Wozu das ganze Theater?

05.05.2012
Wie viele Theater, Opern und Museen braucht ein Land wie Deutschland? Reicht nicht auch die Hälfte? Deutschland diskutiert über Subventionen für Kultur - und auch auf dem Berliner Theatertreffen werden diese Streitfrage wieder für Debatten sorgen.
Wie viele Theater, Opern und Museen braucht ein Land wie Deutschland? Reicht nicht auch die Hälfte? Diese provozierenden Fragen stellen die Autoren des Buches "Der Kulturinfarkt" und haben damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst – gerade auch im Theaterbetrieb. Seit diesem Wochenende präsentiert das Berliner Theatertreffen, die "Olympiade des deutschsprachigen Theaters", die zehn bemerkenswertesten Aufführungen der vergangenen Saison. Auch hier dürfte die Diskussion um Buch und Thesen weitergehen.

"Hirninfarkt" lautet die erregte Replik des Intendanten des Konstanzer Stadttheaters Christoph Nix. Die Analyse sei falsch, die Autoren hätten nichts von der Situation und der Bedeutung der Theater verstanden.

"Was Sie nicht sehen: Dass Theater mehr ist, dass es Ausbildungsort ist für Handwerk. Alle großen Schauspieler kommen vom Theater."

Theater erfülle einen wichtigen Bildungsauftrag, sei Versammlungsort, ein Ort für Emotionen in unserer kontrollierten Welt. Theater könne Lebensrezepte geben, Denkanstöße, Perspektiven eröffnen, Bewegung bringen. Es könne Ventil sein, Spiegel der Gesellschaft.

"Das Theater kann die Welt als veränderbar darstellen`.

Das Konstanzer Theater – mit über 400 Jahren das älteste durchgängig bespielte Theater Deutschlands – sei die am schlechtesten subventionierte Bühne, mit rund 60 Euro pro Karte, der Schnitt liege bei 120 Euro.

Dagegen stünde der wirtschaftliche und gesellschaftliche Gewinn für die Stadt: "Auch wenn die Stadt – abzüglich der Kasinoumlage – 2,5 Millionen für ein Theater zahlt, so erhält sie im Rücklauf Steuereinnahmen von 120 Mitarbeitern des Theaters, darüber hinaus Umsatz- und Mehrwertsteuerbeteiligungen von einer weiteren Million an Sachkosten und ein Programm mit Therapie für über 100.000 Besucher."

"Theater muss sich immer wieder bestätigen und es wird sich bestätigen, solange es die Menschen annehmen", sagt der Theaterkritiker Christoph Leibold und Jury-Mitglied beim diesjährigen Berliner Theatertreffen.

"Wir waren die fleißigste Jury, wir haben rund 430 Inszenierungen gesehen, 700 Theaterbesuche, jeder hat über 100 Vorstellungen besucht."

Seine Erfahrung: Der Erfolg und die Qualität der Theater lassen sich nicht immer mit der Zuschauerquote messen. "Natürlich ist das Theater auf die Gesamtgesellschaft gesehen eine Minderheitenveranstaltung. Aber der Wert einer Demokratie misst sich auch daran, wie sie mit Minderheiten umgeht."

Die Theater arbeiteten sehr stark daran, sich zu öffnen: "Wenn man schaut, was alles passiert mit Migranten-Projekten, sich auch diesem Publikum zu öffnen. Es gibt überall Schüler- und Jugendclubs, pädagogische Angebote. Das Theater leistet eine enorme pädagogische Arbeit."

Gutes Theater ist für ihn eines, das sich mit der Welt auseinandersetzt:
"Letzten Endes ist Theater für mich der Ort, der die Gesellschaft, das Leben allgemein reflektiert. Gut ist es zum Beispiel, wenn ich das Gefühl habe, hier werden ernsthafte Fragen diskutiert, Liebe, Tod, politische und gesellschaftliche Verhältnisse. Wenn es etwas mit mir persönlich, subjektiv als in der Gesellschaft Stehender zu tun hat."

"Wozu das ganze Theater?"

Darüber diskutiert Stephan Karkowsky gemeinsam mit Christoph Nix und Christoph Leibold. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@dradio.de oder auf unserer Facebook-Seite.

Informationen im Internet:
Über das Stadttheater Konstanz
Über das Berliner Theatertreffen

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