Wissenschaft

Streifzug durch die Teilchenphysik

Von Dirk Lorenzen · 01.03.2014
Auf über 500 Seiten führt Rüdiger Vaas seine Leser eindrucksvoll durch die größten Geheimnisse der Teilchenphysik und Kosmologie. Für absolute Laien ist das Buch jedoch aufgrund der vielen Fachbegriffe ungeeignet.
"Wir haben eine Entdeckung!" Mit diesen freudigen Worten hatte CERN-Direktor Rolf-Dieter Heuer das lang ersehnte Aufspüren des Higgs-Partikels präsentiert. Für Rüdiger Vaas ist dieser wissenschaftshistorische Moment im Juli 2012 der Ausgangspunkt eines weit angelegten Streifzugs durch die größten Geheimnisse der Teilchenphysik und Kosmologie.
Der vom Verlag etwas reißerisch formulierte Titel "Vom Gottesteilchen zur Weltformel" zeigt, dass die Ambitionen groß sind – doch das Buch hält im Wesentlichen, was es verspricht.
Es beginnt recht gemächlich mit einer Einführung in die Physik der kleinsten Teilchen. Rüdiger Vaas erklärt, wie die Forscher das Standardmodell der Elementarteilchenphysik entwickelt haben, dessen letzter Baustein mit dem Higgs-Partikel endlich gefunden ist. Ganz nebenbei ist dies eine packende Darstellung der Geschichte des CERN-Forschungszentrums, das heute mit dem LHC-Beschleunigerring weltweit an der Spitze steht.
Gibt es wirklich eine "Weltformel"?
Der Autor, erfahrener Reporter und Redakteur für das populäre Monatsmagazin "Bild der Wissenschaft", hat mit etlichen exzellenten Forscherinnen und Forschern gesprochen. Diese persönlichen Erlebnisse und viele Zitate machen das Buch zu einem besonderen Vergnügen. Rüdiger Vaas lässt die Leser ganz direkt an dem großen Abenteuer teilhaben, wie die Wissenschaftler ein halbes Jahrhundert lang an dem "gottverdammten Teilchen" fast verzweifelt sind und wie sie es schließlich doch noch gestellt haben.
Damit ist das Standardmodell zwar nun vollendet – zugleich aber rätseln die Forscher, wie es weitergeht. Denn die beliebte Theorie scheitert beispielsweise daran, die Schwerkraft nicht erklären.
Gibt es wirklich eine "Weltformel", die Quanten- und Relativitätstheorie vereint? Vielen Physikern gilt die Stringtheorie als bester Ansatz dafür. Rüdiger Vaas ist von den unvorstellbar kleinen Strings spürbar fasziniert – aber er lässt auch die Kritiker zu Wort kommen, die in der vermeintlich vieldimensionalen Welt nur eine mathematische Spielerei ohne echten Bezug zur Physik sehen.
Mehr eine Textsammlung
"Vom Gottesteilchen zur Weltformel" ist mehr eine Textsammlung als ein groß angelegtes Buch. Angesichts der über 500 Seiten ist das sehr hilfreich. Viele Exkurse, Zeitleisten und die Zusammenfassungen am Ende der sechs großen Kapitel helfen, mit dem inhaltlich anspruchsvollen Stoff zurechtzukommen.
In den vergangenen Jahren haben etliche renommierte Physiker dicke Bücher über die Geheimnisse und vermeintlichen Fortschritte ihrer Disziplin vorgelegt. Doch da, wo sich die Koryphäen in ihre Fachsprache flüchten, weil sie die schwierigen Zusammenhänge nicht mehr allgemeinverständlich beschreiben können, bleibt der Journalist Rüdiger Vaas erfrischend lebensnah.
Doch auch sein Buch ist alles andere als leichte Kost. Zwar verzichtet er auf Formeln, doch im der Text wimmelt es schnell nur so von Fachbegriffen. Wen Tauonen, Branen oder CP-Symmetrien abschrecken, wird an "Vom Gottesteilchen zur Weltformel" wenig Freude haben. Die meisten der sehr kleinen und nur schwarz-weiß gedruckten Bilder sind entbehrlich und die Grafiken bringen nur Experten etwas.
Für absolute Laien ist das Buch daher ungeeignet – aber für Leute mit einigen Vorkenntnissen hat Rüdiger Vaas die derzeit beste deutschsprachige Einführung in die Teilchenphysik und ihre Rolle für die Kosmologie geschrieben.

Rüdiger Vaas: "Vom Gottesteilchen zur Weltformel. Urknall, Higgs, Antimaterie und die rätselhafte Schattenwelt"
Kosmos Verlag, Stuttgart 2013
512 Seiten, 24,99 Euro

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