Wissenschaftsstreit

Veganer und Fleischesser im Duell

Besteck und eine Banane liegen auf einem orangefarbenen Teller.
Besteck und eine Banane liegen auf einem orangefarbenen Teller. © picture alliance / ZB / Jens Kalaene
Von Udo Pollmer · 29.03.2014
Eine Studie der Uni Graz macht gerade Furore: Die Forscher behaupten, eine vegetarische Kost sei mit einer schlechteren Lebensqualität und einer höheren Krankheitsrate verbunden. Empört sind vor allem Veganer, die vom Gegenteil überzeugt sind. Wer hat recht?
Eine Studie der Universität Graz erhitzt die Gemüter. Sie stellt einen zentralen Glaubenssatz des Vegetarismus infrage: "Unsere Ergebnisse zeigen", schreiben die Autorinnen, "dass eine vegetarische Kost mit schlechterer Gesundheit (mehr Krebs, Allergien und psychischen Störungen) verbunden ist, … und einer geringeren Lebensqualität." Doch welche Qualität hat die Studie selbst?
Bei der Klärung hilft ein Umstand, der einen braven Hörer verwirren könnte: In der Gesundheitsszene breitet sich nämlich die Unsitte aus, eine Studie gleich zweimal zu veröffentlichen – aber mit entgegengesetztem Ergebnis. Das ist hier auch der Fall. Das beinahe gleiche Autorenteam hat zeitgleich aus dem gleichen Rohdatenfundus eine zweite Studie generiert. Diesmal schneiden die Vegetarier besser ab: "Personen, die moderat Fleisch essen, haben eine schlechtere subjektive Gesundheit, leiden an mehr chronischen Krankheiten … und haben eine geringere Lebensqualität."
Was stimmt denn nun? Diese zweite Studie verschleiert ein wichtiges Detail: Die Daten zeigen entgegen den Einlassungen der Autoren, dass es gerade den Menschen, die besonders viel Fleisch essen, am besten von allen geht. Doch die Gretchenfrage bleibt: Soll man diesen Daten, diesen Forschern überhaupt trauen? Gibt’s denn gar nichts Solides?
Doch, sagen die Veganer. Sie glauben inzwischen den Beweis gefunden zu haben: Ein populäres Buch namens "China Study" mit dem Untertitel "Die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Ernährungsweise".
Einer der beiden Autoren hatte vor Jahrzehnten sogar an einer Ernährungsstudie mitgewirkt, die im Jargon als "China Study" bekannt wurde. Diese Studie ist tatsächlich eine grundsolide Forschungsarbeit. Dafür wurden in ganz China zahllose Daten zur Sterblichkeit der Menschen, ihrer Ernährung und ihrer Lebensweise erhoben. Außerdem wurden Blut, Urin und Lebensmittel genau analysiert. Die Ergebnisse sind 1990 in einer mächtigen Schwarte erschienen.
Missbrauch einer der besten Studien
Das aktuelle Buch mit dem gleichnamigen Titel "China-Study" ist etwas ganz anderes. Darin erzählen die Autoren beredt von China – allerdings berufen sie sich bei konkreten Aussagen nur ungern auf die solide Studie von 1990. Sie tun aber ständig so, als würden ihre veganen Thesen aus dieser Forschung stammen.
Gleicht man den Inhalt ihres aktuellen Buches mit den Originaldaten ab, öffnen sich Abgründe. Die echte Studie von 1990 widerlegt durchweg die Aussagen des "China Study"-Bestsellers. Die Autoren missbrauchen schamlos den Namen einer der besten Studien, um damit ahnungslose Veganer zu verscheißern.
So behaupten die Autoren, dass Menschen, die viel Fett essen, häufiger an Krebs sterben. Dazu haben sie allerlei Zahlen aus allen möglichen Staaten dieser Welt kompiliert, - nur aus China nicht. Denn laut der echten Chinastudie gibt’s zwischen dem Verzehr von Fett und Krebs keinen Zusammenhang – ja es gibt nicht mal einen zwischen Fett und Herzinfarkt.
Bei der Frage nach den Folgen von Fleischeiweiß bieten die Originaldaten nicht den Hauch eines schädlichen Zusammenhangs, egal um welche Todesursache es auch immer gehen mag.
Ein Teil ist Chinesisch, der Rest Fachchinesisch
Der Coup der Autoren ist wohlkalkuliert. Von der Originalstudie gibt es nicht allzu viele Exemplare. Ein Teil des Buches ist auf Chinesisch, der überwiegende Rest ist Fachchinesisch – endlose Zahlkolonnen, kleingedruckt auf knapp 1000 Seiten. Welcher Veganer würde sich schon die Mühe machen und den aktuellen Bestseller anhand der echten China Study auf seinen Wahrheitsgehalt überprüfen?
Der kluge Leser wird stutzig, wenn ihnen China als Beispiel für den Wert einer veganen Kost präsentiert wird. Dort wurde früher alles gegessen, was Beine hatte und kein Tisch war. Gesellschaften, die vom Mangel geprägt sind, können sich den Luxus einer wählerischen Kost gar nicht leisten.
Niemand vermag auf nahrhafte Häppchen zu verzichten und seien es neugeborene Mäuse aus einem zufällig entdeckten Mäusenest. Mit etwas Reis heißt das Gericht “Drei Piepse”. Mahlzeit!
Literatur:
Knop U: Vegetarier: Mehr Krankheiten & weniger Lebensqualität als Viel-Fleischesser. Pressemeldung vom 25. 2. 2014
Burkert NT et al: Nutrition and health: different forms of diet and their relationship with various health parameters among Austrian adults. Wiener Klinische Wochenschrift 2014/ epub ahead of print
Burkert NT et al: Nutrition and health – the association between eating behavior and various health parameters: a matched sample study. PLoS ONE 2014; 9: e88278
Chen J et al: Diet, Life-style and Mortality in China. People’s Medical Publishing House 1990
Campbell TC, Campbell TM: China Study – die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Lebensweise. Verlag Systemische Medizin, Bad Kötzting 2013
Anon: Recipes for cruelty. Shanghai Star vom 19. 2. 2004
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