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Warum Astronauten schnell heiß wird

Astronaut im Weltall arbeitet an einer Raumstation
Schwerelosigkeit bedeutet harte Arbeit © NASA
Hanns-Christian Gunga im Gespräch mit Nicole Dittmer und Axel Rahmlow · 28.12.2017
Schwerelos durchs All schweben – das klingt wie ein Traum. Doch ein Trip ins All ist Stress für Körper und Psyche, erklärt Mediziner Hanns-Christian Gunga. Er erforscht, warum sich die Körpertemperatur von Astronauten verändert.
Die Sonne geht auf, die Sonne unter. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter – und das 16 Mal am Tag. Wer als Astronaut ins All reist, ist besonders extremen körperlichen Erfahrungen ausgesetzt. Doch wichtige Manöver im All setzen voraus, dass der Astronaut körperlich und psychisch auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit ist. Ein wichtiger Faktor sei dabei die Körpertemperatur, erklärt der Mediziner Hanns-Christian Gunga:
"Die Körpertemperatur ist sozusagen der Kapellmeister, wie in einem Orchester. Der dirigiert verschiedenste Körperfunktionen. Und wenn sie diesen Dirigenten da vorne von seinem Programm abbringen, dann haben Sie auch im Orchester-Saal ein großes Tohuwabohu. Insofern ist es wichtig, dass wir wissen, wie diese Körpertemperatur sich verhält."

Der Aufenthalt im All verändert die Körpertemperatur

Über mehrere Monate untersuchte Gunga, wie sich die Körpertemperatur unter den extremen Bedingungen im All verändert.
"Wir haben insgesamt acht Astronauten untersucht, die sechs Monate auf der Raumstation waren. Da ist überraschenderweise herausgekommen, dass die einen sehr starken Rhythmus in ihrer Körpertemperatur haben. Das ist nicht 0,5 Grad, das ist ein Grad. Das ist für Physiologen sehr viel. Das klingt wenig, aber es hat eine ganze Reihe von Implikationen für verschiedene Körperfunktionen."
Während die Körpertemperatur von Menschen auf der Erde um etwa 0,5 Grad im Verlauf des Tages variiert und so zu Phasen besonderer Leistungsfähigkeit führt, schwankt die Temperatur der Astronauten um ein Grad. Bei körperlicher Anstrengung erhitzten sich die Körper der Astronauten, laut Studie, sogar auf bis zu 40 Grad. Auch wenn es erst einmal absurd klingt, gerade wegen der Schwerelosigkeit kämen die Astronauten ins Schwitzen, erklärt Gunga:
"In der Schwerelosigkeit haben Sie keinen Unterschied zwischen dem Gewicht von warmer und kalter Luft. Hier auf der Erde steigt warme Luft auf, wie bei der Kerze, kalte Luft liegt unten. In der Schwerelosigkeit haben Sie diesen Effekt nicht. Das führt dazu, dass Sie wie so eine Zwiebelschale um Sie herum ein abfallendes Temperaturfeld um sich haben. Als wären Sie eingepackt in einen Daunenschlafsack."

Die Reise ins All ist Stress pur

Neben den körperlichen Stressfaktoren, die ein Aufenthalt im All mit sich bringt, kämen eine Reihe psychischer Stressfaktoren hinzu. Eine lange Weltraumreise, beispielsweise zum Mars, wäre Gunga zufolge, deshalb für die Astronauten extrem belastend:
"Wenn Sie merken, dass Sie nicht so leistungsfähig sind, wie Sie sein sollen, dann führt das dazu, dass sie innerhalb der Gruppe einen zusätzlichen Stress haben. Dann kommt noch dazu: der Aufenthalt, dass sie keine Familie haben, dass sie drei Jahre unterwegs sind, dass sie seit Monaten schwerelos sind und Muskelmasse abbauen. Herrgott! Was wollen Sie noch alles, um jemanden durcheinander zu bringen?"
(mw)

Prof. Dr. Hanns-Christian Gunga ist Weltraummediziner und Direktor des Institut für Physiologie am Zentrum für Weltraummedizin und Extreme Umwelten an der Berliner Charité.





Der Weltraummediziner Hanns-Christian Gunga
© Foto: privat
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