Wunderbare Werkstatt

Von Remko Kragt · 05.05.2008
Jeder soll sein eigener Designer oder Maschinenbauer sein – möglich macht es das sogenannte Fablab. Es ist die Abkürzung für Fabrication Laboratory oder einfach Fabulous Laboratory, also wunderbare Werkstatt. In solchen öffentlichen Werkstätten kann jeder an PC-gesteuerten Werkzeugmaschinen arbeiten. Inzwischen ist sogar eine Fablab-Bewegung entstanden, die auch die Niederlande erreicht hat.
In einem Kanalhafen in Den Haag steht eine stillgelegte Zigarettenfabrik. Die Stadt hat sie zu einem modernen Gründerzentrum für kreative Kleinunternehmen umgebaut. Grafiker, Designer oder Architekten haben sich auf den vier Etagen eingemietet. Auch eine Abteilung der Haager Hochschule für Gestaltung ist dabei. In den großen, hellen Räumen herrscht eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre.

Im ersten Stock ist eine kleine Werkstatt mit gläsernen Wänden abgetrennt. Es stehen ein paar Tische an der Wand, darauf PC's und einige Maschinen. Plötzlich erscheint im Durchgang ein kleiner Mann im Parka, eine Plastik-Einkaufstüte in der Hand.

"Goeie dag, is dat hier het Fablab?"/ "Ja, dat klopt." / "Ja, want dat komt, ik heb hier een uitvinding, daar wou ik wat vellen textiel laser snijden."

Ob das hier das Fablab sei, fragt Paul Gokkel. Er habe nämlich eine Erfindung gemacht und wolle mit dem Lasercutter etwas aus Baumwolle schneiden. Aus seiner Tüte kramt er ein rotes Stück Stoff hervor, aus der Manteltasche einen USB-Stick, darauf die Datei eines Schnittmusters. Ein Arbeitsplatz ist gerade frei. Kein Problem also, meint Werkstattleiter Gert Jan Willemsen.

"Ich habe hier drei Maschinen stehen. Eine ist ein Plotter, also das ist eine Maschine für das Schneiden von Stickern, dann habe ich hier eine Laser-Cutter-Maschine für das Schneiden von Holz oder Kunststoffen und für's Gravieren davon, und es steht auch eine Fräsmaschine, da kann man dreidimensionale Sachen mit machen oder eine Form für Spritzgussmaschinen oder ein Einzelstück mit machen."

Maschinen, die noch vor wenigen Jahren gut und gerne Klaviermaße erreichten, stehen auf einfachen Arbeitstischen aufgereiht. Sie alle werden über normale PC’s, mit den gängigen Grafikprogrammen, gesteuert.

An einem der Bildschirme sitzt Annet Vossen. Die junge Frau, sie ist im Alltag Buchhalterin, überlegt mit einem ehrenamtlichen Fablab-Mitarbeiter, wie sie ihr Projekt verwirklichen kann.

Sie habe einen flexiblen Wäschekorb entwickelt, der unter ein Waschbecken montiert werden kann. Für ihre Idee, entstanden in ihrer eigenen Raumnot, interessiere sich bereits ein Hersteller von Haushaltwaren, erzählt sie. Nur eine Wandbefestigung müsse noch ausgearbeitet werden. Nach einigem Überlegen am Bildschirm wird eine Kunststoffplatte in den Lasercutter gelegt. Sauber und schnell schneidet das Gerät die am Bildschirm entwickelte Form aus.

Freude über den Leider misslingt das Experiment. Beim Herauslösen aus der Platte bricht die Form durch. Macht nichts, sie versucht es halt noch einmal.

Aber der Bau von Modellen für Produkte, das so genannte Rapid Prototyping, ist nur eine Seite der
Fablab-Idee. Willem Veldhoven, ehemaliger Professor der Universität der Künste in Berlin und heute treibende Kraft hinter den Fablabs in den Niederlanden erläutert:

"Natürlich kann man mit so einer Maschine ganz viel unterschiedliche Sachen machen. Also ich könnte da irgendwie Schmuck mit machen mit so einem 3D-Cutter. Die Idee, die die Fablab-Stifter damit haben, ist, dass ich das Ding benutze, um Geräte zu machen, um Maschinen zu machen, um elektronische Schaltungen zu machen, um Antennen zu schneiden, dass man seine Fabrik selber bauen kann – das ist die Grundidee."

Die Herstellung elektronischer Bauteile wie Leiterplatten oder Antennen in Fablabs sei gerade in Entwicklungsländern eine wichtige Möglichkeit. Auch für uns aber, in Europa und in Amerika, meint Willem Veldhoven, haben sie eine gesellschaftliche Bedeutung.

"Weil es um das Prinzip geht, dass man selbst wieder lernt, wie man Sachen selber entwickelt und baut. Natürlich, jeder der an der TU lernt, lernt auch, wie man Werkzeuge baut. Was aber speziell am Fablab ist, ist, dass es unglaublich demokratisiert, dass es eine billige Grundausstattung ist und, was vielleicht noch viel wichtiger ist, dass es eine vernetzte Werkstatt ist. Das heißt: Ich habe eine Frage und kann eine Antwort von meinem Freund in Amsterdam bekommen, oder es kann auch aus Indien kommen oder aus Norwegen oder aus Amerika."

So gehört der Bildschirm in einer Ecke des Amsterdamer Fablabs, auf dem man live in das Fablab in Boston blicken kann, ebenso zur einheitlichen Ausstattung wie die Maschinen. Man sieht, dass in Boston noch alles in tiefer Ruhe liegt, wenn in Amsterdam gearbeitet wird.
Und wer arbeitet im Fablab? Werkstattleiter Geert Jan Willemsen:

"Das sind Erfinder, Schulen und auch Kinder, Künstler, die haben dann wieder etwas Neues erdacht, das kann dann hier ausprobiert werden."

Wie die Tänzerin Nathalie Ho-Kang-You beispielsweise: Als Selbständige wolle sie ihre Auftritte selbst entwickeln. Mit den sauber ausgeschnittenen Teilen baut sie ein Bühnenmodell.
Inzwischen steht auch Paul Gokkel am Lasercutter. Erfinder und Werkstattleiter grübeln, welche Einstellung für den Baumwollschnitt wohl die richtige wäre.

Wenige Augenblicke später legt die Maschine los. Sauber zieht sie Schnitt um Schnitt, es qualmt und riecht ein bisschen. Ein Klingelzeichen und Paul Gokkel ist begeistert. Jetzt nur noch ein paar kleinere Nacharbeiten, und er kann losgehen, um für seine Erfindung einer Stoffverbindung ohne Nähfaden einen Hersteller zu finden.