Wohnraum

Das Vier-Quadratmeter-Haus

Der Designer und Aktivist Van Bo Le-Mentzel
Der Designer und Aktivist Van Bo Le-Mentzel © Benjamin Heck
Von Lara Sielmann · 12.01.2014
Design zum Selbstkostenpreis, das war das Motto seiner Hartz-IV-Möbel. Jetzt baut der Aktivist Van Bo Le-Mentzel in Berlin ein Vier-Quadratmeter-Haus auf einem Autoanhänger. Wohnraum auf wenig Platz, das die Idee.
Ein grauer Samstagvormittag im November am Carl-Herz-Ufer in Berlin-Kreuzberg: Eine kleine Gruppe von Menschen werkelt an einem schmalen schwarzen Kasten mit einer länglichen Halbkugel auf dem Dach herum.
Er steht auf einem Autoanhänger und wird eines der kleinsten Häuser Berlins: das vier Quadratmeter große Unreal Estate House. Heute machen sie es winterfest, ein Außenofen soll angebaut werden.
"Man könnte sage ich mal ein U-Eisen drumrum machen, wenn man den wirklich fest machen will. Was meint Ihr? Drehen oder versetzen?"
Ausgedacht hat sich das Miniaturhaus der deutsche Designer und Aktivist mit laotischer Herkunft Van Bo Le-Mentzel. Über seine Facebook-Seite "Konstruieren statt Konsumieren" macht er mit Gleichgesinnten auf Projekte unter dem Motto 'Build More - Spend Less‘ aufmerksam. Mehr als 15.000 Follower hat sie schon und viele Menschen, die sich aktiv beteiligen. Einige von ihnen bauen heute zusammen mit dem Designer weiter. Gemeinsam wollen sie ein Zeichen setzen gegen die steigenden Mieten und Wohnraumknappheit. Sobald das Unreal Estate House fertig ist kommt es der Allgemeinheit zu Gute kommen: wer mag, kann sich mietfrei in das Haus einquartieren. Auch die Konstruktionspläne werden online gestellt, umsonst versteht sich - mehr als 1500 Euro Materialkosten sollen für das Haus nicht anfallen.
Bereits 2010 machte er mit dem Projekt "Hartz Vier-Möbel" auf sich aufmerksam - Möbelstücke, die mit wenig finanziellen Aufwand und Wissen selbst gebaut werden können. Der Erfolg führte zu einem Buch über das günstige Mobiliar, das Geld für die Publikation sammelte der Designer via Crowdfunding auf einer Internetseite. Die Finanzierung des Berliner Miniaturhaus-Prototypen hat er ebenfalls auf diese Weise gesichert.
"Alles noch Betaversion. Hier unten ist eine Duschtasse und da ist die Toilette. Man schläft oben. Die Lampe habe ich gestern hier angebracht."
Gedämmt wird das Schlafzimmer mit Hanf
Bis zu vier Menschen können in dem kleinen Untergeschoss stehen, eine Kochzeile gibt es auch. Die Vorderfront ist aus Plexiglas mit direkter Sicht auf den Landwehr-Kanal. Und oben in der Kuppel liegt eine Matratze, gedämmt wird das kleine Schlafzimmer mit Hanf.
"Man dämmt normalerweise nicht mit Hanf. Hanf ist in Deutschland sowieso so ein Sorgenkind wegen Marihuana Produktion, das ist aber eine andere Form. Das heißt, du kannst du nicht rauchen."
Während vor dem Haus immer noch über die Ofeninstallation diskutiert wird, fängt die Foodsharing-Aktivistin Chuy You innen auf dem Gaskocher an zu kochen.
"Das Haus steht für mich für Änderung, für Klarheit, für Freiheit. Weil Wahrheit heißt auch: Was brauche ich? Bin ich mit mir selber ehrlich? Das Haus für mich ist auch ein Experiment, um Menschen dazu anzuregen auch zu denken: Ja, können wir so leben?"
Die Französin kocht regelmäßig im Unreal Estate House für die Helfer, aber auch für Menschen, die vorbei kommen, weil sie Hunger haben. You kommt oft ins Gespräch mit Passanten, die stehen bleiben und schauen, was sie dort machen.
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Mehr als 1500 Euro Materialkosten sollen für ein Unreal Estate House nicht anfallen.© Benjamin Heck
"Viele finden, dass die Idee schön ist. Aber nur intellektuell. Es ist immer dasselbe, der Kopf ist schneller als der Körper"
Mit dem zunehmendem Bewusstsein für die Umwelt sind in den letzten Jahren einige neue Projekte entstanden, die den Gedanken des nachhaltigen Wohnens aufgreifen. Die Idee hinter dem Unreal Estate House ist das bereits Vorhandene zu nutzen und umzudenken, so darf in Deutschland beispielsweise ein Auto bis zu zehn Quadratmeter Parkfläche im öffentlichen Raum einnehmen.
Miniaturhaus auf dem Anhänger
Raum, der auch anders genutzt werden kann im Hinblick auf die Wohnraumknappheit, wie die Gruppe findet. Deshalb haben sie das Miniaturhaus auf einen Autoanhänger gebaut. Damit bewegen sie sich in einem halblegalen Rahmen, denn das Wohnen auf Parkfläche ist in Deutschland nicht erlaubt. Bisher hat sich, so Van Bo, aber niemand daran gestört.
"Sharing ist ja eigentlich der Normalfall, das ist ja erst seit 200 Jahren der Fall, dass alle auf Besitz aus sind, durch die Industrialisierung. Die waren sehr euphorisch: Jeder kann ein Auto haben, jeder kann einen Fernseher haben, jeder kann Wohlstand haben, das müssen wir jetzt ein bisschen korrigieren, weil Wohlstand geht einfach nicht für alle"
Fertig ist das Unreal-Estate House noch nicht, gewohnt wird allerdings schon in ihm: Der Wohnungslose Andris lebt seit Mitte Dezember auf dem Autoanhänger, warm hat er es auch, der Ofen läuft. Ende Januar wird weiter gebaut.