Worte der Wende: Treuhand

Von Thomas Brussig · 26.10.2009
Von der Treuhand zu sprechen, heißt, in Superlativen zu sprechen. Die Treuhand war "die größte Holding der Welt" und ihre Präsidentin Birgit Breuel nach eigenem Bekunden "die meistgehasste Frau Deutschlands". Der ehemalige Hamburger Oberbürgermeister Henning Voscherau sprach vom "größten Bereicherungsprogramm für Westdeutsche, das es je gegeben hat".
Die Treuhand, die auf Beschluss des Runden Tisches noch von der Modrow-Regierung gegründet wurde, sollte das DDR-Volkseigentum privatisieren. Das DDR-Volkseigentum ging zu 85 Prozent an westdeutsche, zu 10 Prozent an ausländische und nur zu 5 Prozent an ostdeutsche Eigentümer. In den viereinhalb Jahren ihres Bestehens vernichtete die Treuhand nicht nur über drei Millionen Arbeitsplätze, sie verwandelte zudem ein Anfangsvermögen von 586 Milliarden D-Mark in einen Schuldenberg von 264 Milliarden D-Mark – und das, obwohl sie ja etwas zu verkaufen hatte.

Spätestens hier wird klar, dass die Tätigkeit der Treuhand jedes normale Vorstellungsvermögen sprengt. Deshalb ist die Treuhand im Bewusstsein der Deutschen eine Monster-Behörde, eine gigantische Black Box. Der Begriff Treuhand verlor bald seine vertrauenseinflößende Wirkung und wurde zum Unwort. Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss und zahllose Gerichte befassten sich mit der Treuhand.

Für die innere Einheit war das Wirken der Treuhand verheerend. Die Ostler glaubten, die Westler hätten, was sie ihnen nicht weggenommen haben, plattgemacht, und übersahen dabei, dass die Mehrheit der Westdeutschen als Steuerzahler auch auf der Verliererseite des Treuhand-Wirkens stand. Die Westler hingegen ließen sich einreden, sie müssten für eine marode Wirtschaft bluten, obwohl es das Missmanagement der Treuhand war, was den Schlamassel erst richtig dick kommen ließ.