und ich fürchte, bei diesem Thema bin ich nicht der Einzige, dem dazu herzlich wenig einfällt.
Musikeinspielung: "Ich hab ein Haus in Monte Carlo."
Okay vielleicht kein Haus in Monte Carlo, aber meine Wohnung hat Zentralheizung. "Ja und?", wenden Sie ein, "Gibt es nicht eine Menge Menschen, die das Glück in relativer Sicherheit und Freiheit zu leben, nicht teilen?" Nur jetzt mal im Ernst, kann ich wirklich glaubwürdig fremd wünschen?
Musikeinspielung: "Mir geht es so fantastisch, mit fehlt noch eine Zeile."

Ein kleine Umfrage im im Kolleginnen-Kreis

Versuchen wir es also eine Nummer kleiner: Umfrage im Kolleginnen-Kreis. Von was, von wem, würde man gerne mehr hören, lesen, sehen im kommenden Jahr?

Ein Moderator wünscht sich mehr Genre und Gender sprengenden Hiphop, und offenere Ohren, für das was es da bereits gibt an Musik von "Money Boy" oder der großartigen "Hayiti", mit klugen Texten, die Fragen, statt fertige Antworten präsentieren.
Eine Redakteurin wünscht sich mehr Dirigentinnen wie Mirga Gražinyté-Tyla am Pult. Ich denke an Tylas männlichen Kollegen James Levine und ein paar weitere männliche Kulturschaffenden aus der Kinowelt, die vor allem mit kunstfremden Schlagzeilen im zu Ende gehenden Jahr von sich reden machten.
Die litauische Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla: Noch ist sie Musikdirektorin des Salzburger Landestheaters, wechselt aber im September 2016 nach Birmingsham.
Die litauische Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla© picture alliance / dpa
Über mehr weibliche Filmproduzentinnen oder Dirigentinnen würden sich nicht nur die Opfer sexueller Übergriffe auf der Besetzungscouch freuen, auch das Publikum von Kinofilmen und Fortsetzungsgeschichten.
Stichwort TV- und Internet-Serien: Mein Büronachbar wünscht sich übrigens mehr Vergangenheit in Serienformat und würde am liebsten das Drehbuch für alle weiteren Staffeln von "Babylon Berlin" schreiben. Eine Krimigeschichte, die in Berlin der späten 20er-Jahre spielt. Es geht um Mord und Totschlag aber vor allem um eine Gesellschaft, die in Arm und Reich gespalten ist und in der rechter Terror immer weiter um sich greift. Die Reise in die gewalttätige Zwischenkriegszeit hilft die Gegenwart zu erklären, die immer unbegreiflicher wird, nicht nur für meinen Kollegen.
Berlin-Babylon-Trailer: "Ich führe dich jetzt zurück zu der Quelle deiner Angst."

Frauen in Positionen mit Verantwortung

Mehr Frauen in verantwortlichen Positionen, nicht nur in der Kultur. Das wär's. Die Bösen waren ja auch in diesem Jahr Testosteron gesteuerte Alpha-Männchen von Assad, Erdogan, Netanjahu, saudischen Prinzen, Putin bis Trump. "Was uns hier fehlt, ist ein zweiter Nelson Mandela", sagte mir neulich ein Redakteur aus Jordanien. "Wenn aus Religion Grundbesitz wird, gibt es Probleme", ein israelischer Theaterkritiker aus Jerusalem. Die Menschen aus dieser Weltgegend, haben wenigstens kein Problem, leidenschaftliche Wünsche zu formulieren. Ob dadurch irgendwas besser wird, ist eine andere Frage.
Mir schwirrt der Kopf. Ich lege mich kurz auf die Couch neben dem Schreibtisch und schließe die Augen.

Per Mausklick Teil der Serienhandlung

Da stürmt der Kollege von vorhin ins Zimmer: Schon gehört? Ab erstem Januar bringen die neuen Chefinnen von Netflix und Sky interaktive Serien heraus. Per Mausklick wird man Teil der Handlung. Zuerst beamt sich die Führungsriege der AfD in die Welt von "Babylon Berlin", aber weil alle den jungen Hitler spielen wollen, wird die Serie so langweilig, dass kein Zuschauer mehr die Folgen runterlädt und Höcke und Co. bleiben einfach im Filmset gefangen.
"House of Cards", die Serie über das skrupellose Präsidentenpaar Claire und Francis Underwood, bekommt Besuch vom realen Donald Trump. Claire Underwood tauscht dessen Haarfärbemittel gegen ein starkes Halluzinogen, worauf hin Trump sich einbildet, er müsse sich für alle Zeiten vor den Nordkoreanern im "Oval Office" der Filmkulisse verkriechen.
Donald Trump
US-Präsident Donald Trump im Oval Office© picture alliance/dpa/Foto: Pete Marovich
In der achten Staffel der Fantasy-Serie "Game of Thrones" taucht mit einem Mal Jerusalem auf und wird von den beiden Fantasiekontinenten Wessteros und Essos als Hauptstadt reklamiert. Israelische Regierung, PLO, Hamas und jüdische Siedler entern die Filmgeschichte schalten sich in den Streit ein. Das reale Jerusalem steht leer und wird von der UN zuerst als Historienpark mit festen Öffnungszeiten und später zur Welthauptstadt erklärt.

Fromme Wünsche vs. Katastrophale Wirklichkeit

Da wache ich auf. Mein Blatt ist immer noch leer. Die Nachrichtenportale und Agenturseiten dagegen quellen über von Katastrophen und Kriegsmeldungen. An der Gegenwart, prallen fromme Wünschen ab, wie Wasser an Neopren. Aber wenn das Wünschen schon nicht hilft, was dann? Vielleicht ist die Zeit ja reif für Träume.
Mehr zum Thema